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Grünes Gedenken

In Pirna gibt es mehrere Luther-Eichen. Doch im Jahr des Reformationsjubiläums sind sie fast völlig in Vergessenheit geraten.

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© Rainer Rippich

Von Rainer Rippich

Pirna. Eine Mitteilung im Pirnaer Anzeiger ermunterte die Bürger der Stadt in diesem Frühjahr, zur 500. Wiederkehr der Reformation eine Tradition fortzusetzen und „Lutherbäume“ zu pflanzen. Oder das Pflanzen solcher Bäume mit einer Spende zu unterstützen. In diesem Jahr wird der Theologe und Reformator Dr. Martin Luther (1483–1546) landauf und landab, nicht nur von protestantischen Christen, geehrt.

Die Luthereichen von Pirna

Die im Jahr 1817 gepflanzte Luthereiche „Am Wasserwerk“.
Die im Jahr 1817 gepflanzte Luthereiche „Am Wasserwerk“.
Das sanierte Sühnekreuz im Kreuzgarten von Pirna.
Das sanierte Sühnekreuz im Kreuzgarten von Pirna.
Da war der Kreuzgarten noch gepflegt: Blick von den Anlagen über die Stadt in Richtung Elbe.
Da war der Kreuzgarten noch gepflegt: Blick von den Anlagen über die Stadt in Richtung Elbe.
So sah die 1889 vom Verschönerungsverein errichtete Treppenanlage im Kreuzgarten im Jahr 1902 aus.
So sah die 1889 vom Verschönerungsverein errichtete Treppenanlage im Kreuzgarten im Jahr 1902 aus.
Das Pirnaer Messtischblatt von 1915 zeigt den Standort der „König-Albert-Eiche“ in der Viehleite.
Das Pirnaer Messtischblatt von 1915 zeigt den Standort der „König-Albert-Eiche“ in der Viehleite.

Das Setzen von Eichen wird in Pirna anlässlich von Jubiläumsfeiern seit Jahrhunderten praktiziert, nicht nur für Martin Luther. Meist pflanzte man sie an geschichts-
trächtige Orte der Stadt. Die Geschichte einiger dieser Eichen ist, obwohl sie zum Stadtbild gehören, schlichtweg wieder vergessen worden. Das ist schade, könnte man doch in diesem Zusammenhang die noch vorhandenen Eichen als Naturflächendenkmale nicht nur auflisten, sondern auch den Anlass ihres Setzens vor Ort beschreiben. Damit würde eine spezifische und lange Kulturtradition der Stadtgeschichte fortgesetzt.

Einen Höhepunkt erreichte das Pflanzen von Eichen in jüngster Zeit im Jahr 1989, als in unzähligen Orten „Einheitseichen“ gesetzt wurden. Ausführlich soll hier allerdings an die imposanten Feiern zum 300-jährigen Jubiläum der Reformation vom 31. Oktober bis zum 3. November 1817 in Pirna erinnert werden.

Jubelschüsse für Luther

Eröffnet wurde der erste Festtag mit Glockengeläut, Böllerschüssen, dem Gesang des Liedes „Eine feste Burg ist unser Gott“ sowie mit Trompeten- und Paukenschall vom Schlossberg. Es folgten der Festzug in die Marienkirche und ein anschließender Festgottesdienst. Der zweite Feiertag begann mit einem Kirchenzug, Gottesdienst und der Konfirmation, am dritten Feiertag schließlich bildete das Abendmahl unter Teilnahme von 263 Personen den Höhepunkt. Am Nachmittag hielten die Bürgerkompanien und das Schützenkorps auf der sogenannten Haabe vor dem Schifftor, wo sich damals der Schießstand und das Schießhaus befanden, ein großes Jubelschießen ab. Die Stadtkirche erhob das Reformationsfest zum Volksfest. Zur dauerhaften Erinnerung an das große Jubel- und Dankesfest wurden auf dem Schießplatz drei Eichen gepflanzt. Andere Quellen sprechen von vier Eichen, von denen zwei bald eingingen und eine in den 1870er-Jahren wegen starker Beschädigung beseitigt werden musste. Eine dieser Eichen steht heute noch, die bekannte Luthereiche am Aufgang zur Elbleite.

Eine weitere große Lutherfeier gab es in Pirna 66 Jahre später. In den Tagen vom 9.  bis 11. November 1883 fand anlässlich des 400-jährigen Geburtstages des Reformators ein Fest unter allgemeiner Beteiligung der Bevölkerung statt. Neben Gottesdiensten, Schulfeiern und prächtiger Illumination war die Pflanzung einer Luthereiche in den Parkanlagen auf der oberen Albertstraße, der heutigen Dr.-Wilhelm-Külz-Straße, ein Festtagspunkt. Vier Jahre später setzte der Verschönerungsverein eine Sandsteineinfriedung und ein schmiedeeisernes Geländer um die Luthereiche. Nach einem Festgottesdienst wurde im Garten der Anstalt Sonnenstein eine weitere Luthereiche gepflanzt.

Friedenseiche im Kreuzgarten

Oberhalb der Restauration „Schützenhaus“, dem späteren Hanno-Günther-Heim, befanden sich einst zwei hochwertige Sandsteinbrüche, deren grobkörniger harter Sandstein im Pirnaer Baugewerbe willkommen war. Später legte man die Steinbrüche still, und im April 1870 begann die Umgestaltung des Areals zu einer beliebten und schönen Gartenanlage, dem Kreuzgarten. An der Ostkante des ersten Steinbruches stand einst ein Sühnekreuz, welches wohl für einen plötzlich aus dem Leben gerissenen Menschen errichtet wurde und der Anlage den Namen gab. Dieses 1949 zerstörte Sühnekreuz wurde im Jahr 2009 saniert und in unmittelbarer Nähe des alten Standortes wieder errichtet.

Für die Umgestaltung der Steinbrüche zu einer Parkanlage brauchte man in Pirna keine berühmten Männer wie Antoni Gaudí oder César Manrique, sondern besaß im hiesigen Verschönerungsverein Persönlichkeiten, welche die Stadt umfassend mit ihren Ideen verschönerten. Pirna entwickelte sich dadurch zu einem der begehrtesten Tagungs- und Veranstaltungsorte Sachsens. Der genannte gemeinnützige Verein konstituierte sich am 21. September 1869 und schuf bis 1926 unter anderem Anlagen und Wege, die von der Viehleite bis kurz vor Obervogelgesang führten.

Von der sogenannten kleinen Bastei im Kreuzgarten, auch Kanzel genannt, hatte man eine herrliche Fernsicht. Der Blick reichte bis ins Gottleubatal und übertraf damit die Aussicht von der Schloßschänke. Bequeme Bänke luden überall zum Ausruhen ein, alte Gesimse und verschiedene Säulen, die vom alten Hoftheater aus Dresden stammten, standen am Hang.

Ein Jahr später verlängerte man den Weg zum sogenannten Kaiserplatz, einem ebenfalls aufgelassenen Sandsteinbruch. Der Kreuzgarten mit seinen Anlagen und Wegen wurde ständig erweitert und ausgebaut. Mit dem Kaiserplatz besaß er einen beliebten zentralen Treffpunkt. Hier traten Volksgruppen zu Tanz und Chorgesang auf und es fanden Gottesdienste unter freiem Himmel statt.

Einen Höhepunkt bildete das Setzen einer „Friedenseiche“ am Nachmittag des 21.  Mai 1871. Zur Feier des Kriegsendes zwischen Deutschland und Frankreich erfolgte auf dem sogenannten Kaiserplatz im Kreuzgarten das Einpflanzen einer „Friedenseiche“, die im Jahr 1991 noch grünte.

Bäume für den König

Im ganzen Land stand das Jahr 1889 im Zeichen des 800-jährigen Regierungsjubiläums des Königshauses Wettin. Auch Pirna bildete keine Ausnahme und feierte dieses Fest ehrenhaft. Am Abend des 15. Juni begann es mit einem Festgeläut und setzte sich am nächsten Tag mit Festmusik des Artillerietrompetercorps auf dem Markt und auf dem Platz vor dem „Schwarzen Adler“ fort. Gleichzeitig feuerten Soldaten der Artilleriegarnison an der Elbe 101 Kanonenschüsse ab. Die ganze Stadt glänzte in reichem Fahnen- und Blumenschmuck. Nach dem gemeinsamen feierlichen Kir-chenzug unter Glockengeläut fanden Festgottesdienste in der Stadtkirche statt. Anschließend führte ein Festzug zum Kreuzgarten, wo der Bürgermeister mit einer Festrede das Setzen der „Wettin-Eiche“ veranlasste. Das Besondere daran war, dass die Eiche extra aus dem Wald der Stammburg der Wettiner bei Halle an der Saale bezogen wurde. Das weitere Gedeihen der Wettin-Eiche oblag einer besonderen Fürsorge der Stadtverwaltung.

Die Feierlichkeiten zum 800-jährigen Jubiläum setzen sich noch in den nächsten zwei Tagen fort und gestalteten sich zu einem Volksfest für Jung und Alt. Sie wurden von beiden Konfessionen der Kirche, den hiesigen Vereinen, den Schulen und Militärangehörigen gleichermaßen unterstützt. Der Verschönerungsverein hatte aus diesem Anlass eine Treppenanlage im Kreuzgarten errichten lassen. Im Jahr 1890 setzte der Verschönerungsverein den Ausbau im Kreuzgarten fort. So pflanzte man eine Anzahl buntblättriger Eichen, die man aus Tharandt bezog.

Leider fielen sämtliche Anlagen des Kreuzgartens im Laufe der Zeit unter anderem dem Bau von Abwasser- und Versorgungsleitungen Anfang der 1960er-Jahre zum Opfer. Auf den Erhalt der Kreuzgartenanlage wurde kein Wert gelegt. Immerhin haben die buntblättrigen Eichen, die heute in der verfallenen und verwilderten Anlage üppig gedeihen, alle Zerstörungen überlebt und sind erhaltenswert.

Wer dennoch einen Aufstieg zum Kreuzgarten wagen möchte, der sollte entlang des ehemaligen Gasthofes „Goldener Engel“ beginnen, der sich rechts neben der heutigen Veterinär-Praxis am Hausberg befand. Hier treffen wir noch auf ein kurzes historisches Wegstück, welches damals von der Promenade weitergeführt wurde. Der Trampelpfad endet an der Bundesstra-ße B 172, einer 1902 in dieser Form gebauten Straße. Nach Überquerung der Bundesstraße rechts aufwärts dem Trampelpfad folgend, befinden wir uns im ehemaligen Kreuzgarten. Die erste Linkskurve führt uns dann in den vorderen Steinbruch, einem Dickicht von Eichenbaumbeständen. Heute hat die Gegend nur noch den Charme eines zerstörten, verlassenen und ungepflegten Gebietes. Man kann nur hoffen, dass der Kreuzgarten, das Stiefkind der Pirnaer Parkanlagen, bald eine Renaissance erfährt, ähnlich der gelungenen Anlagen unterhalb der Festung Sonnenstein.

Vielleicht könnte die von der Stadt angedachte Pflanzung der Lutherbäume im Kreuzgarten erfolgen und damit die Sanierung dieser Anlage einläuten. Die Außenanlagen des Schlosses Sonnenstein, der Kreuzgarten bis hin zur Viehleite würden damit eine Einheit im Sinne des ehemaligen Verschönerungsvereins bilden.

König-Albert-Eiche in der Viehleite

Im Jahr 1909 nahm der Verschönerungsverein die schon länger geplante Verlängerung des Promenadenweges vom Kreuzgarten zur Viehleite in Angriff. Der geschaffene Promenadenweg führte als oberster Weg in der Viehleite bis hin zur Abendrothgrotte, die nach dem Apotheker und Vorsitzenden des Verschönerungsvereins, Abendroth, benannt wurde. Von hier ging es anschließend zum Waldwärterhaus, wo man früher auch einkehren konnte. Nicht zu vergessen ist der Aussichtspunkt Wettin-Höhe. Spaziergänge in die Viehleite waren beliebt und durchaus ein großes Erlebnis für die Familie. Man findet einige dieser angelegten Wege und Aussichtspunkte in diversen älteren Stadtplänen von Pirna.

Auch im Zusammenhang mit der Wege-Erschließung in der Viehleite wurde ein Erinnerungsbaum gepflanzt. Diese sogenannte König-Albert-Eiche gibt es heute noch. Der sicherste Weg zu ihr führt von Pirna aus entlang des Hauptweges der Viehleite in Richtung Rottwerndorf. Wenn von links oben die ehemalige Rodelbahn, die in der Wintersaison 1907/08 in Betrieb genommen wurde, den Hauptweg kreuzt, ist die mächtige Eiche an der Kurve nicht zu übersehen. In Pirna verehrte man den sächsischen Monarchen sehr. Ihm zu Ehren gab es außerdem eine Albert-Straße, ein Albert-Denkmal und eine Albert-Kaserne. Nur die Alberteiche hat alle gesellschaftlichen Veränderungen überstanden.

Rücksichtslose forstwirtschaftliche Aktivitäten verursachten in den vergangenen Jahren in der Viehleite, der „Grünen Lunge“ Pirnas, erhebliche Naturschäden. Wenn der rigorose Holzeinschlag in der Viehleite so weitergeht, sollte vorsichtshalber diese Eiche unbedingt als Naturdenkmal gelistet, geschützt und öffentlich gekennzeichnet werden.