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Hauskrach in der Beletage

Im Förderverein des Lingnerschlosses gibt es Ärger um Rechnungen des Schatzmeisters. Der wirft überraschend hin.

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© Sven Ellger

Von Ulrich Wolf, Tobias Wolf und Annette Binninger

Die Beletage lässt sich feiern: Der elbseitige Salon in diesem Stockwerk des Lingnerschlosses ist fertig, an diesem Freitag wird er feierlich der Öffentlichkeit vorgestellt. „Das Obergeschoss kann damit vollständig seiner zukünftigen Nutzung übergeben werden“, teilt der Förderverein Lingnerschloss stolz mit. Mit der Fertigstellung der Beletage habe das Schloss das Potenzial, „zu einem der wichtigsten und beliebtesten Veranstaltungsorte Dresdens zu werden“.

Weniger in Feierlaune sind die Förderer des Schlosses, die sich seit mehr als 15 Jahren auch mit viel Zeit und auch privatem Geld um die Sanierung des beliebten Schlosses bemühen. Dabei knirschte es zwar immer mal wieder im Miteinander, doch zum großen Eklat kam es erst diese Woche. Am Mittwochabend entlud sich der über Monate aufgestaute Ärger vieler Fördermitglieder dann in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Mit überraschendem Ergebnis: Schatzmeister Dieter Ehrle erklärte seinen Rücktritt und die Bereitschaft, rund 11 500 Euro an den Förderverein zurückzuzahlen, die Rechtsanwalt Ehrle – eigentlich ehrenamtlich tätiges Vorstandsmitglied – dem Verein in Rechnung gestellt hatte.

Dass da „etwas nicht stimme“, war zwei Mitgliedern des Fördervereins bei einer Kassenprüfung bereits vor einigen Monaten aufgefallen. „Befremdlich und kritisch im Sinne der Gemeinnützigkeit“ des Vereins seien die Zahlungen an den Schatzmeister. Zudem werteten sie das Verhalten des 57 Jahre alten Kassenwarts als „eine bedenkliche Verletzung des essenziellen Grundsatzes der selbstlosen, ehrenamtlichen Tätigkeit eines Vereinsvorstands“.

In dem Bericht, der der SZ auszugsweise vorliegt, kritisieren die Prüfer beispielsweise, dass Ehrles Kanzlei vom Verein für das Gegenlesen und Unterschreiben eines Standard-Sponsoring-Vertrags mit einem Unternehmen 3 400 Euro kassierte. Insgesamt habe Ehrles Kanzlei dem Verein allein 2015 und 2016 rund 11 500 Euro in Rechnung gestellt „wegen rechtsanwaltlicher Beratung“. Vermerke über die sachliche Richtigkeit der Ehrle-Rechnungen hätten nicht vorgelegen. Stellte also der Schatzmeister des Vereins, der den Verein auch als Rechtsanwalt vertritt, plötzlich Rechnungen an den Vorstand, dem er selber angehörte? Und wie verträgt sich das mit der eigentlich ehrenamtlichen Tätigkeit?

Der Jurist selbst äußerte sich auf SZ-Nachfrage nicht zu den Vorwürfen. Aus seinem Sekretariat hieß es lediglich, er sei bis nächste Woche unterwegs und schwer erreichbar. Dafür bemühte sich Vereinschef Peter Lenk, einst Geschäftsführer der Dresdner Von Ardenne Anlagentechnik, den Ärger aufzuklären – und verteidigt den Ex-Schatzmeister entschieden. Bei der juristischen Auseinandersetzung, für die Ehrle Rechnungen gestellt habe, handele es sich um die juristische Interessenvertretung des Vereins durch den Schatzmeister in einem Konflikt mit der Lingnerschloss Gastronomie Betriebs-GmbH. Diese führt als Pächter ein Restaurant und den Biergarten auf dem Areal. Die Lingnerschloss-Gastronomie hat mehrere Gesellschafter, darunter ist auch der Geschäftsführer der DDV-Mediengruppe, in der unter anderem die Sächsische Zeitung erscheint.

Laut Verein handelt es sich in dem Konflikt um eine „haftungsrelevante Tätigkeit“. Im Ergebnis sei festgestellt worden, dass diese Tätigkeit nicht zum Ehrenamt des Schatzmeisters gehöre. „Das hat den Umfang einer ehrenamtlichen Tätigkeit deutlich überschritten, daher war ich mit den Rechnungen einverstanden“, gesteht Lenk ein, dem Vorgehen Ehrles zugestimmt zu haben. „Das habe ich alleine so entschieden.“ Er habe zu spät gemerkt, dass er damit das Satzungsrecht des Vereins verletzt habe – kurzum: die Anerkennung des Vereins als gemeinnützig, mit allen damit verbundenen steuerlichen Vorteilen riskiert habe.

Eine äußerst sensible Seite des Vereins. Denn die Geschichte der Restaurierung des Lingnerschlosses ist in Dresden nahezu einmalig. Dass sie gelungen ist, verdankt die Stadt vor allem dem Verein und den rund 400 fördernden Mitgliedern – darunter die Elite der Dresdner Wirtschaft sowie zahlreiche Persönlichkeiten aus Kunst, Politik und Wissenschaft. Nur mit ihrer Hilfe konnte der Verein seit 2002 rund 15 Millionen Euro in den Erhalt und die Sanierung des Schlosses investieren. Lediglich fünf Prozent dieser Summe stammen nach Vereinsangaben aus öffentlichen Fördertöpfen. Allein im vergangenen Jahr kamen 80 000 Euro durch Mitgliedsbeiträge zusammen und 100 000 Euro durch Spenden. Summen, von denen manch anderer Verein nur träumen kann.

Umso größer ist der Druck auf den Vorstandschef, die Glaubwürdigkeit und Seriosität seiner Arbeit nicht zu beschädigen. „Das Ganze lässt sich heilen, in dem der Ex-Schatzmeister die strittige Summe zurückzahlt“, sagt Lenk. „Und das wird er auch tun.“ „Damit ist die Sache für mich vom Tisch.“ Dass auch seine Glaubwürdigkeit als Vereinschef gelitten haben könnte, sieht der 79-Jährige nicht so. Dem Zorn und Druck der Förder-Mitglieder gibt er nur in einem Punkt nach: Bereits im September, nicht erst wie ursprünglich geplant im November, werde der fünfköpfige Vereinvorstand neu gewählt, kündigt Lenk an. Einen Grund, warum er nicht mehr als Vereinschef kandidieren sollte, sieht er nicht. „Natürlich werde ich wieder antreten“, sagt er bestimmt, wenn auch noch leicht zerknirscht, dass ihm der „Fehler“ mit dem Schatzmeister unterlaufen sei. „Aber wissen Sie, ich begleite und betreibe den Wiederaufbau des Schlosses jetzt seit 15 Jahren. Und da soll ich das jetzt nicht mehr weiter tun, wenn es fertig wird?“