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Halbzeit auf der Bahnbaustelle

Die Deutsche Bahn lud die SZ auf die vier Kilometer lange Baustelle ein. Der Besuch bringt beeindruckende Fotos und auch Neuigkeiten.

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© Kristin Richter

Von Jörg Richter

Großenhain. Bauamtsleiter Tilo Hönicke genießt jeden Schritt. Er schreitet begeistert die Trasse der Bahnbaustelle von Kottewitz nach Großenhain entlang. „Das wird schon in einem halben Jahr nicht mehr möglich sein“, sagt er. Denn dann fahren hier Güterzüge, Regionalbahnen und nicht zuletzt der Inter-City-Express.

Auf der Bahnbaustelle hört man viele Sprachen. Dieser ausländische Bauarbeiter bereitet die Stahlbewehrung an der Brücke Großraschützer Straße vor.
Auf der Bahnbaustelle hört man viele Sprachen. Dieser ausländische Bauarbeiter bereitet die Stahlbewehrung an der Brücke Großraschützer Straße vor. © Kristin Richter
An der ehemaligen Tischlerei Casper wurden viele Betonbohrpfähle aneinandergereiht. Hier kommt die neue Bahntrasse am dichtesten an ein Haus heran.
An der ehemaligen Tischlerei Casper wurden viele Betonbohrpfähle aneinandergereiht. Hier kommt die neue Bahntrasse am dichtesten an ein Haus heran. © Kristin Richter
Mit der lichten Weite von 28,60 Meter ist die Röderbrücke die längste Bahnbrücke, die zurzeit in Großenhain errichtet wird.
Mit der lichten Weite von 28,60 Meter ist die Röderbrücke die längste Bahnbrücke, die zurzeit in Großenhain errichtet wird. © Kristin Richter

Letzterem verdankt Großenhain diese Baustelle. Denn in ein paar Jahren soll der ICE mit 200 km/h durch die Stadt rauschen können. Rein theoretisch könnte er das ab 10. Dezember. Dann soll der vier Kilometer lange Abschnitt der Bahnstrecke Dresden-Berlin fertig sein. „Nur ein Jahr für eine solche Baumaßnahme ist schon ziemlich kurz“, sagt Klaus Riedel, der Projektleiter der DB Netz AG. „Da darf nichts schiefgehen.“ Doch die erste 200km/h-Fahrt wird wohl erst in ein paar Jahren möglich sein. „Die notwendige Sicherungstechnik kommt erst später“, so Riedel. Vor Anfang der 2020er Jahre rechnet er nicht damit. So wie Hönicke weist auch Riedel die Fotografen auf die besondere Gelegenheit hin. Riedel sagt: „Die Fotos, die sie heute schießen, werden sie wieder machen können.“

Zum Beispiel die Betonbohrpfähle an der ehemaligen Tischlerei Casper. Dieses Gebäude sei laut Riedel das einzige Haus in Großenhain, an dem die neue Bahntrasse ganz nah vorbeiführt. „Hier konnten wir schlecht Spundwände reinschlagen. Da wäre das Haus eingestürzt“, erzählt Riedel. Die Deutsche Bahn habe sich mit den Besitzern geeinigt und kaufte die Tischlerei samt angrenzendem Wohnhaus. Das ältere Ehepaar kann seinen Auszug in aller Ruhe vorbereiten. Die Bahn räumte ihm das Wohnrecht bis 2019 ein, so Riedel. Was die Bahn mit dem Gebäude nachher anstellt, steht noch nicht fest.

Schon seit 15 Jahren geplant

Baubeginn an der neuen Bahntrasse war im Dezember 2016. Bis zum 10. Dezember 2017 soll alles fertig sein.

Das Ziel des Bauvorhabens ist es, die Bahnstrecke so zu verändern, dass ICE-Züge mit 200 km/h durch Großenhain fahren können. Dazu mussten drei Bögen entlang der Trasse aufgeweitet werden.

Dadurch verschiebt sich die Trasse stellenweise um 13,6 Meter nach Westen und 6,3 Meter nach Osten.

Die ersten Vorplanungen für dieses Großprojekt liegen schon 15 Jahre zurück.

Der alte Gleisschotter wird in einer Aufbereitungsanlage vor Ort gesiebt und soll wieder eingebaut werden, um Kosten zu sparen.

Quelle: DB Netz AG

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Ein paar Hundert Meter nach der Tischlerei Casper endet der Bahndamm an der Merschwitzer Straße. Hoch oben vom Damm aus erhalten die Besucher, zu denen auch Oberbürgermeister Sven Mißbach zählt, einen beeindruckenden Blick auf die Brückenbaustellen. Vor dem Hintergrund des Stadtparks und der Großenhainer Innenstadt steht ein Kran nach dem anderen. Auf den letzten zwei Kilometern werden sieben Brücken und vier Stützwände neu gebaut. „Das ist schon allerhand“, sagt Riedel. Wo man hinschaut, wird gewuselt. Stahlbewehrung wird geflochten, Betonschalungen werden errichtet, andere nach dem Aushärten des Betons wieder ausgebaut. Wer nicht aufpasst, stolpert. Trotzdem soll es auf der gesamten Baustelle bisher kaum Unfälle gegeben haben. Bis auf den Zwischenfall Ende Mai, als ein Kipperfahrer an der Parkstraße mit hochgeklappter Mulde über den Bahnübergang fuhr und dabei die Oberleitungen der Bahn runterriss. Riedel: „Das war bisher der einzige Unfall auf der Baustelle. Toi, toi, toi!“

Der Projektleiter erzählt aber von einem weiteren Zwischenfall, für den niemand etwas kann und wo es auch keine Verletzten gab. Am gleichen Tag, als Dynamo Dresden auf der benachbarten Jahnkampfbahn zum Testspiel gegen Viktoria Berlin zu Gast war, hatte es einen Knall gegeben. Zahlreiche Fußballfans hatten von einem enorm lauten Blitzeinschlag berichtet, ohne ihn orten zu können. Dieser Blitz war in einen Autodrehkran eingeschlagen, dessen hoher Ausleger gerade aufgebaut wurde. Trotz des Vorfalls konnte der Autodrehkran wie geplant zwei Tage später das über 30 Meter lange Brückenteil auf die Röderbrücke setzen. Mit einer lichten Weite von 28,60 Metern ist sie die längste der sieben Brücken. Klaus Riedel hat noch eine Neuigkeit fürs Wochenende: Von Freitag 21.30 Uhr bis Sonntag 5 Uhr fährt kein Zug durch Großenhain. Die Bahnstrecke Dresden-Cottbus wurde für diesen Zeitraum gesperrt, um am Bahnkreuz ein Gerüst zu errichten.