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Harte Strafen für Netto-Schläger

An dem Supermarkt wurde ein Mann blind geprügelt. Dabei wollte er nur helfen.

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© dpa

Von Yvonne Popp

Dippoldiswalde. Mit stark geschwollenem Auge und einer blutigen Nase – so wurde ein Mann im Januar in die Notaufnahme der Dresdner Uniklinik eingeliefert. Röntgenbilder zeigen das Ausmaß seiner Verletzungen: eine Kieferwand komplett zerstört, der Boden der Augenhöhle gebrochen, ebenso das Jochbein. Einblutungen hatten zudem den Augapfel aus der Höhle gedrückt. Verursacher dieser Verletzungen soll ein 38-Jähriger aus Freital gewesen sein. Wegen schwerer Körperverletzung musste er sich nun vor dem Amtsgericht Dippoldiswalde verantworten. Wegen derselben Straftat mit ihm auf der Anklagebank: seine Freundin. Der Staatsanwaltschaft zufolge war das Paar am 25. Januar zum Netto-Markt an der Körnerstraße in Freital gefahren. Dort wollte Sara K. ihrem Ex-Freund nach vorangegangenen Provokationen „ordentlich auf die Fresse hauen“. So zumindest hatte sie das angekündigt. Auf dem Parkplatz angekommen, lief sie auf ihren ehemaligen Freund zu und schlug ihm ohne Vorwarnung eine Bierflasche auf den Kopf. Als sie nicht von ihm ablassen wollte und ihm noch eine zweite Flasche über den Schädel zog, ging Sven M. dazwischen. Zusammen mit Sara K.s Ex-Freund und zwei weiteren Männern hatte er schon einige Zeit am Netto-Markt Bier getrunken.

Sein Eingreifen allerdings rief Sara K.s aktuellen Lebensgefährten, Michael K., auf den Plan. Dieser schlug Sven M. mehrfach mit der Faust ins Gesicht und brachte ihn zu Boden. Dort soll Michael K., so hatten Zeugen ausgesagt, den Kopf des inzwischen wehrlosen Mannes mindestens viermal gegen den Asphalt gerammt haben.

Vor Gericht räumten beide Angeklagte am ersten Prozesstag ein, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen und ihren beiden Opfern gekommen war. Sara K. war erst vor einem halben Jahr wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dass sie am Netto so ausgerastet war, habe am Alkohol gelegen, erklärte sie vor Gericht. Ihr Freund sagte aus, dass er Sven M. damals hatte aufhalten wollen, weil dieser ebenfalls mit einer Bierflasche auf das streitende Ex-Paar zugegangen war. Er gab auch zu, Sven M. geschlagen zu haben, auch als dieser schon am Boden lag. „Auf keinen Fall habe ich aber seinen Kopf auf die Straße geknallt. Schon gar nicht mehrmals“, versicherte er dem Gericht.

Wie die schweren Verletzungen bei Sven M. entstanden waren, ließ sich nicht eindeutig klären. Ein Gutachter, der eigentlich zu Sara K.s Alkoholsucht und einer eventuell damit verbundenen verminderten Schuldfähigkeit aussagen sollte, war sich sicher, dass die Verletzungen beim Opfer durch wiederholte, kräftige Faustschläge verursacht worden waren. Der behandelnde Arzt des Opfers bestätigte, dass die Verletzungen durch massive Gewalt entstanden sein müssen. Ob durch Schläge oder durch das Rammen des Kopfes auf einen harten Untergrund, konnte er nicht sagen. Das Opfer musste mehrmals operiert werden, unter anderem, weil Einblutungen zu einer Erblindung geführt hatten.

Trotz der schweren Verletzungen, die die beiden bereits vorbestraften Deutschen ihren jeweiligen Opfern zugefügt hatten, beantragten ihre Verteidiger Bewährungsstrafen. Die Richterin und die Schöffen konnten dem nicht folgen. Nach ausführlicher Beratung verurteilten sie Sara K. unter Einbeziehung der noch nicht abgegoltenen Geldstrafe vom April zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Ihren Freund trifft es noch härter: Er muss für zwei Jahre und vier Monate ins Gefängnis.

Am Ende der drei Verhandlungstage sah das Gericht keine Umstände für eine Bewährungsstrafe. Richterin Daniela Höllrich-Wirth sprach von einem regelrechten Gewaltexzess. Auch gäbe es in Sara K.s Fall keine Anhaltspunkte für eine Schuldminderung. Sara K. wisse, dass sie unter Alkohol dazu neigt, zu schlagen. Für das Paar war das Urteil ein Schock. Es kündigte an, in Berufung zu gehen.