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Grüne Zukunft für das alte Gewandhaus

Der Wiederaufbau am Neumarkt ist vom Tisch. Die Ideen für die Fläche kommen dennoch nicht ohne Geschichte aus.

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© Visualisierung: Rehwaldt Landschaftsarchitekten

Von Lars Kühl

Das Alte Gewandhaus kehrt auf den Neumarkt zurück – nicht aus Steinen, sondern aus Bäumen. Seit 1791 war die Stelle am westlichen Neumarkt unbebaut, gehörte als öffentlicher Platz den Dresdnern bei ihrer Flaniererei im Schatten der Frauenkirche. Geht es nach der Gesellschaft Historischer Neumarkt, soll das auch so bleiben, denn das Alte Gewandhaus ragte als rechteckiger Klotz in den Platz hinein und zerstörte so dessen Raumwirkung.

Auf Dresdens Neumarkt stand im Jahre 1750 an gleicher Stelle das alte Gewandhaus (links im Bild). Das längliche Gebäude vor der Frauenkirche am rechten Bildrand der historischen Ansicht ist die Hauptwache.
Auf Dresdens Neumarkt stand im Jahre 1750 an gleicher Stelle das alte Gewandhaus (links im Bild). Das längliche Gebäude vor der Frauenkirche am rechten Bildrand der historischen Ansicht ist die Hauptwache. © Zeichnung: Radierung von Canaletto
© Grafik: SZ

Schon einmal verhinderten die Bürger eine Neubebauung des Areals. 2007 hatte es einen Wettbewerb gegeben, den ein Architekturbüro mit seinem modernen Entwurf, der auf Glas und Putz setzte, gewann. Doch der Vorschlag wurde vehement abgelehnt, so dass der Stadtrat vor sechs Jahren beschloss, die Fläche doch frei zu lassen.

Nun soll lediglich der Gebäudekubus nachgebildet werden – mit Bäumen. Das war das Ergebnis der Dresdner Debatte von 2010. Landschaftsarchitekt Till Rehwaldt legte ein Jahr später einen Entwurf vor, der 2017 umgesetzt werden soll. Das erklärt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) jetzt. „Die Kosten sind im städtischen Haushalt gedeckt.“ 750 000 Euro beträgt die Summe. 5 000 Euro davon stammen aus dem Landeswettbewerb „Ab in die Mitte 2015“. Mit seinem Beitrag „Vom Tuchmarkt zum Grünen Gewandhaus“ bekam Dresden einen Anerkennungspreis, den Schmidt-Lamontain im Januar überreicht bekam. Außerdem stehen Spenden für Bänke und Bäume bereit, sagt er.

Rehwaldts Idee sind 28 Platanen, die in Doppelreihe u-förmig so wachsen sollen, dass sie in ihrer Gesamtheit wie eine nach hinten offene Halle wirken. Die Bäume könnten später regelmäßig beschnitten werden, damit diese Form von Dauer ist. Unter ihren Kronen wäre es hell, die Wirkung als Platz bleibe somit erhalten, erklärt Rehwaldt. Er hatte sich von Baumreihen am Champs-Elysèes in Paris oder am Stadtplatz von Dublin inspirieren lassen. Blumenbeete oder Rasenflächen schloss er von vornherein aus.

Am Boden der „Baumhalle“ plant der Landschaftsarchitekt unterschiedlich ausgerichtete Steinplatten, alle mit anderer Struktur und Farbe. Sie sollen an Tuchbahnen und damit an die Waren erinnern, die jahrhundertelang unter anderem im Gewandhaus gehandelt wurden. Außerdem wären die Platten ein optischer Kontrast zu den Pflastersteinen des Neumarkts.

Ein Stück Zwingermauer, der mittelalterliche Befestigungswall, dessen Überreste bei Ausgrabungen entdeckt wurden, soll ebenfalls dargestellt werden. Auf seinem Verlauf wird ein langer Sitzblock mit einem Trinkbrunnen gestaltet. Rehwaldt will mit seinem Mini-Park den Aufenthalt am Neumarkt mit der Frauenkirche als Blickfang im historischen Stadtzentrum entspannter machen. „Das Erdgeschoss dieses grünen Stadthauses wird gleichzeitig zum Treffpunkt und Ruheplatz.“

Als der namensgebende Ursprungsbau noch stand, waren eher geschäftiges Treiben und Verkaufstrubel an der Tagesordnung. Das erste Gewand- oder Kaufhaus Dresdens war noch an der Nordseite des Altmarkts platziert und wurde bereits 1295 erwähnt. Da dort aber zunehmend Ratsgeschäfte abgewickelt wurden, suchte der Stadtrat ein neues Zentrum für Jahrmarkttage – und fand es im 15. Jahrhundert in der leer stehenden Synagoge am Jüdenhof. Damals lagen das Gebäude und der Platz, denn genau das war der Jüdenhof noch, an der westlichen Festungsmauer, nördlich des Frauentores, mitten im jüdischen Viertel. Als die Juden 1411 enteignet worden waren, hatte die Synagoge ihre Bedeutung verloren (Dresdner Geschichtsbuch, Band 13). Im benachbarten Judenhaus wurden damals schon Tuchwaren gehandelt.

Zwischen 1519 und 1529 wurde der Befestigungswall nach Osten hin ausgebaut und um die Frauenvorstadt erweitert. Kurz darauf wurden auch die mittelalterliche Stadtmauer und die Befestigung bis zur Frauenkirche abgebaut, der alte Graben wurde zugeschüttet. Dresden hatte einen neuen zentralen Platz – den Neumarkt mit seinen heutigen Dimensionen. Der Jüdenhof gehörte dazu. Das Kauf- oder Gewandhaus war zwischen 1525 und 1544 gebaut und erweitert worden. Plötzlich befand es sich mitten im Zentrum. In den Obergeschossen lagerten und verkauften die Tuchmacher ihre Stoffe, im Erdgeschoss wurden Fleischbänke eingerichtet, an denen städtische Fleischer ihre Waren feilboten.

1590 ordnete Kurfürst Christian I. allerdings den Abriss des Rathauses am Altmarkt an. Das neue sollte anstelle des Gewandhauses zwischen Frauengasse und Jüdenhof am Neumarkt errichtet werden. Zeugmeister Paul Buchner erhielt 1591 den Auftrag. Nach Christians Tod im selben Jahr drängt der Stadtrat darauf, das Rathaus am Altmarkt wegen Finanznot stehen zu lassen. Das Gebäude am Neumarkt wurde bis 1593 als Gewandhaus zu Ende gebaut. Im Untergeschoss befand sich neben Schuh- und Fleischbänken der Ratskeller, oben zudem ein großer Saal für die Tuchverkäufer, in dem es auch Feste und Theateraufführungen gab.

Als die Preußen 1760 während des Siebenjährigen Krieges Dresden bombardierten, wurde auch das Alte Gewandhaus getroffen. Zwischen 1768 und 1770 wurde das „Neue“ an der damaligen Kreuzgasse gebaut. Dort steht der Bau im Spätbarock-Stil heute noch zwischen Kreuz-, Ring- und Gewandhausstraße.

Das „Alte“ wurde ab 1791 abgerissen. Das einstige Renaissance-Gebäude war nur noch eine Ruine. 1805 erklärte der Rat der Stadt das Grundstück zum öffentlichen Platz. Der Neumarkt bekam sein barockes Gesicht, das bis zu den Bombennächten 1945 Bestand hatte. Heute soll es durch die voranschreitende Rekonstruktion wieder zu altem Lächeln gebracht werden. Eine grüne „Baumhalle“ wird dazu beitragen.

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