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Händler auf Ideensuche

Wilsdruffs Ladenbetreiber wollen sich gegen Internethandel und Einkaufszentren behaupten. Dazu bekommen sie Hilfe.

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© Andreas Weihs

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Nein, klagen könne sie nicht, sagt Ines Siegemund und ordnet ein paar Bücher auf ihrer Ladentheke. „Ich habe hier 1999 ganz neu eröffnet. Seitdem ist es immer nur aufwärtsgegangen.“ Aufwärts – das ist ein Wort, welches manch kleiner Ladenbetreiber in Zeiten des Online-Handels und der Einkaufszentren-Glitzerwelt an der Peripherie großer Städte auch gerne mal in den Mund nehmen möchte. Viele kämpfen stattdessen gegen Umsatzrückgang und Kundenverlust an.

In Wilsdruff ist das mitunter nicht viel anders und man kann die Probleme am Stadtbild erkennen. So schloss vor Jahresende die Modetruhe an der Freiberger Straße. Ebenfalls dicht ist mit Radio-Kirchner seit Wochen ein alteingesessenes Rundfunkgeschäft. Wilsdruffs Einzelhandel – das ist in den vergangenen Jahren ein ständiges Auf und Ab. Den Schließungen folgen Neueröffnungen, aber wirklich voran geht es nicht mehr. Oft ziehen in leerstehende Ladengeschäfte auch gar keine klassischen Händler ein, sondern Dienstleister wie Fahrschulen oder Versicherungen.

Dabei haben die Wilsdruffer im Vergleich zu vielen anderen Sachsen eine hohe Kaufkraft. Abzüglich der Ausgaben für Wohnen, Reisen, Dienstleistungen, Auto und Altersvorsorge, stehen jedem Einwohner geschätzt etwa 5 881 Euro jährlich für den Konsum zur Verfügung. Das geht aus dem aktuellen Handelsatlas der Industrie- und Handelskammer Sachsen IHK hervor. Damit sind die Wilsdruffer die kaufkräftigsten Bürger im Landkreis und liegen auch über dem sächsischen Durchschnitt. Trotzdem schrumpft in der Stadt das Angebot. Standen 2001 pro Kopf gerechnet in Wilsdruff noch 1,10 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung, waren es 2010 nur noch 0,95 Quadratmeter, hat die IHK ausgerechnet. Und auch anschließend ging es weiter zurück.

Immerhin gab es im vergangenen Jahr eine kleine Erholung. So eröffnete in der Freiberger Straße ein Optiker und am Marktplatz ein Blumengeschäft sowie ein Hörgeräteakustiker. Doch wie geht es weiter? Wo liegen die Ursachen für den Umsatzrückgang? Und was kann man dagegen tun?

Das fragt man sich auch in der Wilsdruffer Stadtverwaltung. Schon vor fünf Jahren regte Bürgermeister Ralf Rother (CDU) ein Einzelhandelskonzept an. Damals verwarfen die Mitglieder des Wilsdruffer Gewerbevereins den Vorschlag. Nun hat die Stadt erneut einen Vorstoß gewagt und angeboten, ein solches Konzept in Auftrag zu geben und zu finanzieren. „Ein Blick von außen kann gute, neue Ansätze hervorbringen. Diese gilt es gemeinsam mit den Händlern zu diskutieren“, sagt Rother. Buchhändlerin Siegemund, Vorsitzende des Gewerbevereins, findet das auch. „Klar ist es nicht angenehm, den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Aber wir wollen nicht stehenbleiben und da können ein paar neue Ideen nicht schaden.“ Sie denke da vor allem auch daran, wie man mehr Touristen in die Stadt und auch in die Läden locken könne.

Ines Siegemund selbst ist eine der Händler, die Erfolg haben. Als Quereinsteigerin startete sie am Marktplatz ihren Buchladen. Sie betreibt eine Internetseite und hat einen Facebook-Account mit Bestellmöglichkeit. „Wenn ich abends dem Großhändler meine Liste schicke, stehen die Bücher am nächsten Morgen neun Uhr vor der Tür.“ Schneller seien auch die Internethändler nicht. Und für die, die ganz konservativ in den Laden kommen, um zu stöbern, bietet Ines Siegemund neben einer attraktiven, zeitgemäßen Präsentation auch Beratung und Service.

Doch wo ist in dieser Hinsicht noch Luft? Und wie kann man sich auf Dauer gegen den Online-Handel und die Einkaufszentren wie den Wilsdruff nur zehn Fahrminuten entfernten Elbepark behaupten? Auch darauf erhoffen sich die Einzelhändler Antwort. Denn über eines sind sich die Experten sicher. Der Online-Handel wird weiter wachsen. Die Einzelhandelsverband Deutschland rechnet für 2017 mit einer elfprozentigen Steigerung des Umsatzes der Internethändler. Schon jetzt werde jeder zehnte Euro im Online-Handel erlöst, teilte der Verband vor wenigen Tagen mit.