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Hammerstadt statt Großer Kreisstadt

Sein Stadtrats-Mandat muss Heiko Hentschel aufgeben. Nicht aber sein Engagement.

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© André Schulze

Von Alexander Kempf

Niesky/Hammerstadt. Einem Zufall verdankt Heiko Hentschel einen neuen Lebensabschnitt. Eigentlich wollte der gebürtige Nieskyer seiner Tochter und seinem Schwiegersohn Anfang des Jahres nur beratend zur Seite stehen, als diese im Rietschener Ortsteil Hammerstadt ein Haus besichtigt haben, um es zu kaufen. Doch eingezogen sind mittlerweile nicht die jungen Leute, sondern Heiko Hentschel mit seiner Frau. Das Grundstück mit seiner Parklandschaft begeistert ihn sofort. „Oh, genial“, beschreibt er seinen ersten Gedanken, „das will ich haben.“ Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen und bereits im Juni sind die Hentschels umgezogen.

Die persönliche Veränderung hat auch den Nieskyer Stadtrat durcheinandergewirbelt. Denn in dem darf nur sitzen, wer auch in der Stadt oder einem der Ortsteile wohnt. Für Heiko Hentschel ist es ein Abschied ohne Groll. „Ich muss Nieskyer sein, um in Niesky Stadtrat zu sein“, sagt er selbst nüchtern. So sind die Regeln. Dass er seiner Heimatstadt irgendwann mal den Rücken kehren könnte, das hat er selbst bis vor Kurzem nicht für möglich gehalten. Schließlich ist er in Niesky auch durch seine zahlreichen Ehrenämter vernetzt wie wenige andere.

Den Umzug aus dem Mehrfamilienhaus ins eigene Heim hat der gesellige Sportler aber nicht bereut. „Ich fühle mich zufriedener“, sagt er sogar. In Hammerstadt kriege er den Kopf sehr gut frei. Und aus der Welt ist er ohnehin nicht. Mit dem Auto braucht Heiko Hentschel etwa 20 Minuten bis zur Arbeit nach Niesky. In der Stadt wird er sich auch weiter einbringen, etwa beim Förderverein für die Oberschule. „Das ist eine Leidenschaft“, sagt er. Und doch dürfte sich mancher fragen, ob Heiko Hentschel nach seinem Umzug auch Vorsitzender des TSV Niesky bleibt.

„Ich hänge nicht an Ämtern“, sagt der 44-Jährige. Es sei ihm immer wichtig gewesen, junge Leute dabei zu unterstützen, selbst Verantwortung zu tragen und in Aufgaben hereinzuwachsen. Der Nieskyer Verein mit seinen rund 300 Mitgliedern wählt im kommenden Jahr das nächste Mal einen Vorsitzenden. Der muss im Gegensatz zu einem Stadtrat nicht aus Niesky kommen. Doch da so ein Ehrenamt viel Arbeit mit sich bringt, sei es schon von Vorteil, in der Nähe zu sein, erklärt Heiko Hentschel. Dass er sich so lange, wie er gebraucht wird, für den TSV engagiert, das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. „Eine Nähe zum Verein wird immer da sein“, sagt er.

Das Engagement für den Nieskyer Sport hat Heiko Hentschel auch im Stadtrat viel Anerkennung beschert. „Es war ihm immer wichtig, die Vereinsbelange im Auge zu behalten. Das hat uns verbunden“, sagt etwa SPD-Stadtrat Harald Prause-Kosubek. Der bildet mit Heiko Hentschels Nachfolger Silvio Adam und den anderen drei Stadträten der Linken eine gemeinsame Fraktion. In dieser habe Heiko Hentschel immer kritisch nachgehakt, lobt er. „Ich bedauere sein Ausscheiden sehr“, sagt Harald Prause-Kosubek. Die Zusammenarbeit mit Heiko Hentschel sei ausnahmslos sehr angenehm gewesen.

Aber auch in den anderen Fraktionen des Stadtrates wird Heiko Hentschels Arbeit geschätzt. „Er hat sich ganz sachlich und ohne jedes Parteiinteresse eingebracht“, lobt zum Beispiel Bernd Funke von der Bürgerbewegung Niesky. Der stellvertretende Oberbürgermeister Frank Mrusek kann das nur unterstreichen. „Heiko Hentschel ist für uns ein ganz aktives und loyales Stadtratsmitglied gewesen“, sagt er und beschreibt ihn als angenehm und bodenständig, auch abseits der Nieskyer Stadtratssitzungen.

Heiko Hentschel ist wohl das, was man einen klassischer Teamspieler nennt. Und zwar über Vereinsgrenzen hinweg. „Mir gefällt gut, dass es hier viele Vereine gibt und diese immer besser zusammenarbeiten“, sagt er bereits Anfang des Jahres, als er für eine Serie der Sächsischen Zeitung nach seiner Meinung über Niesky gefragt wird. Der Neid nach der Wende, lobt Heiko Hentschel damals, sei gewichen. „Die Stadt sollte diese Vielfalt noch mehr nutzen und in den Mittelpunkt stellen.“ Er selbst will mit gutem Beispiel vorangehen und sich mit dem TSV Niesky beim diesjährigen Herbstumzug zum 275-jährigen Stadtjubiläum einbringen.

Ohnehin hat sich Heiko Hentschel schon seit geraumer Zeit nicht mehr nur in Niesky für den Sport eingesetzt. In Rietschen, zu dem auch Hammerstadt gehört, leitet er bereits die Abteilung Handball. „So war der Abschied aus Niesky zu verschmerzen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Denn wirklich gegangen ist er ja gar nicht. Aber die Veränderung, das merkt man dem ehemaligen Nieskyer Stadtrat an, genießt er. „Stillstand bedeutet eigentlich Rückschritt, sage ich immer“, zitiert sich Heiko Hentschel selbst.