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Hannah hilft

Die Burkauerin engagiert sich ein Jahr im Anne-Frank-Haus in Amsterdam. Für ihre Arbeit sucht sie nun Paten.

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© Steffen Unger

Carolin Menz

Hannah ist eine gute Schülerin. Und erntete jetzt doch mal verärgerte Blicke ihres Mathelehrers. Denn Hannah war online. Mit dem Handy mitten im Unterricht. Eigentlich verboten am Bischofswerdaer Goethe-Gymnasium. „Doch das musste mal sein. Ich war zu neugierig, ob eine Mail mit der Zusage kommt.“ Sie kam. Es sollte klappen mit dem ersehnten Freiwilligendienst bei der Amsterdamer Anne-Frank-Stiftung. Hannah aus Burkau freute sich riesig. Ließ den Luftsprung aber lieber sein. War ja gerade Mathe.

Wenn Hannah Sophie Strewe mit der Schule fertig ist, wird sie Burkau und ihrer Familie den Rücken kehren. Zwölf Monate wird sie im Anne-Frank-Haus im niederländischen Amsterdam arbeiten. In diesem Hinterhaus, in dem sich die deutsche Jüdin Anne Frank zwei Jahre lang mit ihrer Familie versteckt hielt, bevor sie verraten wurden und das Mädchen 1945 im KZ Bergen-Belsen starb. Ihr Tagebuch ist ein erschreckendes Zeugnis bis heute. Hannah wird es lesen, bevor sie ihre Stelle antritt.

Interesse an Politik

Die 17-Jährige ist ein ganz normales Mädchen. Und doch etwas anders als ihre Freundinnen, weil sie sich so sehr für Politik interessiert. Kein Wunder, wächst sie doch in einem politisch-geprägten Haus auf. Sie verfolgt mit Interesse die Asylpolitik im Landkreis, besuchte bereits Flüchtlinge in einer Unterkunft, fährt montags nach Dresden, um zu demonstrieren gegen die Pegida-Bewegung, organisierte Jugendcamps. Doch was anfangen mit diesem Interesse nach den Abi-Prüfungen, in denen sie jetzt gerade steckt? „Sehr viele meiner Mitschüler wissen schon seit Längerem, was sie nach dem Abi machen wollen. Schon krass“, so Hannah. Viele studieren, machen eine Ausbildung, gehen zur Bundeswehr. Für Hannah wäre das nichts gewesen, dieser sichere Weg schnurstracks auf die nächste Schulbank. Bevor sie sich festlegt, will sie raus, was erleben, neue Menschen kennenlernen, Erfahrungen sammeln – sich im Ausland freiwillig engagieren. „Meine Eltern unterstützen mich dabei sehr, haben mir sogar nahe gelegt, mal ins Ausland zu gehen“, so Hannah.

Ein geplatzer Traum

Die Türen stehen offen – und doch platzte ihr Traum eines Freiwilligen Sozialen Jahres in Israel. Das erlaubten Mama und Papa Strewe dann doch nicht. Bei aller Liebe und Toleranz. Viel zu gefährlich. „Für mich war aber klar, dass ich ein soziales Jahr mit politischem Hintergrund machen wollte, das im Idealfall mit Flüchtlingshilfe zu tun hat“, sagt Hannah. Also googelte sie und stieß auf die Organisation „Aktion Sühnezeichen Friedensdienst (ASF)“. Ziel der Aktion ist die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten. ASF will europaweit für die heutigen Folgen dieser Gewaltgeschichte sensibilisieren und Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung von Minderheiten entgegentreten. Ab September mit Hannahs Hilfe.

Die junge Frau, die in der Dresdner Neustadt aufwuchs und seit sechs Jahren in Burkau wohnt, ergatterte einen der wenigen Plätze für einen zwölfmonatigen Friedensdienst. ASF-Freiwillige begleiten alte Menschen, unter anderem in jüdischen Institutionen und Organisationen für Schoa-Überlebende, unterstützen sozial benachteiligte Menschen, wie Flüchtlinge und Wohnungslose oder engagieren sich in antirassistischen Initiativen oder Projekten der historischen und politischen Bildung. Hannah wird in der Anne-Frank-Stiftung in Amsterdam arbeiten. Wird Projekte dort begleiten und Besucher führen durch das Haus, in dem Anne Franks Familie Unterschlupf fand und das heute jährlich rund zwei Millionen Menschen besuchen. „Ich werde auch Zeitzeugen und Überlebende der NS-Zeit treffen. Das wird besonders spannend“, sagt Hannah. Workshops und Sprachkurs gibt‘s ebenfalls.

Paten unterstützen den Friedensdienst

Während Hannah vor Ort hilft, können sie Paten aus der Ferne unterstützen. Hannah sucht noch welche. „Ein Pate zahlt für seinen Freiwilligen im Jahr des Friedensdienstes jeden Monat 15 Euro an ASF. Im Gegenzug erhalten die Paten während meines Aufenthalts in Amsterdam Berichte und können sich mit mir austauschen. Der Vorteil der Patenschaften ist, dass Paten einen Teil meines Friedensdienstes mitfinanzieren und mehr Menschen auf die Arbeit der ASF und die Partnerorganisationen aufmerksam werden“, sagt sie.

Nach ihrem wohl letzten Sommer im „Hotel Mama“ startet Hannah ins bislang größte Abenteuer ihres Lebens. Ihre zwei Schwestern, der Bruder und die Eltern haben Besuche schon angekündigt. Hannah schmunzelt. So oft muss das nun auch nicht sein. Flügge werden geht am besten allein.

Wer Hannah Sophie Strewe bei ihrer Arbeit für die Aktion Sühnezeichen Friedensdienst ab September als Pate unterstützen will und bereit ist, ein Jahr lang 15 Euro monatlich zu spenden, kann sich bei Hannah ab sofort per E-Mail melden: [email protected].

www.asf-ev.de