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Großenhain zeigt Mode für Tischler

Der Holzhändler Behrens + Wöhlk präsentiert die neuen Dekore der Saison. Kopfkino fürs Handwerk.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Dass pfiffige Modemacher inzwischen ihren Kunden lästiges Zusammensuchen passender Klamotten abnehmen, wenn die keine Lust zum Shoppen haben – alles typgerecht abstimmen und auf Wunsch auch nach Hause schicken – das kennt man ja noch. Doch dass das auch mit Holz funktioniert, ist vielleicht weniger bekannt. Im Zentrallager des Großhändlers Behrens + Wöhlk am Großenhainer Flugplatz bekommen Tischler, Innenausstatter und Designer nicht irgendwelche Bretter aus endlosen Regalen abgepackt – sie bekommen Wohnkonzepte.

Daniel Augst (li) ist bei Behrens + Wöhlk für das Sortiment an Werkstoffen verantwortlich, Markus Ernst zeichnet zuständig für die Vertriebsstandorte der Holzgruppe. Ihre Stilberatung richtet sich an Innenausstatter und Tischler. Durch das Großenhainer Ze
Daniel Augst (li) ist bei Behrens + Wöhlk für das Sortiment an Werkstoffen verantwortlich, Markus Ernst zeichnet zuständig für die Vertriebsstandorte der Holzgruppe. Ihre Stilberatung richtet sich an Innenausstatter und Tischler. Durch das Großenhainer Ze © Anne Hübschmann

Hier werden Lebensgefühle verkauft

In die Hand als herkömmliches Bilder-Buch oder digital als Zugang per App auf den Laptop. Letzterer hat den Vorteil, dass die heimische Küche oder Stube gleich am Bildschirm in verschiedenste Farben und Materialien getaucht wird und Entwürfe in räumlicher Wirkung verglichen werden können. Der Einwand „Das kann ich mir jetzt aber nicht vorstellen“ dürfte da nicht mehr kommen. Einrichten ist Kopfkino. Verkaufen auch. Die Dekore der Saison 2017 heißen dementsprechend wohlklingend „Colour meets Nature“ (Farbe trifft Natur), „Effektive Surface“ (glänzende Oberflächen), „Handcraftted“ (von Hand gemacht), „Industrial Style“ (Industrie-Stil), „Living Loft“ (Loft-Wohnen) oder „Living nature“ (Leben in Natur). Das Grundbrett ist ein Spanplattenträger, verarbeitet mit Melaminharzen oder Phenolharzen – die letzten Geheimnisse verrät ein Holzhersteller da genauso ungern wie ein Gourmetkoch seine Rezepte. Klar zu sehen in den letzten Jahren ist aber, es geht hin zu höherwertigen Produkten in einer schier unübersehbaren Dekorvielfalt. Wer mit der Hand über einen Borkeneinschluss in der Holzmaserung fährt, staunt, wie echt sich das anfühlt. Wenn der Verkäufer dann mit einem Stück Metall über die Wandvertäfelung kratzt, erschrickt jeder. Automatisch. Zu tief sitzen die erlernten Reflexe.

Freilich gibt es keine Kratzer. Das ist schließlich das Praktische daran. Die längst täuschend echt anmutenden Dekore haben offenbar mehr und mehr Kunden überzeugt, dass diese Materialien auch „schön“ sind. Wer dann noch ein Lebensgefühl anbietet, weckt Wünsche. Kaufwünsche. Die erfüllt der Holzgroßhändler in einem Raum von Leipzig, Dresden, Cottbus, Görlitz, Bautzen bis hin nach Schönebeck. Rund 40 000 Tischler gibt es in Deutschland, schätzt Vertriebschef Markus Ernst. Etwa 10 000 befinden sich im gesamten Einzugsraum der gesamten Holz-Gruppe. Solche Dimensionen verlangen Ordnung. Hier war komplexe Mathematik auf höchstem Niveau gefragt. Die hat Martin Reinhardt von der Reinhardt & Ahrens GbR in Berlin geliefert. Um so einfache Fragen zu beantworten wie die: Wie viele Platten muss ich eigentlich in das Flächenlager hineingeben, damit der Roboter jederzeit die richtige Ware in der richtigen Anzahl zum Verladen wieder herausnehmen kann? Das setzt nicht nur voraus, dass künftige und schon erfolgte Bestellungen von Handwerkern ständig computersimuliert hochgerechnet werden. Der Bordcomputer muss auch Warentrends erkennen. Was weniger gefragt ist, wandert in eines der zig Hochregale. Was ständig abgefragt wird, sortiert der Computer ins Flächenregal ein. Aber nicht stapelweise, wie althergebracht, sondern bunt gemischt nach Formaten. 1350 verschiedene Holzelemente lagern so auf zwei Ebenen für den Einzelzugriff.

Drei Mathematiker haben getüftelt

Da eine bestimmte Rohfaserplatte, ein Tür- oder Fensterelement herauszusuchen, muss sich so anfühlen, wie in einem riesigen Regal mit einzelnen Papierbögen mit einem Handgriff das richtige Blatt Papier zu finden. Saugnäpfe greifen sich deshalb eine Holzplatte, der Roboterarm schwenkt herum und legt die Platte irgendwo auf einem anderen Stapel ab. Mehr ist eigentlich nicht zu sehen. Nur riesige Hallen, etliche Hochlager und eben jenes Flächenlager, mit dem es schließlich eine besondere Bewandtnis haben muss. Sonst wäre es nicht eines der modernsten Holz-Flächenlager Deutschlands, wahrscheinlich sogar im gesamten deutschsprachigen Raum, vermutet der Logistikchef von Behrens + Wöhlk, Karlheinz Haefele. Er muss es wissen, schließlich hat er die Anlage in Großenhain maßgeblich aufgebaut. Das Besondere ist, das Flächenlager so zu organisieren, dass weder der Roboter auf den Menschen, noch der Mensch auf den Roboter warten muss. Klingt simpel, ist es aber nicht. Um dieses Problem zu lösen, haben sich drei Mathematiker ein Jahr lang die Köpfe zerbrochen, eigene Algorithmen für den gesamten Ablauf im Lager entworfen und in die Welt der Computersprache übersetzt.