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Grüne Stadt lässt Raritäten zählen

Ehrenamtlich schaut sich Ulrich Bänsch aus dem Nachbarort jeden Baum der Stadt Roßwein an – zweimal sogar. Dabei ist ihm eine Vorliebe aufgefallen.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Roßwein. Wer nach den Vorzügen Roßweins gefragt wird, der kommt meist schnell auf das landschaftlich schöne Umfeld zu sprechen. Die vielen Bäume, besonders auf dem Hartenberg und in Richtung Etzdorf, gehören dazu. Damit das so bleibt, will Roßwein wertvolle Bäume als besonders geschützte Landschaftsbestandteile ausweisen lassen. Unter Schutz stehen die meisten Bäume schon allein durch eine Baumschutzsatzung, die auch Roßwein hat.

Ulrich Bänsch aus Etzdorf ist Kreisnaturschutzbeauftragter und Vorstandsmitglieder im regionalen Naturschutzbund.
Ulrich Bänsch aus Etzdorf ist Kreisnaturschutzbeauftragter und Vorstandsmitglieder im regionalen Naturschutzbund. © Archiv/Dietmar Thomas

„Um einen Schutz obendrauf geht es nicht“, sagte Ulrich Bänsch im Technischen Ausschuss. Der Rentner hat im Ehrenamt die Erfassung sämtlicher großer Bäume in Roßwein und den Ortsteilen übernommen. Dem Ausschuss stellte er den Arbeitsstand vor. Schon dabei wurde deutlich, welches Pensum der pensionierte Diplom-Ingenieur schon hinter, aber auch noch vor sich hat. In ungefähr einem Jahr will er zum Abschluss gekommen sein und eine komplette Erfassung vorlegen. Und dazu gehört für den gewissenhaften Etzdorfer nicht nur eine Standort- und Baumbeschreibung. Erstmals hat er zu jedem Baum die Geodaten notiert und alles kartiert. Bänsch liefert Fotos in belaubtem und laubfreiem Zustand und misst den Umfang. Er schätzt das Alter, bewertet den Standort von historisch wertvoll bis Stadtbild prägend und urteilt über die regionale Bedeutung des Baumes.

Mit seiner Fleißarbeit hat Ulrich Bänsch nicht bei null angefangen – wohl aber seine „Vorarbeiter“ Klaus Friedrich und Arndt Schubert 1994 und 2000. In vielen Orten hatte Reinhold Herrmann schon 1937 schützenswerte Bäume entdeckt und diese in einem Buch für die Amtshauptmannschaft Döbeln veröffentlicht. Aus Roßwein ist kein Einziger in diesem Buch zu finden. Von den 164 von Friedrich/Schubert dokumentierten Bäumen gibt es 48 schon nicht mehr. Trotzdem ist Bänsch inzwischen auf die stattliche Zahl von 252 alten Bäumen an 73 Standorten gekommen. Von denen schätzt er 54 als besonders schützenswert ein. Dazu zählen die Baumgruppen am Nordplatz, die aus zwölf Winterlinden und 13 Eichen bestehen. Noch zu erfassen sind Bäume in Ortsteilen wie Seifersdorf, Niederstriegis, Grunau und Wettersdorf.

69 Prozent der Bäume in Roßwein sind Linden

Als bemerkenswerte Bäume erfasst hat Ulrich Bänsch bisher 174 Linden, das sind 69 Prozent der innerstädtischen Bäume, 28 Eichen, 13 Schwarz-Kiefern (darunter die gegenüber der alten Post), sieben Rosskastanien und eine Hainbuche.

Der hohe Lindenanteil ist für Bänsch durchaus eine Besonderheit – mit Bürgermeister Veit Lindner allerdings dürfte das wenig zu tun haben. Denn die Bäume stehen meist schon länger als er Bürgermeister oder überhaupt auf der Welt ist.

Bei Neuanpflanzungen empfahl der Baumexperte auf diese Art Baum zu setzen. Außer den aufgezählten Bäumen wachsen in Roßwein auch Raritäten wie eine kaukasische Hülsenfrucht an der Etzdorfer Straße.

Als grüne Stadt mit wertvollem, altem Baumbestand bezeichnete Bänsch Roßwein. Viel gepflanzt worden sei im Zuge des Eisenbahnbaus sowie der Verfüllung von Töpferschlucht und Tiefem Grund.

Selten sind in Roßwein dagegen Gedenkbäume.

Quelle: Bestandsaufnahme von Ulrich Bänsch, Etzdorf

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Seine Arbeit, so Bänsch, soll zu einer moralischen Einschätzung führen und dazu, „dass man bei Veränderungen zwei- oder dreimal überlegt, ob ein Baum wirklich wegmuss“. Es dauere 100 bis 150 Jahre, ehe ein nachgepflanzter Baum alle ökologischen Funktionen eines gefällten großen Baumes übernehmen könne.

Um den Baumbestand in Roßwein ist Bürgermeister Veit Lindner (parteilos) nicht bange. Auch wenn es nicht ausschließlich Linden sind, so wird doch jedes Jahr für jedes Neugeborene in der Stadt und auf dem Land ein Stammbaum gepflanzt. Nachdem das Muldenufer mit jungen Bäumen gut bestückt ist, wurden zuletzt Stammbäume in Haßlau gepflanzt.

Bei älteren Bäumen empfahl Ulrich Bänsch, bei der Pflege noch mehr als bisher auf einen kompetenten Schnitt und nicht nur auf Gefahrenabwehr zu achten. Bei seiner Begutachtung habe er mehrere Bäume vorgefunden, die aufgrund unsachgemäßen Rückschnitts nur noch eine geringe Lebenserwartung haben dürften.