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Großhennersdorfer werden zu Schauspielern

Der Karnevalsclub macht keinen Schunkelfasching – sondern Theater und Film. Die Politik kommt auch nicht zu kurz.

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© M. Weber

Von Susanne Sodan

Auch eine Königin muss sich mal die Hornhaut von den Füßen raspeln. Beim schottischen Königspaar ist das Leben nicht immer glamourös. Es geht eher zu wie bei einem alten Ehepaar. Der König heißt Paul und sächselt. Die Königin ist zwar das Gegenteil von elegant, dafür aber mit großem Mundwerk und Herzenswärme gesegnet. Sie will ihrem Mann gefallen, er weiß es nicht zu schätzen – altes Ehepaar eben. Eines mit finanzieller Schieflage. Eine Lösung wäre, den Sohn Artus mit der Tochter des englischen Königshauses zu verheiraten. Aber woher die Mitgift nehmen? „Vielleicht wäre der Heilige Gral was“, schlägt König Paul vor. „Der fehlt den Engländern bestimmt noch.“

Volker Ruhlig, der als König Paul auf der Bühne im Begegnungszentrum Großhennersdorf steht, ist kein Schauspieler. Er ist hauptberuflich Maler – und in seiner Freizeit Mitglied im Karnevalsclub Großhennersdorf. Hier wird Karneval anders gefeiert. Büttenreden und Elferrat gibt’s nicht, Funkenmariechen auch nicht. „Bei uns sind das Tänzerinnen“, sagt Präsident Hartmut Tittmann. Der Karnevalsverein Großhennersdorf macht lieber Theater. „Das hat sich mit dem Umzug in dieses Haus entwickelt.“ Früher war der Karnevalsclub im ehemaligen Lehrlingswohnheim ansässig und zog vor etwa zehn Jahren in das Begegnungszentrum Großhennersdorf um. Ein Haus mit kleinen, bunten Räumen, statt großem Saal. „Was wir machen, passt hier gut rein“, sagt Hartmut Tittmann. „Wir haben uns damit eine Nische gesucht.“ Die Mitte zwischen Schunkelfasching und Theater.

Die Stücke sind bisher immer an bekannten Klassikern orientiert gewesen. „Spuk unterm Riesenrad“ haben die Großhennersdorfer Narren in der Vergangenheit wieder aufleben lassen, die „Olsen-bande“ und die „Feuerzangenbowle“. Dieses Jahr haben sich die Narren zum ersten Mal an ein eigenes Stück gewagt. „All you need is Love“ heißt es: Der letzte Römer hat England verlassen, nun regieren Königsfamilien. Die Schotten wollen ihren Sohn Artus gerne mit Artrosé, Prinzessin des englischen Königshauses, vermählen. Dort gelten aber andere Regeln: Äußerlichkeiten sind wichtig, Geld auch. Um die Engländer zu überzeugen, schicken seine Eltern den schottischen Prinzen Artus auf die Suche nach dem Heiligen Gral. Zwischendrin blitzen politische Schlagworte auf: überfüllte Boote, petryheilige Sünden, Brexit und Trumpeltier. Der letzte Römer verlässt England mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in einem anderen Land. Und als die britische Königin erfährt, dass die andersartigen Schotten sie besuchen wollen, ist ihr erster Gedanke: Hoffentlich bringen die keine Krankheiten mit.

„Was wir machen, gefällt vielleicht nicht allen“, sagt Michael Peschke. Er spielt die böse Fee, die verhindern will, dass Artus den Heiligen Gral findet. Hauptberuflich dirigiert er Tankwagen mit Biokraftstoff durch ganz Europa. „Manche wollen vielleicht lieber den typischen Oberlausitzer Fasching. Aber das hier ist unser Alleinstellungsmerkmal.“ Noch eine Besonderheit: Die Großhennersdorfer Narren arbeiten nicht nur mit Schauspiel auf der Bühne, sondern auch mit Film. „Alles, was sich bühnentechnisch schwer umsetzen lässt, spielen wir vorab ein“, erklärt Hartmut Tittmann. Bei der „Feuerzangenbowle“ zum Beispiel drehte der Karnevalsclub in der alten Dorfschule – und ließ in Nebenrollen ehemalige Lehrer auftreten. Für „All you need ist Love“ waren die Narren vergangenen Sommer zu Gast auf Burg Mortka in der Gemeinde Lohsa. Und auch diesmal haben bekannte Großhennersdorfer kleine Filmrollen übernommen. Pfarrer Alexander Wieckowski beispielsweise bricht seinen Gottesdienst ab, um sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral zu begeben. Ebenfalls zu sehen: Horst Palme, in der Region dafür bekannt, dass er täglich mit seinem Klapprad von Großhennersdorf nach Zittau oder Löbau fährt.

Die Vorbereitungen für die Stücke beginnen im Frühjahr. Dann arbeitet Patrick Weißig von der Hillerschen Villa an den Dialogen. „Danach werden die Rollen verteilt“, erklärt Hartmut Tittmann. Und zwar so, dass sie auch zur Person passen. „Wir kennen mittlerweile die Charaktere und wissen, wer was spielen kann.“ 35 feste Mitglieder hat der Karnevalsclub Großhennersdorf, dazu zwölf Kinder. Im Sommer finden die Dreharbeiten statt, ab September wird einmal pro Woche für die Bühnenteile geprobt. Zu viel werde das nicht, sagt Patrick Weißig. Neben der Regie hat er noch die Rolle des englischen Königs inne. „Dann würde ich es nicht machen. Für mich ist das ein Geben an die Region.“ Er macht sich eher Gedanken darüber, dass zu den Aufführungen wirklich alles klappt. Denn dieses Jahr arbeitet die Truppe nicht nur wieder mit Filmsequenzen, sondern auch mit einem Erzähler und mit Livemusik. Auch Michael Peschke erzählt: „In den ersten Jahren hatte ich noch Lampenfieber.“ Mittlerweile habe sich das gelegt. Um seinen Text sicher draufzuhaben, hat er eine Strategie. „Ich gehe immer früh vor der Arbeit beim ersten Kaffee das Textbuch durch“, erzählt er.

„All you need is Love“: 21. und 23. Februar, Begegnungszentrum Großhennersdorf, Einlass ab 19.30 Uhr.

Für beide Veranstaltungen sind noch Restkarten im Reisebüro Herrnhut erhältlich.