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Handarbeit mit Gefühl

Bäcker Sebastian Keller mahlt das Mehl selbst und verzichtet auf unnötige Zusätze. Sogar Ärzte empfehlen seine Ware.

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© Andreas Weihs

Von Annett Heyse

Freital. Ricke racke, ricke racke geht die Mühle mit Geknacke, reimte einst Wilhelm Busch, bevor er die beiden Lausebuben Max und Moritz in den Trichter verschwinden ließ. Die Mühle von Sebastian Keller knackt nicht, vielmehr treibt ein Elektromotor mit lautem Surren das Mahlwerk an. Ansonsten aber sieht sie noch genauso aus, wie zu Buschs Zeiten. Oben ein großer Trichter, unten kommt das Vollkornmehl heraus und rieselt in einen großen Eimer. Keller greift danach und trägt ihn in die Backstube. Nachschub für den nächsten Tag. Der 35-Jährige ist nicht Müller, sondern Bäcker. Er betreibt an der Gabelsberger Straße/Ecke Goetheplatz in Freital eine kleine Bäckerei. Dass er das Mehl teilweise selbst herstellt, ist seiner Kenntnis nach einmalig in der näheren Umgebung. Sebastian Keller hat die Mühle von seinem Vorgänger übernommen, als er 2006 die Bäckerei kaufte. Sie passt prima zu seinem Verständnis vom Bäckerhandwerk. „Wir setzen auf Rohstoffe aus der Region und machen alles mit der Hand“, erklärt er. Nur das Teigkneten übernehmen Maschinen.

Mit viel Vorlauf bäckt die Bäckerei Hentschel Stollen ab Anfang November, trotzdem ist die Nachfrage ungebrochen. Natürlich hütet auch Sebastian Keller sein Rezept.
Mit viel Vorlauf bäckt die Bäckerei Hentschel Stollen ab Anfang November, trotzdem ist die Nachfrage ungebrochen. Natürlich hütet auch Sebastian Keller sein Rezept. © Andreas Weihs

Eigentlich müssten Bäcker zu den Handwerkern zählen, die immer Arbeit haben, weil Brot, Brötchen und auch Kuchen Grundnahrungsmittel sind. Doch ihnen machen die großen Märkte Konkurrenz, die gerade in jüngster Zeit nochmals mächtig aufgerüstet und Backstrecken aufgestellt haben. Jetzt gibt es auch bei Aldi, Lidl und Co. durchaus ofenwarme Ware. Woher die Teiglinge kommen, welche Zusätze und Konservierungsmittel darin verarbeitet sind – Sebastian Keller will darüber öffentlich nicht spekulieren. „Ich mache hier lieber mein Ding.“ Sein Ding – das sind Brote aus Natursauerteig und ohne Hefe. Die kommt nur in die hellen Teige für Brötchen und Weißbrot. Auch verwende er keinerlei Backmittel und Zusätze, versichert er. Das Mehl für alle Vollkornprodukte wird frisch in der eigenen Mühle gemahlen. „Das schmeckt dann noch mal anders, als wenn es länger gelagert ist.“ Das Getreide dafür stammt aus Bio-Anbau. Den Kuchenteig fertigt er ohne Milch an, Milchpulver ist in seiner Backstube erst recht tabu. Die Eier kommen von einem Bauernhof bei Hetzdorf, das Obst oft von Bäumen aus der Region.

Bäckermeister Keller konzentriert sich ganz auf Rezepte wie anno dazumal. Auf Tricks und Kniffe, auch ganz legitime, verzichtet er lieber. Weniger ist manchmal mehr, so das Motto der Bäckerei Hentschel – den alten Namen hat er über der Eingangstür stehenlassen. Dass er mancher Modeerscheinung aus dem Weg geht, dankt ihm vor allem ein Kundenkreis: Diabetiker und Allergiker. „Ärzte schicken ihre Patienten zu mir einkaufen, weil unsere Ware naturnah und gesund ist.“ Sebastian Keller, 35 Jahre alt, stammt aus dem Kurort Hartha und wollte eigentlich Elektriker werden. Aber wie das so war Ende der Neunzigerjahre: Er bekam keine Lehrstelle. „Da habe ich mich auf alles Mögliche beworben.“ In Herzogswalde fing er schließlich eine Bäckerlehre an. Mit 25 hielt er 2003 den Meisterbrief in den Händen, als jüngster des Lehrgangs. „Nach dem Zivildienst musste ich mich entscheiden: kleiner Betrieb oder Großbäckerei.“ Er hörte sich um und kam schließlich in die Bäckerei Hentschel. Dort suchte man einen Nachfolger. Sebastian Keller übernahm nach einem Jahr den Betrieb und dessen Philosophie gleich mit.

Hier wurde und wird ganz auf Handwerk gesetzt. Und da ist Teig nicht gleich Teig. Eine Masse, erklärt der andere Bäckermeister im Betrieb, Toralf Prodix, sei wie ein kleines Biotop. „Der ist immer mal anders. Das fühlt man und danach richtet sich, wie lange ein Teig angesetzt wird, ruhen muss, verarbeitet wird.“ Handwerk mit Gefühl sozusagen. Ordentlich Muskeln braucht man aber als Bäcker auch. Gerade schaut Sebastian Keller in den Ofen. Stollen, was sonst in der Weihnachtszeit. Mehr als 50 Stück liegen in der Hitze, das sind schon mal 100 Kilo Teig, die ruck zuck geknetet, geformt und verarbeitet werden müssen – und das mehrmals in der Woche. Jetzt sind sie gut. Keller holt die Bleche aus dem Ofen, in wenigen Minuten werden sie schon gebuttert und gezuckert.