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Handarbeit für Airbus

Ohne Eviro aus Eibenstock würde der A 380 nicht fliegen. Dabei stand die Firma vor 15 Jahren vor dem Aus.

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© Thomas Kretschel

Von Ines Mallek-Klein

Wenn Ullus Leidel aus seinem Bürofenster schaut, blickt er auf den Aussichtsturm in Eibenstock. Von hier hat man an den schöneren Tagen einen herrlichen Blick über das Erzgebirge. Der Aufstieg lohnt sich, sagt der Firmenchef. Ihm selbst fehlt allerdings manchmal die Zeit, um den Blick schweifen zu lassen. Zu dicht sind die Liefertermine, zu einzigartig die Wünsche der Kunden.

Ullus Leidel ist Chef der Eviro Elektromaschinenbau & Metall GmbH aus Eibenstock. Er kam 2002 hierher ins Erzgebirge. Die Hausbank des damaligen Elektromaschinenbaubetriebes hatte ihn angefragt, ob er als Firmenretter gemeinsam mit dem Firmengründer zur Verfügung stünde. Leidel sagte Ja. Er wagte das Experiment, als Fremder, als Ossi. Das, sagt er heute rückblickend, machte es nicht unbedingt leichter. Das große, im firmentypischen Blau-Weiß gehaltene Firmengebäude lässt die Wachstumspläne der Gründer von einst erahnen. Heute geben sie Ullus Leidel genügend Spielraum, um das Unternehmen weiterzuentwickeln. 60 Beschäftigte zählt Eviro. Viele haben die Umstrukturierungsphase miterlebt.

Wickelspezialisten gefragt

Heute hat Eviro zwei wirtschaftliche Standbeine, die gleichberechtigt sind. Das erste sind Wicklungen für Elektromotoren. Es sind keine Großserien, sondern Sonder-, oft sogar aufwendige Einzelanfertigungen. Die kupfernen Kunstwerke variieren im Durchmesser zwischen 20 und 500 Millimetern. Mitarbeiter bündeln, wickeln und stecken die glänzenden Kupferdrähte nach komplizierten Bauplänen in die Metallgehäuse, die Statoren genannt werden. Da sind Geschick und Augenmaß gefragt. Während es bei den ganz großen Wicklungen zudem auf Kraft ankommt. Manchmal sind gar Kräne nötig, um sie vom Arbeits- zum Lagerplatz zu transportieren.

Auftraggeber von Eviro sind Maschinenbauer, die Elektromotoren verwenden. Und die Luftfahrtindustrie.

Der A 380 würde niemals abheben, gäbe es das Eibenstocker Unternehmen nicht. Die 16 Türen des Riesenvogels werden mit kleinen Motoren geöffnet und geschlossen. „Und darin sind unsere Wicklungen verbaut“, sagt Ullus Leidel nicht ohne Stolz. Eviro ist dafür der einzige Hersteller in Europa, vermutlich sogar weltweit. Warum? Weil die Wicklungen zu 90 Prozent in Handarbeit durchgeführt werden und diese Tätigkeit neben Geschick auch jede Menge Sachkenntnis braucht. Eviro schult deshalb seine Mitarbeiter regelmäßig, und das auf verschiedenen Leveln. Denn einige der Beschäftigten sind Quereinsteiger. Sie haben früher als Trockenbauer, Friseur oder hinter dem Tresen einer Hotelrezeption ihr Geld verdient. Bei Eviro lernen sie dann die Grundzüge der Elektrotechnik kennen. „Heute sind diese Quereinsteiger wie alle anderen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Spezialisten, auf die ich mich absolut verlassen kann“, sagt Ullus Leidel.

Die Kenntnisse der Elektrotechnik sind auch die Basis für das zweite Geschäftsfeld. Eviro baut Rüttelmotoren, die unter anderem in Baumaschinen und im technischen Anlagenbau verbaut werden.

Ein Beispiel dafür ist der Gleitschalungsfertiger für den Straßenbau. Er kommt in Deutschland zwar weniger zum Einsatz als im Ausland, da hier kaum noch Autobahnen neu angelegt werden. Aber in Südamerika gibt es kaum eine Autobahn, die nicht aus Beton besteht. Und damit der Belag schön glatt wird und sich keine Luftblasen bilden, muss er beim Aufbringen ordentlich durchgerüttelt werden. Die Motoren dazu stammen aus Eibenstock.

Die Qualitätsanforderungen sind enorm. „Stellen Sie sich vor, ein Motor fällt aus. Die millionenteure Technik stünde still, bis ein neuer eingebaut wäre“, sagt Ullus Leidel. Entsprechend intensiv prüft Eviro die Produkte, die die Werkhallen verlassen. Nullfehlerproduktion heißt das Ziel. Nicht immer kann man bei den Tests an die Leistungsgrenze der Motoren gehen. „Wir brauchten sonst immer wieder ein neues Firmengebäude“, sagt Ullus Leidel mit einem Lachen.

Man muss auch Nein sagen können

Das wird noch breiter, als er auf die Frage antworten soll, was denn die Elektromobilität für Eviro bedeuten könnte. Die großen Autobauer haben das Unternehmen im Erzgebirge, das sich so gut mit den Motorenwicklungen auskennt, längst entdeckt und besucht. Aber Ullus Leidel möchte die Eviro nicht zu einem Automobilzulieferer machen. Zu hart ist der Preiskampf und zu aufwendig wären die notwendigen Zertifizierungen. „Manchmal“, sagt der Firmenchef, „muss man auch Nein sagen können“.