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Hainewalder Landwirt flog in den Tod

Im August 1913 stürzte der verwegene Pilot Fritz Rößler mit einem Eindecker ab. Auch ein Flugschüler kam ums Leben.

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© Sammlung R. Buttig

Von Bernd Dressler

Als Luftfahrtpionier Otto Lilienthal mit seinem Flügelschlagapparat am 9. August bei Rathenow vor 120 Jahren tödlich verunglückte, steckte das Fliegen noch in den ersten Kinderschuhen. 17 Jahre später, am 10. August 1913, kreisten schon die ersten Motorflugzeuge als Ein- oder Doppeldecker in den Lüften. Und wieder verunglückte ein Pilot, der eine Art kleiner Lilienthal der Oberlausitz sein wollte: der 24-jährige Landwirt Fritz Rößler aus Hainewalde.

Obwohl der Flugzeugabsturz weit weg von seiner Heimat passierte, berichteten wenige Tage später die Oberlausitzer Tageszeitungen ausführlich darüber. Schließlich war so ein Ereignis keine Alltäglichkeit. Da das Unglück Rößler in Brück in der Mark ereilte, hatten die Redakteure im Raum Berlin gut vorgearbeitet. So gab die „Oberlausitzer Presse“, das Wochenblatt für Großschönau und Umgebung, ausführlich den Bericht des „flugsportlichen Mitarbeiters“ des „Berliner Lokalanzeiger“ wieder.

Rößler war an jenem 10. August gegen 7.30 Uhr gemeinsam mit dem Flugschüler Fritz Stephan vom Flugplatz Bork (jetzt Borkheide bei Beelitz) in das zehn Kilometer entfernte Brück mit einem Grade-Eindecker gestartet. Darin steckt der Name Hans Grade, der in Bork neben einer Flugschule auch eine Flugzeugfabrik betrieb, die diese Maschinen baute. Wegen böiger Winde in den unteren Luftschichten brachte Rößler die Maschine auf 800 Meter Höhe, um vor den ersten Brücker Häusern „in einem steilen Gleitflug“ zu landen. Der Berichterstatter schrieb: „Als das Flugzeug, das mit großer Geschwindigkeit zur Erde niedersauste, sich bis auf wenige Meter dem Boden genähert hatte, merkte Rößler, daß er Gefahr lief, mit einem an der Chaussee stehenden Haus zusammenzustoßen. Er beschrieb deshalb noch kurz über dem Erdboden eine scharfe Linkskurve, wobei der linke Flügel den Erdboden berührte und das Flugzeug, sich zweimal überschlagend, zur Erde stürzte.“

Den herbeieilenden Anwohnern bot sich an der Unglückstelle ein erschreckender Anblick. Rößler und sein Mitflieger Stephan lagen mit schweren Schädel- und Knochenbrüchen tot unter den Flugzeugtrümmern. Fritz Rößler muss einen Vorahnung gehabt haben, wie Egbert Wünsche aus Neugersdorf herausfand, der sich intensiv mit der Luftfahrt-Geschichte der Oberlausitz beschäftigt. Zwei Tage vor dem Unglück hatte er an einen Freund geschrieben: „In einigen Tagen fliege ich wahrscheinlich nach Leipzig. Hoffentlich komme ich gut und ohne Bruch hin, um an der Flugwoche (sie fand am 23./24. August statt) teilzunehmen.“

Es ist nach dem Absturz viel spekuliert worden, wie es dazu kommen konnte. Rößler, der am 8. Juli 1912 das Pilotenzeugnis erhalten hatte, soll als einer der besten und sichersten Piloten gegolten haben. Aber das barg auch die Gefahr einer Selbstüberschätzung. Er mutete seiner Maschine die „Leistungen eines Rekordapparates“ zu, wie das „Ebersbacher Wochenblatt“ schrieb. Doch das war dieser Garde-Eindecker nicht, er galt als technisch überholt. Dafür war es das preisgünstigste Motorflugzeug jener Zeit, das sich Ein-Mann-Flugschulen leisteten. Mit anderen Worten: Über das Geld, das Fritz Rößler eigentlich für die Fliegerei gebraucht hätte, verfügte er nicht. Selbst die 1000 Mark, die ihm sein Vater nach langem Überreden für die Flugausbildung gab, reichten nicht. Fritz Rößler musste versuchen, Siege bei Stundenflügen und anderen Wettbewerben zu erringen, wobei ihm seine Sportlichkeit zu Gute kam. Rößler galt als versierter Turner, der akrobatische Handstände beherrschte und damit auch bei großen Turnfesten auffiel.

Mit Rößlers Flugzeugabsturz hat sich auch der Hainewalder Ortschronist Rainer Buttig beschäftigt. Er besitzt fast alle Veröffentlichungen, die es dazu gegeben hat, darunter die Danksagung „der trauerenden Familie Moritz Rößler“. Der frühere Kretschambesitzer hätte es lieber gesehen, wenn sein Sohn in der Landwirtschaft geblieben wäre. Die Danksagung nennt neben dem Pfarrer besonders den Turnverein, den Gesangverein „Harmonie“, in dem Fritz Rößler sang, und die Betgeschwister, Jahrgang 1904. Letztere veröffentlichten in der „Oberlausitzer Presse“ in Gedichtform einen gesonderten „ehrenden Nachruf“ für ihren ehemaligen Klassenkameraden. Aus ihm geht hervor, dass Rößlers Flugzeugabsturz längst nicht der einzige jener Zeit war: „Die Sehnsucht nach Eroberung der Lüfte Wagemut in deinem Herzen schuf. Gar viele schon umschlossen Friedhofsgrüfte, die so wie du erwählten diesen Beruf“, heißt es da. Laut Egbert Wünsche fanden allein 1913 bei Flugzeugunglücken in Deutschland 39 Männer den Tod.

Es waren Flugzeugpioniere. Ein Hainwalder gehörte dazu.