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Protest gegen Atom-Bauschutt

1.500 Menschen demonstrieren in Grumbach gegen Deponiebetreiber, Behörden und den Umgang mit Abbruch aus Kernkraftwerken.

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© Karl-L. Oberthür

Von Annett Heyse

Die Schilder sagen eigentlich alles: „Wir strahlen auch ohne Atommüll“ oder „Kein Atommüll neben unseren Gärten“. Dazwischen immer wieder das Sinnbild der Anti-Atom-Bewegung: die Sonnenblume mit dem „Atomkraft? Nein Danke!“-Spruch. Die Protestbewegung, bisher ein eher westdeutsches Phänomen rund um Castor-Transporte und Endlager Gorleben, ist in Grumbach angekommen und hat am Sonnabend rund 1.500 Menschen auf die Straße getrieben.

Es wurden Unterschriften gegen die Transporte gesammelt.
Es wurden Unterschriften gegen die Transporte gesammelt. © Karl-L. Oberthür
Die Demonstranten errichteten ein Holzkreuz .
Die Demonstranten errichteten ein Holzkreuz . © Karl-L. Oberthür

Sie demonstrierten gegen den Deponie-Betreiber Amand, gegen die Behörden und den Umgang mit den Hinterlassenschaften der Kernenergie. Und sie demonstrieren, weil sie sich getäuscht fühlen. „Wir wurden verraten“, bringt es Ludwig Hahn, Stadtrat aus Grumbach und einer der führenden Köpfe bei der Interessengemeinschaft „Keine Deponie am Tharandter Wald“ auf den Punkt. Sodann errichten die Demonstranten gegenüber der Betriebseinfahrt ein großes Holzkreuz – wie schon 2009, als die Menschen der Region gegen die Erweiterung der Sondermülldeponie kämpften, damals mit Erfolg. „Es ist ein Zeichen unserer Ängste, unserer Sorgen und unseres Schmerzes“, sagt Pfarrer Volker Geisler. Dabei hatte man im März 2010 noch gehofft. Vor vier Jahren wurde den Erweiterungsplänen für die Sondermülldeponie eine Absage erteilt. Seitdem wird das gigantische Loch am Ortsrand verfüllt. „Von den Behörden wurde uns damals versprochen, die Deponie mit weniger gefährlichen Stoffen zu füllen“, berichtet Hahn.

Doch diesen Sommer wurde bekannt, dass hier bis zu 2.000 Tonnen Bauschutt aus dem Atomkraftwerk Stade eingelagert werden sollen. Nur durch Zufall erfuhr die IG davon und lancierte entsprechende Behördenschreiben an die Medien. Seitdem ist es mit der Ruhe um die Grumbacher Deponie wieder einmal vorbei. Die Amand Umwelttechnik hat inzwischen entschieden, nur noch 700 Tonnen verkippen zu wollen – diese waren bereits mit dem Kraftwerksbetreiber E.on vertraglich vereinbart. Am vergangenen Dienstag wurde die erste Fuhre angeliefert. Und während noch die sächsischen Umweltbehörden mit einer groß angelegten Schaumessung nachwiesen, dass der Schutt die Strahlendosis von zehn Mikrosievert pro Jahr nicht überschreite, liefert das niedersächsische Umweltministerium den vielen Skeptiker in Grumbach neuen Gesprächsstoff.

Denn im Reaktor von Stade muss irgendwann Kondenswasser atomar verseucht worden sein. Dieses Wasser ist sodann in den Betonsockel des Reaktors eingedrungen. Das war dem Umweltministerium in Hannover seit Frühjahr 2014 bekannt, wurde aber erst am Dienstagabend öffentlich zugegeben. Kein Wunder, dass nun viele Demonstranten sagen: „Die Bevölkerung wird doch verarscht.“

Und viele ahnen auch, dass die Demo in Grumbach nur der Auftakt sein könnte. Denn mit dem Ausstieg aus der Atomenergie sind in Deutschland über 20 Kernkraftwerke abzureißen. Das sind Millionen Kubikmeter Beton. Wohin damit? „Das ist ein ungelöstes gesamtdeutsches Problem – und dies ist erst der Anfang“, kommentiert Jens Heinze aus Tharandt, der dort das Umweltbildungshaus Johannishöhe leitet. Die Tharandter, die seit Jahren mit den Grumbachern gemeinsam gegen die Deponie kämpfen, haben nun im Stadtrat eine Resolution verabschiedet. „Das Vorhaben, Bauschutt aus dem AKW Stade und möglicherweise in der Folge auch aus dem Rückbau weiterer AKW in Grumbach einzulagern, übersteigt das Maß des Erträglichen. Wir fordern eine standortnahe Deponierung. Ein Transport über Hunderte Kilometer verschwendet weitere Ressourcen und wird von uns abgelehnt“, heißt es darin.

Bei E.on muss man sich nun auf die Suche nach einer anderen Deponie machen. „Zwar liegt uns noch kein aktuelles Schreiben der Firma Amand vor. Wenn es aber wirklich bei den 700 Tonnen bleibt, müssen wir das akzeptieren“, sagte Sprecherin Almuth Zyweck. Dass aber Stoffe aus dem Problem-Reaktorsockel auf Deponien gelangen könnten, sei ausgeschlossen. Zyweck: „Dieses Gebäude wird zunächst dekontaminiert und verstrahlte Gebäudeteile werden in ein Endlager gebracht.“ Erst dann beginne der Rückbau. In Grumbach will man weiter Druck machen, dass nicht noch mehr solcher Bauschutt auf die Deponie am Dorfrand gelangt. Ludwig Hahn: „Wir warten jetzt mal und schauen, wie Amand und E.on reagieren. Dann planen wir weitere Aktionen. Diese Demonstration ist noch nicht das Ende.“