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Großhennersdorfer im Glaubenswandel

Wie Andreas Schönfelder zur orthodoxen Kirche fand und welche Rolle seine Frau dabei spielt.

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Von Steffen Gerhardt

In Gedanken versunken sitzt Andreas Schönfelder auf einem der Holzstühle im Garten hinter der Umweltbibliothek. Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Haus und die Schatten werden länger. Mit der SZ will er über einen wichtigen Lebensabschnitt sprechen. Er blickt den letzten Sonnenstrahlen hinterher und sagt warum: „Ich bin ein orthodoxer Christ.“

Das ist nicht von heute auf morgen gekommen. Obwohl mit Christentum hatte Andreas Schönfelder bis zur Jahrtausendwende nichts im Sinn. Aber als Atheist möchte er sich auch nicht bezeichnen. Religion sei für ihn in jungen Jahren nie ein Thema gewesen. Über seine Eltern sagt der 58-Jährige: Sie saßen in der Falle, mussten sich anpassen. Bei ihnen war Kirche nicht mehr gefragt, sie bezahlten keinen Kirchenbeitrag mehr. Das änderte sich für ihn auch nicht in den sechs Jahren, die er als Tramp quer durch die DDR reiste. Von Freiheit konnte für ihn dabei keine Rede sein.

Aufgewachsen und gelernt in der Wismut-Region um Aue und Gera, führte ihn sein Weg Ende der 1970er Jahre nach Großhennersdorf in den Katharinenhof. Denn seine Lehre endete bereits im ersten Jahr. „Ich wurde zum Staatsfeind erklärt“, erinnert er sich. In der Pflege behinderter Menschen sah der junge Mann eine neue Aufgabe und Herausforderung. Eigentlich wollte Schönfelder in den Martinshof nach Rothenburg. Aber dazu fehlte ihm der Taufschein als christlicher Nachweis. Also kehrte er nach Großhennersdorf zurück, weil dort diese Bedingung nicht stand und Leute gebraucht wurden. Obwohl er unter Protestanten arbeitete und lebte, gab es für Schönfelder keinen Anlass, der Kirche beizutreten. Hinzu kam das Verhältnis zu den Kirchen. Das hat ihn auch nicht animiert, Christ zu werden. Er begründet das damit, dass in der oppositionellen Arbeit die Kirchen sich nicht als Partner zeigten und eine Zusammenarbeit ablehnten. Dennoch gab es immer wieder Pfarrer, die aus diesem Korsett auszubrechen wagten und ihre Kirchen auch „Ungläubigen“ öffneten.

1987 gründete er die Umweltbibliothek, zunächst mit Freunden im eigenen Haus in Großhennersdorf. Dabei sammelten sie viel Material aus den beiden deutschen Staaten. Der Blick nach Osteuropa sollte erst nach der Wende Thema werden – über selbst organisierte Bildungsreisen. „Die Beschäftigung mit dem Osten Europas hat in mir die Frage provoziert: Warum bist Du kein Christ?“, berichtet er. 2003 und 2004 nennt er als seine Entscheidungsjahre. „Ich bin mir bewusst geworden, etwas zu machen, um der zu sein, der man eigentlich wäre.“ Dazu trugen auch die Besuche und Begegnungen mit den Kirchen Polens und der Ukraine bei.

Mit dem Aufbau des Kompetenzzentrums Osteuropa in der Umweltbibliothek begab sich Andreas Schönfelder auf weitere Spurensuche nach der Kultur Osteuropas. Dabei stellte er fest, dass Religion und Sprache die Fundamente einer Kultur sind. „Zudem hatten sich die Ostkirchen vom Kommunismus abgenabelt und folgten wieder ihrer 1400 Jahre alten Lithurgie“, ergänzt Schönfelder.

Dass er ein orthodoxer Christ wurde, daran hat seine heutige Frau Sinziana einen wesentlichen Anteil. Die Rumänin ist studierte Theologin und arbeitete im Katharinenhof. Dort lernte sie Andreas Schönfelder 2005 kennen. Inzwischen absolvierte sie ein Studium der Sozialwissenschaften am Internationalen Hochschul-Institut in Zittau und ist seitdem dort beschäftigt. Nicht nur die junge Frau fasziniert den Großhennersdorfer, sondern auch, dass sie eine praktizierende orthodoxe Christin ist – und wie sich später herausstellte, dass ihre Großmutter in Großhennersdorf begraben ist. „In ihr habe ich einen Gesprächspartner zur Religion gefunden.“ Für Schönfelder heißt das, sich diesem Glauben unterzuordnen: „Mein Leben machte eine Wendung. Jetzt sind mir Lithurgie, Fastenzeiten, die Beichte sowie meine neue Familie wichtig.“

Dabei musste der Großhennersdorfer im Sachen Kirche einiges nachholen – wie die Taufe beispielsweise. Nachdem für ihn feststand, dass er zum orthodoxen Glauben wechselt, wollte er kirchlich getauft werden. Das sollte in einer orthodoxen Kirche geschehen, wie die im tschechischen Rumburk, gleich hinter der Grenze. Im Spätsommer 2009 war es dann so weit mit der Taufe. Statt dem Taufbecken wurde der benachbarte Angelteich bevorzugt, da der ganze Körper ins Wasser zu tauchen ist. Bis heute sind Schönfelders dieser Kirche verbunden. Nur wenige Monate später heiratete das Paar dort und sonntags sind sie meistens zur Lithurgie dort. Und auch die Beichte lässt sich Schönfelder abnehmen. Mit einer Besonderheit: „Ich muss meine Beichte in englischer Sprache vortragen, um vom Pfarrer verstanden zu werden.“

Heute sagt Schönfelder: „Wenn ich diesen Weg nicht gegangen wäre, hätte ich nicht diese Frau kennengelernt.“ Und fügt hinzu: „Meiner Frau ist es wichtig, einen orthodoxen Mann an ihrer Seite zu haben.“ Beide freuen sich über ihre zwei Kinder im Alter von fünf und drei Jahren. Sie wachsen zweisprachig auf.

Klaus Schönfelder ist überzeugt, dass der Mensch aller zehn Jahre eine „Inventur“ braucht. Diese begann bei ihm mit dem Wechsel vom Wismut-Lehrling zum Pfleger, setzte sich mit dem Gründen der Umweltbibliothek und seinem Engagement als Gemeinderat nach der Wende fort. Nun ist er ein bekennender orthodoxer Christ, der sein Wirkungsfeld in Großhennersdorf hat und über seine osteuropäischen Erfahrungen zum Glauben gefunden hat. Und in zehn Jahren? „Da bin ich 68 Jahre“, sagt Schönfelder schmunzelnd und stellt die Stühle im Garten zusammen. Denn inzwischen ist die Sonne verschwunden. Zumindest für heute.