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Haftstrafe für Vergewaltiger

Nach einem sexuellen Übergriff am Albertplatz im Februar 2016 hat das Gericht nun ein Urteil gesprochen.

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© Sven Ellger

Christoph Springer

Dresden. Eric H. hat am frühen Morgen des 27. Februar 2016 versucht, auf dem Alaunplatz drei Kinder sexuell zu missbrauchen. Später hat er sich auf dem Albertplatz auf einer Bank und in einem Gebüsch an der damals 24-jährigen Stephanie S. vergangen.

Knapp vier Wochen danach, am 25. März 2016, hat er an der Haltestelle Zwinglistraße in Gruna die 18-jährige Vivien T. angegriffen, weil er die junge Frau vergewaltigen wollte. Für diese drei Taten muss der inzwischen 22-Jährige sechs Jahre und drei Monate im Gefängnis büßen. Das hat das Landgericht Dresden entschieden. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Andreas Ziegel ist der Überzeugung, dass H. nicht nur diese drei Taten zur Last gelegt werden müssen, sondern dass er auch zur Wiederholung neigt. Das schlussfolgerte das Gericht aus seiner Persönlichkeitsstruktur, zu der sich Gerichtspsychologe Stephan Sutarski in einer nichtöffentlichen Verhandlung geäußert hat.

Das Urteil gegen den jungen Dresdner liegt deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde hatte acht Jahre Haft beantragt, sagte Richter Ziegel in der Urteilsbegründung. Zugunsten von Eric H. wertete die Kammer, dass es auf dem Alaunplatz und in Gruna bei Tatversuchen geblieben ist und dass der damals 21-Jährige vor diesen Taten noch nie strafrechtlich aufgefallen ist. Außerdem sei eine solche Haftstrafe für einen jungen Menschen ein Lebenseinschnitt mit viel größerer Wirkung als etwa bei einem 50-Jährigen, stellte Richter Ziegel fest.

Bei dem Prozess wurden mehr als 40 Zeugen gehört, darunter auch etwa ein halbes Dutzend Menschen, die die Szene auf dem Albertplatz beobachtet hatten. Eine Stunde lang hat H. dort in allen denkbaren Positionen die junge Mutter Stephanie S. vergewaltigt, ist die Kammer überzeugt. Ziegel erklärte, es sei durchaus nachvollziehbar, dass keiner der Zeugen eine Vergewaltigung gesehen hat. Bei einer solchen Tat wüssten häufig nur Täter und Opfer, was wirklich passiert ist. Und wer ein Paar beim Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit sehe, schaue ohnehin schnell weg. Darüber hinaus habe H. gedroht, der jungen Frau oder ihrem Kind etwas anzutun, wenn sie sich bemerkbar macht. Stephanie S. regte sich nicht.

Verteidigerin Ines Kilian versuchte in der Hauptverhandlung, die Glaubwürdigkeit des Vergewaltigungsopfers infrage zu stellen. Zugleich argumentierte sie, die junge Mutter leide an einer Persönlichkeitsstörung und habe ein besonderes Geltungsbedürfnis. Die Kammer hat das aber nicht überzeugt. Eric H. und die junge Mutter kannten sich bis zur Tat nicht, deshalb gebe es für Stephanie S. kein Rachemotiv, sagte Ziegel. Außerdem sei es „sehr, sehr unwahrscheinlich, dass man aus einem Geltungsbedürfnis eine Vergewaltigung erfindet.“ Die junge Frau sei aus Sicht des Gerichts „schlichtweg glaubhaft“, so der Vorsitzende Richter. „Wir haben kein tragfähiges Motiv dafür gefunden, dass sie den Angeklagten zu Unrecht einer Vergewaltigung bezichtigt.“

H. hat der Kammer dagegen Gründe dafür geliefert, ihn auch als potenziellen Wiederholungstäter einzuordnen. „Das ist wie bei einem Schalter, der Klick macht“, hat er Stephanie S. die Vergewaltigung erklärt, berichtete Ziegel. Der damals 21-Jährige habe in der Nacht zum 27. Februar die Absicht gehabt, sich sexuell zu erregen. Der versuchte Missbrauch auf dem Alaunplatz und die Tat auf dem Albertplatz „passen schon in ein Bild“, stellte er fest. Dazu kommt noch, dass sich Eric H. nach dem Missbrauchsversuch vor einem Café am Bischofsweg gezeigt hat – noch immer hing da sein Geschlechtsteil aus der Hose. Außerdem nahm ihm das Gericht nicht ab, dass rein zufällig 58 Fotos und zwei Videos mit kinderpornografischen Darstellungen im Speicher seines Handys gelandet waren.

Das Urteil gegen den 22-Jährigen ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das Landgericht hat eine Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Verteidigerin Ines Kilian kündigte an, sie werde noch am Dienstagnachmittag Revision einlegen. Das bedeutet, das Urteil gegen Eric H. wird noch einmal überprüft. Dabei geht es aber nicht um eine neue Beweisaufnahme. Der Bundesgerichtshof kontrolliert, ob die Kammer von Richter Andreas Ziegel juristische Fehler gemacht hat. Hält der BGH die Revision für begründet, wird das Urteil gegen Eric H. aufgehoben, korrigiert oder der Fall an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen, die dann neu verhandeln muss.