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„Handwerker sollten mehr miteinander reden“

Nach 17 Jahren an der Spitze der Kreishandwerkerschaft tritt Klaus Tittel den Ruhestand an. Im SZ-Interview zieht er Bilanz.

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© Daniel Schäfer

Von Nancy Riegel

Als Sie 2001 Geschäftsführer wurden, war eines der größten Probleme, dass Handwerker keine Aufträge aus öffentlicher Hand bekommen.

Das ist heute ganz anders, aus mehreren Gründen. 2002 kam das erste Hochwasser, weitere folgten, und damit wurden Handwerker zur Beseitigung der Schäden gebraucht, vor allem Bauunternehmen. Hinzu kamen Konjunkturpakete und Fördermaßnahmen des Freistaats. Heute gibt es die Tendenz, dass sich Handwerksbetriebe teilweise von öffentlichen Aufträgen distanzieren, weil ihnen das Vergabeprozedere zu aufwendig ist.

Was sind stattdessen heute die Herausforderungen für das Handwerk?

Ganz klar der Fachkräftemangel und der fehlende Nachwuchs. Die Lösung sehe ich in der Ausbildung von Ort. Aber Handwerksberufe haben einfach nicht den besten Ruf. „Handwerker kann man immer werden“, heißt es ganz oft. Doch: Jeder, der einen Elektriker beauftragt oder zum Frisör geht oder zum Bäcker um die Ecke, verlangt immer die beste Qualität. Das schlechte Image ist unbegründet.

Andererseits wachsen die Industriebetriebe in der Region, wie Capron, und gewinnen Fachkräfte …

… die sie teilweise aus dem Handwerk abziehen. Es gibt gelernte Tischler, die jetzt für den Wohnmobilhersteller arbeiten. Klar – es gibt geregelte Arbeitszeiten und die Bezahlung ist gut. Eine kleine Tischlerei kann eine solche Vergütung meist nicht bieten, weil sie dann viel höhere Preise vom Kunden verlangen müsste und somit weniger Aufträge bekäme.

Warum sollten dann überhaupt noch junge Menschen Handwerker werden?

Im Industriebtrieb arbeitet man am Band, fast jeder Arbeitstag gleicht dem anderen. Das ist bei den kleinen Betrieben anders. Mit jedem Auftrag sieht man etwas Neues, hat Kontakt mit dem Kunden. Leider kommt dieses Argument bei Schülern nicht so richtig an. Da ist die Bezahlung meist der ausschlaggebende Faktor.

In Ihre Dienstzeit fiel auch die Einführung des Mindestlohns. Haben sich die Befürchtungen wie Stellenabbau und Kurzarbeit bestätigt?

Zum Glück nicht. Die Bevölkerung hat akzeptiert, dass die Firmen und Läden keine andere Möglichkeit hatten, als die Preise anzuheben. Man ist bereit, mehr für die Frisur oder für das Brötchen zu bezahlen.

Welche Bilanz ziehen Sie noch nach 17 Jahren im Haus des Handwerks?

Die meisten Betriebe sind Einzelkämpfer. Kein Maler beispielsweise muss zwingend mit einem anderen Maler reden – und viele tun dies auch nicht. Und viele Handwerker sind auch nicht mehr in der Innung, zum Beispiel aus Kostengründen. Schade! Gerade die jungen Meister sollten sich untereinander austauschen. Man kann immer voneinander lernen.

Was ändert sich nach Ihrem Abschied von der Kreishandwerkerschaft – auch für Sie persönlich?

Ab 1. Februar übernimmt Anja Reichel meine Stelle. Kreishandwerkerschaft und Handwerkskammer wollen zudem künftig enger zusammenarbeiten. Ich selbst bleibe erst einmal ehrenamtlicher Bürgermeister von Stadt Wehlen. Langeweile kommt bei mir also nicht auf.

Das Gespräch führte Nancy Riegel.