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Happy End dank Gutschein

Wie Oma Hilde es schafft, dass ihr Enkel Werner nur in Meißen einkauft und seine Freundin zurückgewinnt.

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© Lutz Richter

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Oma Hilde ist eine alte Meißnerin. Seit 80 Jahren lebt sie in der Domstadt und freut sich jedes Jahr auf die Weihnachtszeit. Die Rentnerin genießt es, durch die gemütlichen Gassen zu laufen und dabei die festliche Dekoration der Geschäfte zu bestaunen. Umso mehr ärgert sie sich, dass ihr 18-jähriger Enkel Werner immer zum Einkaufen nach Dresden fährt. Für die 80-Jährige steht daher fest: „Geld gibt es dieses Jahr zu Weihnachten nicht“.

Trotzdem möchte sie nicht auf Geschenke verzichten, schließlich mag sie ja ihren Werner. Aber kann er nicht auch mal hier bleiben? Doch wie soll sie ihn dazu bewegen? Oma Hilde denkt nach, weiß aber nicht weiter. Kurz entschlossen fragt sie ihren Nachbarn Paul. Und Paul hat tatsächlich die zündende Idee. „Mensch Hilde, hast Du denn noch nicht vom Meißner Geschenkgutschein gehört? Den gibt es jetzt ganz neu. Fast 90 Geschäfte machen mit“, sagt der 65-Jährige. Sie könne den Gutschein beispielsweise im Bürgerbüro in der Burgstraße, in der Touristinformation oder in der Volksbank-Raiffeisenbank für zehn Euro kaufen und anschließend verschenken. „Und weil die Geschäfte alle in Meißen sind, kann Dein Werner nicht mehr woanders einkaufen gehen“, sagt Paul.

Eine prima Idee

Oma Hilde ist sofort überzeugt und denkt: „Das ist wirklich eine prima Idee.“ Um keine Zeit zu verlieren, schnappt sich die Seniorin ihren Rollator und läuft langsam, aber bestimmt zur Touristinformation. Da sie ihrem Enkel gern 100 Euro schenken möchte, fragt sie: „Gibt es auch einen Gutschein mit diesem Wert?“ Aus Sicherheitsgründen sei das nicht möglich, entgegnet eine freundliche Mitarbeiterin. Sie könne aber zehn Gutscheine im Wert von jeweils zehn Euro kaufen.

Das muss man Oma Hilde nicht zweimal sagen. Beherzt greift sie zu. „Was gibt es Schöneres, als gleichzeitig was für die Stadt und fürs Kind zu tun“, sagt sie. Glücklich und beschwingt geht sie nach Hause. Während sie sich langsam den Weg zu ihrer Wohnung bahnt, läuft ihr plötzlich Werner über den Weg. Und der sieht gar nicht glücklich aus. Mit Tränen in den Augen sagt er: „Charlotte hat mit mir Schluss gemacht. So eine wie sie werde ich nie wieder finden“, schluchzt der 18-Jährige.

Oma Hilde kann die Jammerei nicht leiden. Zu Werners Entsetzen sagt sie: „Junge, ich kann das Mädchen verstehen. Du bis viel zu inaktiv und außerdem zu dick. Ein neues Parfüm würde im Übrigen auch Wunder wirken“, sagt die 80-Jährige wenig subtil und fügt an: „Ich habe hier zehn Geschenkgutscheine, die ich Dir eigentlich zu Weihnachten schenken wollte. Ich gebe sie Dir lieber gleich. Kauf Dir ein paar Sportsachen und fange an zu trainieren“, sagt Oma Hilde resolut.

Ein großer Blumenstrauß

Werner ist ein wenig vor den Kopf gestoßen, nimmt die Gutscheine aber an. „Wenn die Oma schon mal so großzügig ist, dann muss ich auch zugreifen“, denkt er. Aber wo soll er jetzt hingehen? Zum Glück liegt den Gutscheinen ein Plan mit den teilnehmenden Geschäften bei. Das Spektrum reicht von Kleidung über Hauselektronik, Bürobedarf und Uhren bis hin zum Besuch im Museum. Weil Werner die Lebensweisheit seiner Oma schätzt, geht er als Erstes ins Sportgeschäft und sieht sich Jogginganzüge und T-Shirts an.

So richtig Lust darauf, verschwitzt durch die Gegend zu rennen, hat er aber nicht, zumal er weiß, dass ihn Charlotte aus diesem Grund bestimmt nicht verlassen hat. Viel lieber schmökert er in der Buchhandlung in Klassikern von Hemingway oder Fitzgerald. Gut und gerne hätte er Lust, gleich zehn Bücher mit seinen Gutscheinen zu kaufen. Doch während er diesen Plan gerade noch ganz toll findet, kommt ihm auf einmal in den Sinn: „So schnell gebe ich nicht auf!“

Jetzt hat er keine Zweifel mehr, wie er seine Gutscheine einsetzen will. Kurzentschlossen kauft er einen großen, bunten Blumenstrauß und geht zu Charlottes Haus. Eindringlich bittet er sie um Entschuldigung, dass er mit ihrer besten Freundin herumgeknutscht hat, dem eigentlichen Grund für die Trennung. „Ich war ein Idiot“, sagt er zu ihr. Charlotte findet diese Offenheit entwaffnend. Nach kurzem Zögern kann sie nicht anders und verzeiht ihrem Werner. Und als er sie mit den restlichen Gutscheinen noch groß zum Essen ausführt und der Wein in Strömen fließt, ist die Welt wieder in Ordnung.