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Hausfrauenstolz zu verschenken

80 Jahre gehörte die Wäscherolle zu Burkhardswalde. Jetzt hat das Erbstück keinen Platz mehr.

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© Norbert Millauer

Von Heike Sabel

Burkhardswalde. Freitags war Rolltag. Dann rollten in Burkhardswalde die Frauen mit ihren Rollwagen zur Rolle. Auf dem Wagen stand der Korb mit der frisch gewaschenen Wäsche. Manche brachten sie auch in einer großen Tasche. In der Rolle der Morgensterns wurden aus der zerknitterten Wäsche glatte, steife Stücke, die im Schrank die Freude jeder Hausfrau waren.

Ursula Vorsatz ist mit der Wäscherolle in Burkhardswalde aufgewachsen, groß und alt geworden. Ihre Schwester betrieb die Rolle. Nun suchen deren Erben einen Interessenten für das funktionierende technische Denkmal.
Ursula Vorsatz ist mit der Wäscherolle in Burkhardswalde aufgewachsen, groß und alt geworden. Ihre Schwester betrieb die Rolle. Nun suchen deren Erben einen Interessenten für das funktionierende technische Denkmal. © Norbert Millauer

Die Freude von Böttchermeister Morgenstern war die Rolle. Er hatte sie vor 80 Jahren in Großröhrsdorf bauen lassen. Das ging recht schnell. Das Geschäftsbuch der Maschinenfabrik L.A. Thomas verzeichnet unter dem 8. Oktober 1936 die Bestellung. Geliefert wurde am 20. Oktober. Die Rolle trägt die Nummer 4256, ist 3,40 Meter lang und 1,10 Meter breit, verfügt über ein Schwenkgitter, Räderantrieb und einen Ebert-Motor.

Damals, vor 80 Jahren, machte die Rolle das Haus der Morgensterns zum zweiten Zentrum – nach der Kirche. Sonntags in die Kirche, freitags in die Rolle. Hier ging das ganze Dorf ein und aus, erinnert sich Ursula Vorsatz. Sie ist jetzt 92 und mit der Rolle groß, erwachsen und alt geworden. Ihre Schwester betrieb sie. Im vergangenen Mai ist sie gestorben. Nun sucht die Familie jemanden, der die Rolle übernimmt. Alexandra Kelly, die Lebensgefährtin des Enkels, ist zur Wäscherollen-Fachfrau geworden.

Die junge Frau hat sich die vergangenen Monate mit Wäscherollen beschäftigt. Sie hat Museen und Antiquitätenhändler angefragt, Heimatvereine und Privatpersonen. Doch Omas Rolle ist einfach zu groß. Dabei ist sie in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. So kann sie mit Motor und Muskelkraft und damit selbst bei Stromausfall in Gang gesetzt werden. Dafür gibt es an der Seite eine Kurbel. Die dreht sich zwar leicht, doch man braucht schon Ausdauer.

Nur einen Mangel hat die Mangel: Oft gingen die Knöpfe dabei kaputt, erinnert sich Ursula Vorsatz. Trotzdem kam alles in die Mangel, vor allem aber Bett-, Tisch- und Unterwäsche.

Verschrotten ist nicht in Omas Sinn

Wer sich nicht selbst an die Mangel stellen wollte, für den übernahm das Oma Morgenstern. Dafür mussten sie extra zahlen. Ansonsten kostete eine Stunde 60 Pfennig, für die Nutzung der Rolltücher wurden zehn Pfennige extra fällig. Das Rollen an sich brauchte schon etwas Geschick. Denn wenn die Wäsche schief auf die Dogge gezogen wurde, kam sie auch schief raus. Auch Ursula Vorsatz ist das passiert.

Die Rolle funktioniert nach wie vor. Es ist zwar eine Weile her, dass ihre Dienste gebraucht wurden, aber sie ist einsatzbereit. Bis etwa 2000 sind regelmäßig Leute mit ihrer Wäsche gekommen, 2008 haben es die Enkel noch einmal probiert.

Die Morgensterns waren bekannt, nicht nur in Burkhardswalde. Bis aus Meusegast kamen die Frauen zum Wäscherollen. Außerdem hatten die Morgensterns ein Telefon, und Oma Morgenstern trug für die Post die Telegramme aus, erzählt Enkel Frank Tamme. Die Erinnerungen bleiben ihm und der Familie, doch die Rolle muss nun raus. Das Haus von 1859 wird umgebaut, die Mutter von Frank Tamme soll in der Rolle ihr Schlafzimmer bekommen. „Schön wäre ein würdiger Platz für die Rolle“, sagt Alexandra Kelly. „Das gute Stück ist einfach zu schade zum Zerhacken.“ Dass es so schwer wird, es in gute Hände zu geben, hätte sie nicht gedacht. Die Rolle verschrotten? „Nein, das wäre auch nicht im Sinne der Oma“, sagen Alexandra Kelly und Frank Tamme. Also hoffen sie nun auf jemanden, der das technische Denkmal schätzt und den nötigen Platz hat.

Das Schild, das neben der Rolle hängt, gibt es vielleicht dazu. Es weist darauf hin, dass der Aufenthalt von Kindern unter zwölf Jahren in Waschküchen verboten ist. Und: „Kinder unter 14 Jahren dürfen an mit elementarer Kraft betriebenen Maschinen nicht beschäftigt werden und sich nicht ohne Aufsicht in den Maschinenräumen aufhalten.“ Verboten ist fettgedruckt.

Eine ähnliche Rolle aus der Großröhrsdorfer Firma steht zum Beispiel auf Schloss Weißig im kleinen Wäschemuseum. Gleichzeitig sind die Burkhardswalder nicht die Einzigen, die eine Wäscherolle anbieten. Das Angebot scheint größer als die Nachfrage zu sein.

Trotzdem suchen die Morgenstern-Nachfahren weiter. Vielleicht findet sich ja sogar in der Nähe ein Interessent, der die Rolle aufstellt und Besuchern erklärt. „Dann könnte man später mal mit den Kindern hinfahren und zeigen, das hier ist von Eurer Uroma“, sagt Alexandra Kelly.

Kontakt: Te. 0151 40370296