Merken

Hausbesuch bei Eva-Maria Stange

Die OB-Kandidatin legt viel Wert auf die Familie. Sie genießt vor allem die gemeinsame Zeit mit ihrer Enkelin.

Teilen
Folgen
© Norbert Neumann

Von Juliane Richter

Das Gras im Garten ist geschossen. Mit Bedauern schaut Eva-Maria Stange, wie die langen Halme kreuz und quer übereinanderliegen. „Das Mähen haben wir leider noch nicht geschafft“, sagt die 58-Jährige. Direkt vom Wohnzimmer ihres Hauses aus kann sie den Garten betreten. Dort verbringt sie mit ihrem Mann gern ihre Freizeit, wenn es der Terminplan zulässt. Schon als Jugendliche hat sie die Gartenarbeit auf dem elterlichen Grundstück im Dresdner Norden geschätzt und liebend gern im Freien herumgewerkelt.

Jetzt, mitten im Wahlkampf um das Amt der Oberbürgermeisterin, steht die Gartenarbeit aber hinten an. Eva-Maria Stanges Tag beginnt morgens um 5 Uhr und endet nach den Abendveranstaltungen gegen 21 oder 22 Uhr. Zum Durchatmen macht sie es sich danach auf dem hellen Sofa im geräumigen Wohnzimmer gemütlich und greift zum Handy. Mithilfe einer gemeinsamen Whatsapp-Gruppe tauscht sie mit ihrer Familie Neuigkeiten aus. Dank des Programms kann sie mühelos Fotos empfangen, die ihre drei Töchter gemacht haben.

Die Familie ist der derzeitigen Wissenschaftsministerin sehr wichtig. Dass sie während ihrer achtjährigen Tätigkeit als Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kaum zu Hause war, bereut sie heute. „Vor allem bei meiner jüngsten Tochter Franziska, die damals gerade in der Pubertät war, bereue ich es. Natürlich haben wir damals viel telefoniert, aber es ist etwas anderes, wenn man das eigene Kind jeden Tag sieht und seine Stimmungen mitbekommt.“ Stattdessen hat Stange ab 1997 unter der Woche in Frankfurt am Main gewohnt, Samstagabend kam sie nach Dresden.

An den Wochenenden hat Stange dann das große Haus am Stadtrand in Altfranken so gut es geht auf Vordermann gebracht. Für Entspannung blieb da wenig Zeit. Mehr als ein Jahr haben sie und ihr Mann Bernd gebraucht, um sich zu einer Haushaltshilfe durchzuringen. „Es war irgendwie seltsam, jemanden in die eigenen Räume zu lassen. Und normalerweise macht man seinen Dreck ja selber weg.“ Auch wenn sie den Vorsitz der GEW 2005 aufgegeben hat, ist die Haushaltshilfe geblieben. Das ist ein kleiner Luxus, den sich Stange gönnt.

Ansonsten hat die promovierte Mathe- und Physiklehrerin keinen großen Sinn für Luxus. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie in Elsterwerda und Dresden, hat sie vor allem eines in ihrer Kindheit vermisst: Wärme. „Ich habe es gehasst, in einem eiskalten Zimmer schlafen zu müssen“, sagt sie. Die Sauna im Keller definiert sie deshalb als Luxus, genauso wie den Kamin im Wohnzimmer. Und auch die Urlaube gehören dazu.

2006 war sie mit ihrem Mann in Kuba und schwärmt noch immer davon. Weil geschichtsträchtige Orte sie reizen, hat das Paar auch schon eine Nilrundreise in Ägypten gemacht. „Wir würden gern auch mal nach Kanada reisen, aber dafür bräuchten wir vier Wochen.“ Momentan ist dafür keine Zeit. Genauso wenig wie für die Weltreise, die noch im Hinterkopf schwebt und die sie sich gemeinsam mit ihrem Mann für das Rentenalter vorgenommen hat. Bernd Stange selbst sagt nur kurz Hallo, will am Interview aber nicht teilnehmen. Als Eva-Maria Stange Bundesvorsitzende der GEW geworden ist, hatte sich das Paar auf den Hausbesuch einer Frauenzeitschrift eingelassen. Das Ergebnis hat beide verärgert. „Das macht er nie wieder. Zu meinen politischen Veranstaltungen kommt er auch nur mit, wenn er da noch andere Menschen kennt. Aber das ist okay, die Rolle als Staffage wäre auch unwürdig“, sagt die SPD-Politikerin. Ihr Mann ist Ingenieur und arbeitet als Berater für ein Münchner Unternehmen. Häufig pendelt er für ein Großprojekt nach Stuttgart.

Von seinen Reisen hat er ihr einige besondere Andenken mitgebracht: Auf der Rückenlehne der Wohnzimmercouch sitzen Igel, Tiger und Fuchs in friedlicher Eintracht nebeneinander. Ein gutes Dutzend Mini-Plüschtiere ist versammelt. So richtig will der Nippes nicht in das Bild von der zielstrebigen Ministerin passen. „Die Tierfiguren sind eine kleine Macke von mir. Ein bisschen Kitsch habe ich auch noch im Arbeitszimmer“, gesteht sie lachend. Nur etwas mehr als eine Armlänge von ihrem Schreibtisch, auf dessen Arbeitsplatte Papiere ordentlich gestapelt sind, steht die Eckglasvitrine mit Puppenmöbeln. Damit habe sie sich einen Kindheitstraum erfüllt. Mittlerweile erfreut sich aber in erster Linie ihre achtjährige Enkeltochter Aaliyah daran. Sie ist das Kind ihrer jüngsten Tochter Franziska, die nach einem Studium in Neubrandenburg zurück nach Dresden gekommen ist. Die Freude darüber ist Eva-Maria Stange anzusehen.

Am Wochenende übernachtet die Enkelin häufig bei den Großeltern. Zu Weihnachten kommt dann die ganze Familie in dem großen Haus zusammen, in dem auch Stanges Schwiegermutter lebt. Die älteste Tochter Katrin, Jahrgang 1978, arbeitet als Steuerberaterin und wohnt samt Ehemann und Enkel Max in der Nähe von Frankfurt am Main. Die mittlere Tochter Annett ist promovierte Biologin und Vorsitzende der Deutschen Tierschutzliga. „Sie bringt immer ihre drei Hunde mit. Dann ist das Haus voll, aber es funktioniert“, sagt Stange.

Um Funktionalität geht es häufig bei der Ministerin. Ihre wunderbar blühenden Orchideen hat sie vor allem wegen der pflegeleichten Handhabung gewählt: Einmal wöchentlich gießen und sich sonst nicht darum kümmern müssen.

Praktisch geht sie auch an ihre Kleiderwahl. Für ein Kleid 500 Euro auszugeben, käme ihr nicht in den Sinn. „Das wäre rausgeschmissenes Geld.“ Eine neue Garderobe musste sie sich in den vergangenen Monaten trotzdem zulegen. Nach einem komplizierten Bandscheibenvorfall hat sie gut 20 Kilogramm an Gewicht verloren. Ein wenig schmal sieht sie deshalb auch auf ihren Wahlplakaten aus. „Aber die Wähler brauchen sich keine Sorgen machen. Ich fühle mich fit, die Arbeit als Oberbürgermeisterin gut zu bewältigen.“