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Harter Mann zeigt Gefühle

Simone Moro will im Winter Historisches an Achttausendern leisten. Seine Bergpartnerin kennt besondere Seiten an ihm.

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Von Jochen Mayer

Kälte ist Simone Moros Welt. Der Italiener sucht Minusgrade aber an lebensfeindlichsten Orten in extremer Höhe. Am 26. Februar 2016 stand er mit dem Basken Alex Txikon und dem Pakistani Ali Sadpara auf dem Nanga Parbat. Es war Moros dritter Winter-Anlauf am neunthöchsten Gipfel der Erde und die erste Winterbesteigung des 8 125-Meter-Gipfels. Damit kann Moro vier Winter-Erstbesteigungen an Achttausendern vorweisen. Keiner hat mehr.

Platz ist im kleinsten Zelt und seelenverwandt sind sie auch: Simone Moro und Tamara Lunger im Lager2 am Nanga Parbat auf 6100 Metern.
Platz ist im kleinsten Zelt und seelenverwandt sind sie auch: Simone Moro und Tamara Lunger im Lager2 am Nanga Parbat auf 6100 Metern.
Am Ziel: Simone Moro (r.) und der Pakistani Ali Sadpara auf dem Nanga Parbat. Über diesen Achttausender hatte Moro auch beim Dresdner Bergsichten-Filmfestival 2015 geschwärmt. Fotos: Archiv Simone Moro (2)
Am Ziel: Simone Moro (r.) und der Pakistani Ali Sadpara auf dem Nanga Parbat. Über diesen Achttausender hatte Moro auch beim Dresdner Bergsichten-Filmfestival 2015 geschwärmt. Fotos: Archiv Simone Moro (2)

Was treibt ihn in diese eisigen Höhen? „Das Abenteuer“, sagt der staatlich geprüfte Bergführer und Helikopterpilot im Interview mit der Sächsischen Zeitung. Ihn reizen Herausforderungen in historischen Dimensionen. Das sind für ihn Weltrekorde im Schnellklettern nicht. Das sind Bestmarken, wie er meint, „das kann irgendwann jemand besser machen. Historisch ist, wenn etwas zum ersten Mal gelingt.“

Und er schwärmt vom Winter im Hochgebirge, „weil noch niemand vor mir dort war. Dabei ist es oft schwer genug, ins Basislager zu kommen.“ Zu diesen Jahreszeiten fasziniert ihn zudem die Einsamkeit. Solche Ziele gehen ihm nicht aus: „Es gibt noch viele Gebirge und Gipfel, die im Winter nie jemand bestiegen hat.“

Wie Sisyphos fühlt er sich nicht, der immer wieder den Berg hoch muss. „Sisyphos kann nicht leben ohne Gebirge. Ich kann das“, sagt Moro. Dagegen würde in seiner Kletterpartnerin Tamara Lunger „etwas mehr von Sisyphos stecken. Sie wird verrückt ohne Berge. Ich habe noch meinen Hubschrauber. Und mich fasziniert Action, ich habe viele Aufgaben, auch mit meinen Helikopter-Firmen in den USA, in Italien und Nepal. Dazu noch Hilfsprojekte.“

Fest eingeplant sind im Jahr zwei, drei Abenteuer-Monate. Dafür trainiert er jeden Tag „motiviert, aber nicht wie Sisyphos. Die nächsten zehn Jahre können gerne so weitergehen.“ So lange läuft auch sein neuer Vertrag mit der US-amerikanischen Outdoor-Bekleidungs-Firma North Face, der frisch unterschrieben ist. „Die hätten das nicht mit einem alten Mann gemacht“, vermutet Moro, der im Oktober 50 wurde.

Mit gemischten Gefühlen blickt der Lombarde auf sein halbes Jahrhundert. „Jetzt bin ich alt, offiziell ein alter Mann“, kokettiert er und sagt Sekunden später: „50 ist nur eine Zahl, kein Limit. Wenn ich mich frage, was mich noch alles reizt, gebe ich die gleichen Antworten wie mit 49. Für meine Projektliste reicht die Zeit nicht. Deshalb muss ich auswählen.“ Die nächste Expedition soll wieder im Winter sein.

Rückkehr nur auf einer neuen Route

Ob Moro zu seinem Lieblingsberg Nanga Parbat zurückkehrt, lässt er offen. Es klang mal kategorisch „nein“, weil er seinen Frieden mit dem Berg gemacht hat, den er 2003 im Sommer erstmals auf einer neuen Route besteigen wollte. Damals vergeblich. Inzwischen sagt er „vielleicht“. Bedingung: „Wenn es Tamara Lunger noch mal versuchen will, dann aber auf einer anderen Route. Dann würde ich mitgehen.“

Die 31-jährige Südtirolerin war bei Moros Gipfelgang am Nanga Parbat gut 80 Höhenmeter unter dem Gipfel umgekehrt. Ihre Kräfte hätten sonst nicht mehr für den Abstieg gereicht. Moro beschreibt diese Entscheidung in seinem achten Buch „Nanga im Winter“, das jetzt in einer deutschen Übersetzung erschien. Er hält es für sein „waghalsigstes Buch“. Es entstand zum größten Teil auf Auto- und Zugfahrten. Da sprach er ins Mikro, wie verliebt er in den Berg ist, wegen der Größe und Schönheit des Kaschmir-Gipfels, dass diese von seinen 55 Expeditionen die schönste war, weil es im Team eine „besondere Seele gab“.

Weniger gute Erinnerungen hat Moro an seinen Frühjahrs-Trip. Da wollte er am Kangchendzönga die höchste Traverse an einem Achttausender wagen. Fazit: „Das war die schlechteste Expedition, die ich erlebt habe: Chaos im Basislager, schlechtes Wetter, kein Gipfelerfolg, für die Traverse hätte wir drei, vier Tage gutes Wetter gebraucht. Aber es gab immer nur für wenige Stunden ein passendes Wetterfenster.“ Dazu kamen Darmprobleme, weil er erstmals alles Mögliche an alkoholfreien Getränken geschluckt hatte. „Meine Schuld, mit purem Wasser hatte ich noch nie Sorgen.“

Diese Problem-Tour wird im 20-Minuten-Film „La Congenialità“ erzählt, der zum Programm der European Outdoor Film Tour (E.O.F.T.) gehört. Die macht im Januar zweimal Station in Dresden. Tamara Lunger fand die Situation im Basislager zwar belastend, aber alles „halb so schlimm. Wir hatten auch Gaudi.“ Am Film schätzt sie besonders, dass da zu sehen ist, dass „keine Maschinen am Berg arbeiten oder Roboter, sondern Menschen unterwegs sind, die mit einer besonderen Philosophie in die Berge gehen“.

„Frauen ähnliche Seiten“ entdeckt

Moro war 2009 erstmals mit Lunger unterwegs. „Da war ich wie ein Lehrer, sie wie ein Student“, vergleicht er. „Jetzt ist Tamara eine andere Person. Ich bin kein Lehrer mehr, sie hat mehr Erfahrung. Es ist ein ganz spezielles Verhältnis zwischen uns entstanden, vielleicht sogar eine Art Seelenverwandtschaft, weil wir auf die gleichen Werte setzen, den Glauben an Gott haben und uns vertrauen können.“ Tamara Lunger sieht in Moros Wesen „Frauen ähnliche Seiten“, weil er nicht nur auf Fakten hört, sondern auch sehr stark auf sein Gefühl, „was nicht alle Männer können“.

So hat Moro auch kein Problem mit Tränen wie im Film. Er weiß, dass das ungewöhnlich ist für einen namhaften Bergsteiger. „Aber die Leute können sehen: Ich bin ein Mensch mit Emotionen.“

European Outdoor Film Tour (E.O.F.T.) am 22. und 23. Januar 2018, 20 Uhr, im Dresdner Rundkino.
www.eoft.eu/de