Merken

„Gut und Böse wichtig für Märchen“

Am diesjährigen Weihnachtsstück gibt es Kritik. Schauspielchefin Dorotty Szalma äußert sich dazu.

Teilen
Folgen
© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.com

Von Jan Lange

Görlitz/Zittau. Vor der Premiere des Weihnachtsmärchens „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ macht ein Brief die Runde, in dem das Stück scharf kritisiert wird. Es stelle ausführlich das Böse dar, findet die Verfasserin, und sei deshalb für Kinder ungeeignet, ja sogar schädlich. Die SZ sprach mit der Zittauer Schauspielintendantin Dorotty Szalma über den Brief und ob die Kritik berechtigt ist.

Schauspielchefin Dorotty Szalmasieht das Stück vollkommen zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Schauspielchefin Dorotty Szalmasieht das Stück vollkommen zu Unrecht an den Pranger gestellt. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.com

Frau Szalma, in einem offenen Brief wird das diesjährige Weihnachtsmärchen als völlig ungeeignet für Kinder bezeichnet und die ausführliche szenische Darstellung des Bösen kritisiert. Ist diese Kritik berechtigt?

Die Geschäftsführung des Theaters hat den offenen Brief mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen. Ich selbst kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Michael Ende, von dem die Buchvorlage stammt, ist ein sehr bekannter Autor, der nicht umsonst weltberühmt ist, sodass seine Werke in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Das Buch wird von Verlegern empfohlen. Zudem gab es in den vergangenen Jahren schon mehrere Inszenierungen vom „Wunschpunsch“, unter anderem in so renommierten Häusern wie dem Hans-Otto-Theater Potsdam oder dem Salzburger Schauspielhaus. Und eine 52-teilige Zeichentrickserie ist bereits im Jahr 2001 im TV ausgestrahlt worden. Das müssten also alles Menschen sein, die sich irren. Ich denke, dass die Verfasserin des Briefes das Buch entweder völlig fehlinterpretiert oder sogar nie gelesen hat.

Aber in dem Stück kommen doch Zauberer und Hexe vor?

Ja, die Darstellung von Gut und Böse ist ein wichtiger Bestandteil eines Märchens. Michael Ende verstand es aber wunderbar, heikle und reelle Probleme wie beispielsweise Umweltvergiftung in einer zauberhaften und fantasievollen Geschichte so zu thematisieren, dass sie sowohl unterhalten wie auch wachrütteln – und das in jeder Altersstufe. Die Literaturvorlage wird als Lesestoff bereits ab der vierten Klasse in den Grundschulen empfohlen und die TV-Zeichentrickserie lief sogar ohne Altersbeschränkung. Auch die Besucherzahlen der bisherigen Inszenierungen sprechen eine klare Sprache: Allein zwischen 2013 und 2017 haben etwa 70000 Zuschauer den „Wunschpunsch“ gesehen.

Auch für das Zittauer Theater und sein Weihnachtsmärchen sind gute Besucherzahlen sehr wichtig. Hat der kritische Brief, der auch an Kitas und Grundschulen verschickt wurde, negative Auswirkungen?

Bisher können wir keine feststellen. Im Gegenteil. In Görlitz sind alle acht Termine seit geraumer Zeit ausverkauft. Kurzfristig wurde deshalb eine Zusatzvorstellung in Görlitz am 10. Dezember, um 14 Uhr, angesetzt. Auch in Zittau gibt es für viele Vorstellungen nur noch Restkarten. Wir haben aus diesem Grund auch hier eine zusätzliche Vorstellung ins Programm aufgenommen, am 16. Dezember, um 19.30 Uhr.

Wie haben Sie von dem Brief erfahren?

Eine Schauspielerin aus dem Ensemble hat mich darauf angesprochen, dass einige Eltern aus dem Kindergarten ihrer Tochter bezweifeln, dass der „Wunschpunsch“ kindgerecht sei. Es haben sich dann bei uns auch Erzieher gemeldet, die die gleichen Ängste und Bedenken äußerten. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir von dem Brief noch nichts. Der wurde uns erst später bekannt. Erzieher und Eltern, die noch Zweifel hegen, sind aber herzlich eingeladen, heute die öffentliche Generalprobe des Weihnachtsmärchens, um 18 Uhr, zu besuchen. Anschließend können sie mit dem Inszenierungsteam um Regisseurin Leila Müller und auch mit mir selbst über das Stück diskutieren. Es kann darüber hinaus eine kostenfreie Materialmappe bei unserem Chefdramaturgen Gerhard Herfeldt angefordert werden.

Im Vorjahr setzte das Theater die Altersempfehlung nachträglich hoch. Für welches Alter wird „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ empfohlen?

Wir empfehlen das Stück ab fünf Jahre. Aber das ist eben nur eine Empfehlung. Die Eltern haben auch eine Eigenverantwortung. Wenn beispielsweise ein kleines Kind schlecht auf Schüsse reagiert, sollte man mit ihm nicht zur Waldbühne Jonsdorf gehen. Genauso ist es beim Märchen.

Von der Verfasserin des Briefes wird gefordert, dass künftig auf traditionelle Weihnachtsmärchen zurückgegriffen werden sollte. Wie sehen Sie das?

Ich kann diese Forderung ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Wenn Märchen brutal sind, dann doch die klassischen. Schneewittchen wird vergiftet und im „Kalten Herz“ werden die Seelen geraubt. Es gibt kein Märchen, ob klassisch oder modern, das nicht Gut und Böse hat. Denn gäbe es das Böse nicht, worüber sollte das Gute dann am Ende triumphieren.

Premiere hat das Weihnachtsmärchen „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ am Sonnabend, um 18 Uhr. Danach sind bis Ende Dezember in Zittau weitere 23 Vorstellungen sowie in Görlitz neun Aufführungen geplant.