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Günstige Handarbeit

Selectrona geht nach Tschechien und bleibt doch in der Nähe. Wie das Dippoldiswalde und Glashütte nützt.

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© Steffen Neumann

Von Steffen Neumann

Dippoldiswalde/Glashütte. Fürs Löten gibt es bei der Selectrona GmbH im tschechischen Kostany einen Automaten. Doch der Rest ist Handarbeit. Die Kontaktfolien müssen vorher in das Kunststoffgehäuse eingelegt und danach von Lötrückständen befreit werden. An der nächsten Station steht Irena Kuncova im weißen Kittel. Mithilfe einer Maschine fügt sie das Gehäuse zusammen. Die Handgriffe bleiben den ganzen Tag die gleichen. „Am Ende führe ich bei jedem Teil noch eine optische Prüfung durch.“ Und fertig ist die Wegsensorik, ein wichtiges Bauteil in Differenzialgetrieben von Autos.

Direkt im Zentrum der Kleinstadt Kostany steht das Selectrona-Gelände. Daneben ist noch genug Platz zum Erweitern.
Direkt im Zentrum der Kleinstadt Kostany steht das Selectrona-Gelände. Daneben ist noch genug Platz zum Erweitern. © Steffen Neumann

Eine Fensterfront trennt die 2 000 Quadratmeter große Halle in der Kleinstadt nordwestlich von Teplice in zwei Teile: einen elektrostatischen Bereich, wo ausschließlich Teile für Getriebe hergestellt werden, und einen zweiten Bereich mit Spritzgussmaschinen für Kleinserien. Innen sieht es auf den ersten Blick aus wie in den sächsischen Werken in Reinholdshain und Schlottwitz: hell und sauber.

Die Automobilindustrie ist wichtigster Kunde von Selectrona. Für sie stellt der Mittelständler Metall-Kunststoff-Verbindungen her wie jene Wegsensorik. Die Produktpalette ist breit und reicht von einfachen Teilen bis zu komplexen Baugruppen mit integrierten Elektronikbauteilen und Kunststoffummantelung. Der Wettbewerbsvorteil von Selectrona: „Wir machen alles selbst, außer Galvanisierung“, sagt Geschäftsführer Werner Hainke. Selectrona baut ihre Werkzeuge und Gussformen selbst und verfügt über eigene Mess- und Prüftechnik. Damit ist die Firma flexibel für Kundenwünsche und kann, wenn nötig, kleine Stückzahlen produzieren. In der Branche ist das eine Lebensversicherung.

Das Werk in Kostany hat in diesem Gefüge eine wichtige Funktion. Selectrona hat 2013 begonnen, dorthin all jene Prozesse auszulagern, die aufgrund ihres hohen Handarbeitsanteils oder ihrer kleinen Stückzahl zu kostenintensiv geworden sind. „Auf diesem Gebiet konnten wir preislich nicht mehr mithalten“, erzählt Hainke. Als Automobilzulieferer steht Selectrona im globalen Konkurrenzkampf. Um seine Marktstellung nicht zu verlieren, machte sich auch Selectrona auf die Suche nach einem neuen Produktionsstandort. Die rot-weiße Werkhalle in dem 3 000-Einwohner-Ort steht zentral an der Hauptstraße. Von draußen ist nichts zu hören und nichts zu riechen. „Das war unsere Bedingung, sonst hätten wir der Ansiedlung nicht zugestimmt“, sagt Bürgermeister Tomas Svada. Er ist allerdings auch froh, dass sich Selectrona für Kostany entschieden hat. Die Reinholdshainer sind mit 80 Beschäftigten größter Arbeitgeber. Viele der Angestellten kommen aus dem Ort. Das Umfeld etwas abseits der großen Zentren erinnert an die Selectrona-Standorte in Sachsen. „Das hat auch Vorteile, zum Beispiel, dass die Konkurrenz um Arbeitskräfte nicht so hoch ist“, sagt Geschäftsführer Hainke. Den Ausschlag für Kostany gab aber am Ende ein anderer Grund.

„Wir haben mehrere Standorte gesichtet, in Rumänien, der Ukraine, auch hier in Tschechien“, sagt Hainke. Doch keiner war so nah wie Kostany. Nach Reinholdshain sind es knapp 40 Minuten Fahrtzeit. Selectrona musste Bereiche wie Vertrieb und Controlling nicht doppelt aufbauen und konnte gleichzeitig die Kostenvorteile nutzen. Die Nähe vereinfacht auch die Logistik. Diese Entfernung schaffen sogar die Elektroautos der Firma. Wie viel die Mitarbeiter in Kostany verdienen, lässt das Unternehmen offen. Aber der Einkommensunterschied zwischen Sachsen und Böhmen ist laut tschechischem Statistikamt immer noch hoch. Das Durchschnittsgehalt lag im dritten Quartal im Bezirk Usti bei 24 917 Kronen, das sind umgerechnet 922,85 Euro brutto und unteres Mittelfeld in Tschechien. In Inseraten von Jobagenturen bietet Selectrona für einfache Produktionsarbeiter im Drei-Schicht-System bis zu 15 000 Kronen (560 Euro). Für Hochschulabsolventen mit Berufserfahrung sind je nach Jobangebot als Einstiegsgehalt zwischen 20 000 und 25 000 Kronen möglich.

Die Verlagerung ins kostengünstige Ausland ist schmerzlich, doch für die Selectrona-Standorte in Reinholdshain und Schlottwitz hat sie sich ausgezahlt. Gussformen, Vorrichtungen und Werkzeuge für Kostany werden in Sachsen gebaut. Bis 2016 konnte Selectrona so zusätzliche Aufträge im Wert von 3,7 Millionen Euro sichern. Diese Zahl dürfte in den kommenden Jahren noch steigen. Selectrona will sein Werk in Kostany erweitern. Bis zu 10 000 Quadratmeter haben sich die Reinholdshainer gesichert. Am Ende könnten in Kostany bis zu 600 Menschen für den Mittelständler arbeiten. An der Ausrichtung ändert sich aber nichts. Die voll automatisierten Bereiche und der Betriebsmittelbau sowie die Verwaltung bleiben in Sachsen.