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Harte Fronten im See-Namensstreit

Der Görlitzer Stadtrat will OB Deinege mit Verhandlungen am Berzdorfer See beauftragen. Schönau-Berzdorf denkt derweil an Demos vor dem Görlitzer Rathaus.

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© Pawel Sosnowski

Von Sebastian Beutler und Steffen Gerhardt

Vier Wochen nach dem ersten Anlauf will die Große Koalition im Stadtrat erneut den Görlitzer Oberbürgermeister mit Verhandlungen über einen neuen Seenamen beauftragen. Dabei ist für die Stadträte von CDU und Bürgerfraktion das Ziel klar: Der „Berzdorfer See“ soll künftig „Görlitzer See“ heißen. „Wir wollen doch zunächst nur beschließen, dass der OB mit den Anrainern über das Thema verhandeln kann“, sagt der amtierende Vorsitzende der Bürger für Görlitz, Wolfgang Freudenberg.

Ob der Vorschlag aber überhaupt zur Abstimmung kommt, war bis Dienstagnachmittag noch nicht ganz klar. Denn Ende Oktober hatte der Stadtrat den Beschluss zurück in die Ausschüsse geschickt mit dem Hinweis, über das Anliegen solle zunächst mit den Ortschaftsräten von Kunnerwitz/Klein Neundorf und Hagenwerder/Tauchritz gesprochen werden. Bislang scheint das aber nur in Kunnerwitz stattgefunden zu haben. Und selbst bei einer Abstimmung ist eine Mehrheit ungewiss, räumt CDU-Fraktionsvorsitzender Dieter Gleisberg gegenüber der SZ ein. Auch in seiner Fraktion gibt es manchen, der derzeit einfach alles beim Alten lassen will.

Willensbekundung aus Schönau-Berzdorf?

Das wollen die Schönau-Berzdorfer sowieso. Das zeigte sich auch bei der jüngsten Gemeinderatssitzung. In deren Verlauf sprach sich der Vorsitzende des Heimatvereins, Heinz-Henning Obenland, für die Beibehaltung des Namens aus. „Görlitzer See“ entspreche einfach nicht der geschichtlichen Wahrheit, sagte er. Obenland regte an, eine Willensbekundung zu verabschieden. Dieses Papier sollten nicht nur der Heimatverein, die Gemeinderäte von Schönau-Berzdorf und die Gemeindeverwaltung mittragen, sondern auch alle, die sich für den Namen Berzdorfer See aussprechen. Und das sind nach Ansicht von Obenland nicht wenige. „Auch viele Görlitzer sind der Meinung, dass man es bei dem Namen Berzdorfer See belassen sollte“, sagte der Vereinsvorsitzende. Wenn das nicht hilft, würden die Heimatfreunde zu einer Demonstration vor dem Görlitzer Rathaus aufrufen.

Unterstützung für seine Haltung erhielt der Heimatverein auch vom Bürgermeister von Schönau-Berzdorf, Christian Hänel. Er ist überzeugt, dass es beim jetzigen Namen bleiben muss. Nach Gesprächen ist Hänel auch davon überzeugt: „Niemand hat die Absicht, den Namen zu ändern – außer Görlitz.“ Dennoch will sich Hänel Klarheit darüber verschaffen, ob eine Umbenennung möglich ist oder nicht. Dazu will er mit der Landesdirektion in Dresden Kontakt aufnehmen.

Deren Sprecher hatte der SZ in Übereinstimmung mit dem Umweltministerium gesagt, dass eine Umbenennung Sache des Landtages ist. Andererseits gehört der See noch dem Bergbausanierer LMBV, der dieser Tage einräumte, dass es ein förmliches Verfahren für die Benennung eines Braunkohlesees nicht gebe. Üblicherweise tragen die Seen die Namen von geologischen Formationen oder abgebaggerten Dörfern. Beides trifft auf Berzdorf zu: Der Ort verschwand durch den Tagebau, und geologisch handelt es sich um das Berzdorfer Becken. Die LMBV steht aber Namensänderungen aufgeschlossen gegenüber – wenn sich alle Beteiligten einig sind.

„Dieses Potenzial können wir nicht verschenken“

Daran aber hapert es nach wie vor am Berzdorfer See. Die beiden wichtigsten Anrainer Görlitz und Schönau-Berzdorf halten an ihren unvereinbaren Standpunkten zum Seenamen fest. Dabei betonen die Görlitzer Vertreter, dass es für sie weniger um die Vergangenheit, sondern vielmehr um die Zukunft ginge. Oberbürgermeister Siegfried Deinege versicherte vor Unternehmern in dieser Woche erneut, dass die Stadt den See als wichtigen Wirtschaftsfaktor erachte. „Dieses Potenzial können wir nicht verschenken“, sagte Deinege.

Deswegen weiche er und die Große Koalition im Stadtrat auch nicht von den Kernpunkten der touristischen Leitidee von Johann-Friedrich Engel ab. Ein Punkt unter anderen in dem dicken Engel-Papier ist auch die Umbenennung des Sees. Engel führte als Vorbild den Starnberger See an. Der hieß einst Wurmsee nach dem Flüsschen, das den See speist. Doch erst als Starnberger See wäre er deutschlandweit bekannt und eine touristische Marke geworden.

Tourismus allerdings findet auch jetzt schon am Berzdorfer See statt. Darauf weisen gern die Kritiker der Görlitzer Absichten hin. Nur sind es eben vor allem Tagesausflügler. Für alle anderen gibt es derzeit aber auch noch gar keine Möglichkeit. Es fehlt an Hotels, Pensionen und Feriendörfern. Und selbst bereits für weit gediehene Projekte wie für das Wellnesshotel „Oase der Sinne“ wird der erste Spatenstich Monat um Monat verschoben.