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Harte Zeiten für Lausitzer Granit

Die Region Bautzen steht wie keine andere fürs heimische Gestein. Trotzdem kaufen die Kommunen im Ausland.

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© Wolfgfang Wittchen

Von Marleen Hollenbach

Der Presslufthammer dröhnt. Immer tiefer frisst sich die Maschine ins harte Gestein. Langsam löst sich ein Block heraus. Im Steinbruch Demitz-Thumitz herrscht reger Betrieb. Gerade ist ein Auftrag eingegangen. Eine Frau aus Hamburg hat angerufen. Sie möchte ihren Garten verschönern. „Für die Dame kommt nur Lausitzer Granit infrage, weil sie ein Stück aus der Heimat haben möchte“, sagt Thomas Gläser, Inhaber des Steinbruchs. Bald wird er den Granit auf die 500 Kilometer lange Reise schicken. – Zur selben Zeit sanieren Bauleute im rund 20 Kilometer entfernten Doberschütz eine Straße. Auch hier werden harte Steine benötigt. Doch die kommen nicht aus Demitz-Thumitz, nicht einmal aus der Oberlausitz.

Die Gemeinde hat sich bei der Baustelle für Granit aus Polen entschieden. „Dass bei der Straßensanierung keine heimischen Steine verwendet werden, ist keine Ausnahme, sondern die Regel“, sagt der zuständige Bauamtsleiter Erik Wilde. Wenn die Kommune bei der Ausschreibung nicht ausdrücklich Lausitzer Granit verlangt, dann bekommt sie Steine aus dem Ausland. Vor allem Polen und China sind große Lieferanten, die mit billigen Preisen locken. „Bei der Qualität gibt es keinen Unterschied. Und so entscheidet am Ende das kostengünstigste Angebot“, erklärt Wilde.

Granit aus Asien

Wenn Bernd Rehn, Anwohner aus Doberschütz, das hört, dann kann er nur mit dem Kopf schütteln. Bei einem Spaziergang sah er das Gestein aus dem Ausland. Eine Entdeckung, die ihn nachdenklich werden ließ. „Granit und die Oberlausitz gehören doch zusammen. Da kann man nicht nur auf das Geld schauen, sondern muss auch an die lange Tradition denken“, sagt er. Mit Steinen aus Polen kann sich Bernd Rehn gerade noch anfreunden. Aber bei Granit aus Asien hört für ihn der Spaß auf. „Wie können diese Steine billiger sein, als unsere, wenn sie um die halbe Welt gereist sind? Ich will mir die Arbeitsbedingungen lieber nicht vorstellen“, sagt er.

Und mit dieser Meinung steht der Mann aus Doberschütz nicht allein da. Einer, der schon lange auf das Problem aufmerksam macht, ist der Bautzener Björn Härting, Obermeister der Steinmetzinnung Ostsachsen. „Es ist ein Teufelskreis. Unsere Steinbrüche bekommen zu wenig Aufträge und fahren ihren Abbau zurück. Und wenn dann eine Kommune zum Beispiel Pflastersteine in großen Mengen braucht, können das die heimischen Steinbrüche gar nicht so schnell liefern“, sagt Härting. Eine ganze Struktur sei da mittlerweile schon weggebrochen.

Kritischer Blick auf Bautzen

Der Innungsmeister hat vor allem die Stadt Bautzen im Blick, beobachtet genau, mit welchen Steinen hier gebaut wird. „Die Stadt steht wie keine andere für den Lausitzer Granit. Egal ob an der Alten Wasserkunst oder an der Stadtmauer – überall findet man das heimische Gestein“, sagt er. Umso schlimmer ist es für ihn, wenn er hier Steine aus dem Ausland sieht. Björn Härting denkt da beispielsweise an die Stufen vor dem Kornmarkthaus. „Das ist eindeutig polnischer Granit“, sagt er. Der Innungsmeister ist sich sicher: „Wenn bei den Kommunen der Region nicht endlich ein Umdenken einsetzt, dann kann ich mir vorstellen, dass es den Lausitzer Granit in einigen Jahren gar nicht mehr gibt.“

Bei der Stadt Bautzen betrachtet man das Problem weniger emotional. Bautzens Baubürgermeister Peter Hesse glaubt, dass die Schuld beim Vergaberecht liegt. Wenn die Stadt ein Bauprojekt ausschreibt, dann müssen schließlich alle Bieter dieselben Chancen haben, egal woher sie kommen und woher sie ihr Material beziehen. „Es steht den Baufirmen grundsätzlich frei, Lausitzer Granit anzubieten“, gibt Peter Hesse zu bedenken. Und er glaubt auch zu wissen, warum die Firmen das nicht tun. „Sie können dann nicht mehr das günstigste Angebot abgeben, und wir sind nun einmal verpflichtet, die vorhandenen Mittel möglichst sparsam einzusetzen“, sagt er.

Auf Privatkunden angewiesen

Das liebe Geld dient einmal mehr als Argumentation. Steinbruchbesitzer Thomas Gläser kann das schon gar nicht mehr hören. Dumpingpreise kann er nicht anbieten. Die Löhne der Mitarbeiter, die Sicherheitsstandards – all das kostet. Thomas Gläser führt das elterliche Steinmetzgeschäft in dritter Generation. Er bildete Lehrlinge aus, um sein Wissen weiterzugeben. „Doch honoriert wird das nicht“, meint er. Immer seltener sind seine Steine bei kommunalen Bauprojekten gefragt. Schon seit Jahren ist er deshalb auf Privatkunden angewiesen. Sorgenvoll blickt er auf die Entwicklung der Granitindustrie in der Oberlausitz. „In unserer Region hatten sich einmal mehrere Tausend Menschen mit der Gewinnung von Granit beschäftigt. Heute sind es weniger als 30“, sagt er. Es klingt nach Resignation. Doch ans Aufgeben denkt der Inhaber des Steinbruchs noch lange nicht. Trotz der harten Zeiten möchte er weitermachen. Der Tradition wegen. Auf ein Wort