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Grundel macht sich in der Elbe breit

Ein aus Südosteuropa eingewanderter Fisch sorgt unter Anglern für Aufregung. Zu Recht?

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© Bernd Settnik/dpa

Von Stefan Lehmann

Riesa. Sie kam vermutlich als blinder Passagier aus dem Schwarzen Meer nach Mitteleuropa, besiedelte erst den Rhein und später auch die Oder. Nun macht sich die Schwarzmundgrundel auch in der Elbe breit – und hat auch längst Riesa erreicht.

Bis vor wenigen Jahren kannte kaum ein heimischer Angler den bis zu 25 Zentimeter langen Fisch. Mittlerweile hat sich das geändert. Sonderlich beliebt ist die zugewanderte Art allerdings nicht bei ihnen. Dem Chef des Riesaer Anglerverbandes Maik Rühle entfährt erst einmal ein Lachen, als er auf das Thema angesprochen wird. „Die Sitzangler sind auf die Grundel nicht gut zu sprechen“, sagt er.

Wenn man auf größere Fische aus sei und ständig eine kleine Grundel am Haken hänge, sei das auch verständlich. Viele Angler halten die Schwarzmundgrundel schlichtweg für lästig, sagt Rühle. Außerdem fürchten die Angler, dass die Grundeln auch ganz direkt den Fischbestand bedrohten. Etwa, indem sie anderen Arten das Futter und den Laich wegfressen. Und die Raubfische hätten sich noch nicht wirklich auf die Grundel eingestellt. „Erst in zwei, drei Jahren wird die Sache kippen, dann haben die Räuber die Grundel als Zielfisch ausgemacht“, vermutet Rühle.

Wie drastisch wird die Grundel das Ökosystem Elbe verändern? Christian Wolter sieht die Sache etwas besonnener als mancher Angler. Wolter arbeitet am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin und hat über Jahre beobachtet, wie sich die Schwarzmundgrundel in der Oder ausgebreitet hat. „Dort wanderte der Fisch flussaufwärts – im Schnitt zwölf Kilometer im Jahr.“ An der Elbe könnte die Verbreitung zügiger gehen, weil sich die Fischlarven mit der Strömung treiben lassen. Offiziell ende das Verbreitungsgebiet bei Dresden, sagt Wolter. „Aber einzelne Exemplare sind auch schon in Mühlberg gefunden worden.“

Dass sich Räuber erst auf den Neuankömmling einstellen müssen, hat Christian Wolter nicht beobachtet. „Raubfische sind Opportunisten. Wenn eine Art häufig da ist, wird sie auch gefressen.“ Aber ein Lauerjäger wie der Hecht treffe eben auch seltener auf einen Fisch, der wie die Grundel ein kleines Revier in Ufernähe abschwimmt. „Barsch und Zander haben dagegen keine Probleme mit ihr.“ Ein klassischer Laichräuber sei die Grundel auch nicht.

In gefangenen Tieren habe man nur sehr selten Laich und Schuppen kleiner Fische gefunden. In erster Linie ernähre sich die Grundel von Kleinstlebewesen wie Insektenlarven, Schnecken und Muscheln. Die größten Überschneidungen gebe es noch mit der Quappe. „Wahrscheinlich frisst der Aal deutlich mehr Laich als die Grundel.“ Bisher jedenfalls gebe es noch keine Daten, die einen Zusammenhang zwischen der Grundel und zurückgehenden Fischbeständen nahelegen.

Folgenlos sei die Einwanderung der Grundel trotzdem nicht. Denn sie könne „das Nahrungsnetz kurzschließen“, sagt der Biologe. In der Danziger Bucht, wo das Tier schon länger heimisch ist, sind die Grundeln wohl mitverantwortlich dafür, dass der Zander nicht mehr verzehrt werden darf. „Die Grundel frisst mit Vorliebe Muscheln, die wiederum viele Schadstoffe aus dem Wasser filtrieren. Die Grundel wiederum wird vom Zander gejagt.“ In den Raubfischen lagern sich dann über Jahre die Schadstoffe an. Vor Einwanderung der Grundeln hätten die Muscheln keine so zahlreichen Fressfeinde gehabt, die Giftstoffe gelangten nicht erst in den Zander.

Dass sich die Grundel nach Oder und Rhein nun auch in der Elbe breitmacht, ist aus Sicht des Biologen nur logisch. Denn der anpassungsfähige Fisch, der sich in Salz- und Süßwasser wohlfühlt, sei im Grunde ein Zivilisationsfolger. Er profitiere vom Ausbau der Flüsse zu Wasserstraßen. „Bei der Grundel sind die Bauchflossen zu Saugflossen verwachsen. Damit widersteht sie den durch Schiffe erzeugten Wellenbewegungen besser, als andere Arten.“

Außerdem seien die künstlich angelegten Steinschüttungen ideale Laichgebiete für sie. „Das ist sozialer Wohnungsbau für die Grundeln.“ Das zeigen auch Wolters Forschungen entlang der Oder. „Dort, wo wir eher Sandufer, Kies und Bunen haben, fällt es den Grundeln deutlich schwerer, sich auszubreiten.“ Da lege der Fisch auf einmal nur noch 2,5 statt zwölf Kilometer im Jahr zurück. „Es wäre interessant zu sehen, ob das in der Elbe auch der Fall ist.“ Denn die sei ebenfalls noch nicht so stark ausgebaut.

So oder so werden sich die Angler aber darauf einstellen müssen, dass künftig öfter eine Grundel an der Angel zappelt. Immerhin: Nutzloser Beifang ist sie nicht. „Ich hatte selbst noch keine, aber sie soll ganz gut schmecken“, sagt Angler-Chef Maik Rühle. Das übrigens kann sogar der Biologe bestätigen: Die Schwarzmundgrundel sei ein ausgezeichneter Speisefisch – und dazu noch so gut wie grätenfrei.