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„Handwerk ist ein Beruf zum Broterwerb“

Kreishandwerksmeister Gunter Arnold erklärt, wie es in der Region aussieht und um welche Sparten er sich sorgt.

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© Frank Baldauf

Von Anja Ehrhartsmann

Osterzgebirge. Auch im Zeitalter von Brotbackshops und diversen Schuhdiscountern fasziniert die Menschen das traditionelle Handwerk. Aktionstage wie der „Tag des traditionellen Handwerks“ am Sonntag locken viele Besucher. Trotzdem sind heute viele Handwerksberufe so gut wie ausgestorben. Was dazu geführt hat, wie es um das Handwerk im Kreisgebiet Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bestellt ist und welche Herausforderungen es künftig zu bewältigen gilt, darüber spricht Kreishandwerksmeister Gunter Arnold von der Kreishandwerkerschaft Südsachsen.

Gunter Arnold ist 56 Jahre alt und Schmiedemeister. Mit seinem Metallbaubetrieb in Reinhardtsdorf ist er selbstständig.
Gunter Arnold ist 56 Jahre alt und Schmiedemeister. Mit seinem Metallbaubetrieb in Reinhardtsdorf ist er selbstständig. © Archiv: Marko Förster

Herr Arnold, wie ist es um die traditionellen, alten Handwerksberufe in der Region bestellt?

Grundsätzlich gilt, das Handwerk ist ein Beruf zum Broterwerb. Jede Region hat traditionelle Handwerke hervorgebracht. Was in unserer Region selten ist, kann woanders wieder stark gefragt sein. Bei Handwerksberufen ist der Schwund aber sehr stark. Wenn man nicht mehr davon leben kann, muss man eben schauen.

Was fällt überhaupt unter den Begriff „altes Handwerk“?

Im Prinzip ist jedes Handwerk von der Entstehungsgeschichte her alt. Bei altem Handwerk spricht man von Berufen, die heute selten oder ausgestorben sind. Gemeint ist also eher vergessenes oder verlorenes Handwerk.

Welche alten Handwerksberufe sind denn bei uns schon ganz oder so gut wie verschwunden?

Stellmacher gibt es zum Beispiel in der Region nur noch zwei Alteingesessene. Es werden keine Wagenräder aus Holz mehr gebraucht, seit der Kutschbetrieb zurückgegangen ist. Der Beruf wird auch nicht mehr ausgebildet. Dann haben die Schuster große Probleme. Der Trend geht dahin, dass sich die Leute neue Schuhe kaufen, anstatt die alten reparieren zu lassen. Es gibt keine Weber mehr oder Gerber und auch keine Steinbrecher. Manche Berufe haben sich aber gewandelt und finden sich heute in der Industrie wieder oder sind in anderen Berufen aufgegangen.

Welche Berufe sind das, die es heute so nicht mehr im Handwerk gibt?

Schmiede und Schlosser werden keine mehr ausgebildet, sondern sind im Metallbauer aufgegangen. Es gibt aber zunehmend die Möglichkeit, sich zu spezialisieren. Im Handwerk wird bei uns auch kein Uhrmacher mehr ausgebildet, dafür boomt das in der Industrie wie in Glashütte. In Ausbildungsberufen gibt es eben immer den Zwang, eine Klasse vollzubekommen. Deutschlandweit gibt es noch Uhrmacher- oder Goldschmiedklassen, aber das ist eher exotisch. Da ist die Grenze fließend zum Kunsthandwerk.

Gibt es auch Berufe, die wider Erwarten erneut in Mode gekommen sind?

Ja, zum Beispiel die Ofenbauer. Die waren eine Zeit lang gar nicht mehr gefragt. Mittlerweile wollen wieder viele einen eigenen Ofen. Der Beruf erlebt jetzt eine Renaissance. Ebenso die Tischler. Und viele Tischler sind durchaus in der Lage, zu guten Preisen gute Ware zu liefern. Das wollen die Leute wieder mehr, anstatt selbst in den Baumarkt zu gehen und sich was zurechtzuzimmern, was dann zusammenfällt.

Um welche Sparten müssen wir uns in Zukunft Sorgen machen und warum?

Die Bäcker und die Fleischer. Das hängt mit dem Preisdruck zusammen. Die Stückzahlen aus der Industrie kann man im Handwerk heute kaum noch herstellen. Es gibt noch welche, die sich mit besonderen Produkten wie etwa einer speziellen Wurst ganz gut am Markt halten. Die Branche steht unter Druck, wobei das auch noch mit den wenig attraktiven Arbeitszeiten zusammenhängt.

Wie viele Leute lassen sich noch im alten Handwerk ausbilden?

Dazu gibt es keine Zahlen. Bei alten Handwerksberufen, die nicht mehr ausgebildet werden, gibt es viele Autodidakten, die das aus Enthusiasmus versuchen. Die Beweggründe sind da unterschiedlich.

Gibt es eine Chance, dass Menschen sich wieder mehr auf traditionelles Handwerk zurückbesinnen und die Produkte nachfragen?

Ja, durchaus. Einmal spielt hier der Denkmalschutz eine Rolle, der alte Techniken neu belebt. Die Wände zu gestalten, so wie früher, das wird heute zum Beispiel kaum noch gemacht. Oder es muss etwas restauriert werden, wie etwa eine Kutsche. Der Bedarf ist schon da, es ist aber schwierig, auf Dauer davon zu leben.

Welche Rolle spielt altes Handwerk im Verhalten der Verbraucher überhaupt, ist das aus Sicht der Kunden eher eine Nische oder etwas Exklusives?

Beides. Es gibt Leute, die bereit sind, für besondere Sachen viel Geld auszugeben. Andere sind das nicht. Im Verhalten der Verbraucher spielt das Handwerk keine Rolle. Ich denke, 95 Prozent der Verbraucher schauen auf den Preis und gehen lieber in den Baumarkt oder zum Supermarkt.

Was für einen Nutzen haben Aktionstage wie der „Tag des traditionellen Handwerks“?

Solche Aktionstage können durchaus helfen, den Leuten wieder nahezubringen, was das Handwerk eigentlich ausmacht. Handwerk ist nicht uniformiert und wird von keinem Automaten gemacht. Der „Tag des traditionellen Handwerks“ trägt dazu bei, dass das alte Handwerk nicht aus dem Bewusstsein der Leute verschwindet. Man muss sich vor Augen halten, dass die rund 24 000 bestens funktionierenden Handwerksbetriebe im Kammerbezirk Dresden circa 125 000 Arbeitsplätze und 5 200 Ausbildungsplätze bereitstellen.