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Gutverdiener in Dresdner Sozialwohnungen

Wer bedürftig ist, braucht den Wohnberechtigungsschein. Doch der wird nie wieder kontrolliert.

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© dpa (Symbolfoto)

Von Andreas Weller

Günstiger Wohnraum wird immer knapper in Dresden. Die Stadt will dem mit dem Bau von Sozialwohnungen entgegenwirken und eine neue Woba aufbauen. Doch möglicherweise sind bereits jetzt etliche solcher Wohnungen mit Personen belegt, die gar nicht bedürftig sind – oder zumindest nicht mehr. Denn die Verwaltung kontrolliert dies nicht erneut, wenn Dresdner einmal einen Wohnberechtigungsschein ausgestellt bekommen haben. Diesen Schein gibt es für Menschen mit niedrigem Einkommen, und es werden immer mehr davon ausgestellt.

FDP-Fraktionschef Holger Zastrow vermutet zumindest, dass es viele Fehlbelegungen in Dresden gibt. Denn: Wer einmal einen Wohnberechtigungsschein erhält, muss eine Bedürftigkeit später nicht erneut nachweisen. Zastrow erhebt Vorwürfe gegen Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke). „Frau Kaufmann ist nicht bereit, das Problem anzupacken. Dabei ist sie mit ihrem Geschäftsbereich sogar dazu verpflichtet, die Bedürftigkeit zu kontrollieren.“ Es sei schließlich bei Empfängern von Arbeitslosengeld und Hartz IV auch so, dass diese ihre Bedürftigkeit regelmäßig nachweisen müssen. Tatsächlich verbietet auch kein Gesetz die Kontrolle der Wohnberechtigung.

Kaufmann sagt, Bundes- und Landesgesetze lassen bei Wohnberechtigungsscheinen keine Überprüfung zu, ob Wohnungen rechtmäßig belegt sind. Die belegungsgebundenen Wohnungen stehen in erster Linie Menschen mit geringem Einkommen zu. „Natürlich kommt es vor, dass sich die finanzielle Situation eines Haushalts verbessert“, so Kaufmann. „Damit müssen wir jedoch leben. Denn die geforderten Kontrollen und Sanktionen sind juristisch weder tragbar noch durchsetzbar. Sie verstoßen schlichtweg gegen geltendes Recht.“

Es gebe „gute Gründe“ dafür, dass es bei einer Fehlbelegung kein Kündigungsrecht gebe. „Auch für Mieter, deren Einkommen sich positiv entwickelt hat und die deshalb aus dem Anspruch auf eine Sozialwohnung herauswachsen, gilt der besondere Schutz ihrer Wohnung.“

Die Stadtverwaltung hat im vergangenen Jahr 2 694 solcher Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. Das sind 44 Prozent mehr als 2015 – da waren es 1 868. In diesem Jahr wurden bis Ende Mai bereits 1 076 solcher Scheine ausgestellt. Die Befristung der Berechtigungen auf ein Jahr regele laut Kaufmann lediglich, dass in dieser Zeit eine besonders günstige Wohnung gemietet werden darf. Es gehe nicht um die Dauer des Mietverhältnisses. Denn mit diesem greife der zivilrechtliche Mieterschutz. Demnach sind auch veränderte Einkommensverhältnisse kein Kündigungsgrund. Dass es rechtlich nicht untersagt ist, Wohnberechtigungsscheine dauerhaft zu kontrollieren, sei deshalb unerheblich, meint Kaufmann.

Fehlbelegung lässt sich nicht prüfen

Dennoch fordert Zastrow Kontrollen, damit Wohnungen, die für Bedürftige vorgesehen sind, auch nur von diesen belegt werden. „Immer wieder wird Angst vor großer Wohnungsnot geschürt, eine Woba gegründet, die Sozialwohnungen bauen soll – dabei hätten wir kein Problem, wenn ordentlich kontrolliert würde.“ Das fordert Zastrow nun von Kaufmann. Die sagt, dass es zwar grundsätzliche bundesrechtliche Möglichkeiten gebe, gegen Vermieter oder Mieter bei einer Fehlbelegung vorzugehen. „Diese sind hier jedoch nicht anwendbar.“ Gegen eine nachträgliche Fehlbelegung gebe es laut Gesetz keine Handhabe. Wenn beispielsweise ein Dresdner als Student einen solchen Schein erhält, weil er wenig Geld hat, und als gut verdienender Professor noch immer in derselben Wohnung wohnen wolle, schütze ihn das Mietrecht.

Zastrow schlägt vor, dass niemand nach einer Prüfung seine Wohnung räumen muss, weil der Mieter nicht mehr berechtigt ist, darin zu wohnen. „Stattdessen könnten andere vergleichbare Wohnungen zu Unterkünften mit Wohnberechtigungsschein ausgewiesen werden. Der Mieter muss dann eben eine Fehlbelegungsgebühr zahlen.“ Das funktioniert laut Kaufmann aber auch nicht. Der Vermieter darf und muss sich laut Gesetz nur vor Beginn des Mietvertrages den Schein vorzeigen lassen. Danach darf er das nicht mehr. Deshalb könne eine mögliche Fehlbelegung nicht überprüft werden.

Zastrow verweist auf das Studentenwerk Dresden. Um im Studentenwohnheim eine Wohnung oder ein Zimmer zu bekommen, muss für jedes Semester die Immatrikulationsbescheinigung vorgelegt werden – auch, um dort wohnen zu bleiben. Ähnlich könnte die Verwaltung es handhaben, meint der FDP-Mann. Das sei aber nicht übertragbar, erklärt Kaufmann. „Für Studentenwohnheime gelten einige zentrale mietrechtliche Bestimmungen nicht.“ Anders als bei Sozialwohnungen.