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Hartz IV einfacher, aber strenger

Weniger Bürokratie soll die Betreuung für Langzeitarbeitslose verbessern. Sanktionen kommen dafür eher.

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© dpa

Von Peter Heimann, Berlin

Weniger Bürokratie, teils aber auch strengeres Vorgehen gegen Schludrigkeit oder Jobverweigerer – das Bundesarbeitsministerium will bei Hartz IV zahlreiche Regeln im entsprechenden Sozialgesetzbuch neu fassen. Dadurch sollen die Mitarbeiter in den Jobcentern mehr Zeit für die Vermittlung von existenzsichernder Arbeit gewinnen.

Die Vorschläge hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet. Sie sehen in vielen Punkten Klarstellungen vor, die bislang immer wieder zu Widersprüchen und Klagen führten, erläuterte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA). Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums trägt die Arbeitsgruppe seit vergangenem Jahr Vorschläge zur Rechtsvereinfachung bei Hartz IV zusammen. An der Expertenrunde, die ihre Arbeit in diesem Jahr abschließen wolle, seien auch die Bundesagentur und Kommunen beteiligt.

Nach Abschluss der Arbeit werde die Regierung entscheiden, welche der Vorschläge umgesetzt werden. „Zur Zeit gibt es noch keine Festlegungen“, hieß es weiter. Grundsätzlich solle durch die Überprüfung die Bürokratie vermindert werden, so das Arbeitsministerium: „Es ist explizit nicht Ziel der Änderungen, den Leistungsbezug restriktiver (härter) zu gestalten.“ Genau dies befürchten Opposition und Wohlfahrtsorganisationen. Als „menschenfern“ kritisierte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Pläne. Mit der angekündigten Verschärfung von Sanktionen sowie neuen Restriktionen, würde sich die Situation für viele Betroffene verschlimmern.

Die Linksfraktion im Bundestag sprach sich dafür aus, Hartz-IV-Sanktionen komplett abzuschaffen. Die Grünen begrüßten zwar die geplante Entbürokratisierung von Hartz IV; dies dürfe aber nicht zu Verschärfungen durch die Hintertür führen. Die SZ erläutert wesentliche Neuerungen:

Anträge für Stütze sollen künftig seltener nötig sein

Empfänger von Arbeitslosengeld II sollen in der Regel nur noch alle zwölf Monate einen Antrag auf Stütze stellen müssen. Derzeit muss alle sechs Monate eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden. Ergibt sich aus der vereinbarten Eingliederungsstrategie oder anderen Erwägungen ein kürzerer Zeitraum, ist dieser allerdings maßgebend.

Rückforderungen von zu viel gezahltem Geld sollen weniger penibel sein

Jobcenter sollen künftig auf die Rückforderung von Kleinbeträgen verzichten. Die neue Bagatellgrenze soll laut dem Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, bei 50 Euro liegen. Bei allen darunter liegenden Beträgen sollen die Jobcenter künftig auf das Eintreiben von zu viel gezahlter Unterstützung verzichten. Zu Überzahlungen kommt es etwa, wenn ein Arbeitsloser eine neue Stelle bereits am 31. eines Monats antrete, weil dieser auf einen Montag falle. „Wenn dann Jobcenter die Zahlungen für den 31. wieder zurückfordern, weil er an diesem Tag ja nicht mehr arbeitslos war, wird das von den Betroffenen als pedantisch empfunden“, so Alt. Die Kosten dafür sind oft ein Vielfaches höher als die Forderung selbst.

Schnellere Sanktionen bei Nichterscheinen werden erwogen

Wer trotz Belehrung über die Rechtsfolgen Termine beim Jobcenter versäumt und keinen wichtigen Grund dafür darlegen kann, bekommt bisher jeweils zehn Prozent weniger Geld. Das ist ein langwieriges und aufwendiges Verfahren, das laut Bundesagentur oftmals auch nur wenig bis gar keine Wirkung bei den Leistungsberechtigten hat. Deshalb wird eine gesetzliche Regelung erwogen, die bei Abbruch des Kontaktes durch den Hartz-IV-Empfänger „eine umgehende Einstellung der Geldleistungen“ möglich macht, da das Vorliegen einer „aktuellen individuellen Notlage“ infrage steht. Bei einem erneuten Nachweis der „aktuellen Notlage“ wird wieder gezahlt, aber nicht mehr rückwirkend. Nach persönlichem Kontakt mit den Betroffenen und Klärung des Sachverhalts könne aber auch wieder nahtlos mit Leistungen eingesetzt werden. Wegen der Brisanz ist noch offen, ob der Vorschlag umgesetzt wird.

Umzug in teurere Wohnung soll erleichtert werden

Zieht ein Hartz-IV-Empfänger in eine teurere, aber nicht größere Wohnung um, soll das Amt – wie bisher in einer Stadt – weiterhin nur die alte, niedrigere Miete zahlen. Allerdings soll es möglich werden, diese Regelung auch anzuwenden, wenn in eine andere Kommune umgezogen wird.

Darlehen für Anschaffungen sollen einfacher werden

Jobcenter sollen Hartz-IV-Empfängern künftig auch ohne aufwendigen Kreditvertrag ein Darlehen etwa für den Austausch einer defekten Waschmaschine gewähren können. Bislang ist ein bürokratisches Verfahren unumgänglich. In Zukunft sollen auch die Bedingungen für einen Vorschuss vom Jobcenter erleichtert werden. Derzeit ist dafür ein Darlehensvertrag notwendig.

Banken sollen Hinterbliebenen unnötige Kosten ersparen

Zahlt das Jobcenter irrtümlich einem verstorbenen Hartz-Empfänger weiter Arbeitslosengeld II, müssen künftig die Banken das Geld zurücküberweisen. Bisher hatten sich die Jobcenter an die Hinterbliebenen gewandt. (mit dpa)