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Große Klappe

Nicht erst heute geben sich Filmemacher in Görlitz die Klinke in die Hand. 1986 drehte das Fernsehen gleich dreimal.

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Von Ralph Schermann

Görlitz als Filmkulisse ist beliebter denn je. Das sei ein Beweis dafür, dass die Filmstudios Görliwood mögen. Sogar mehrere Filme in einem Jahr kann die Stadt jetzt für sich verbuchen. Das stimmt. Doch das verwischt auch Erinnerungen daran, dass nicht erst Hollywood kommen musste, um hier Kamerastandorte zu finden. Schon 1911 gab es hier Spielfilmaufnahmen, seit 1954 wird regelmäßig gedreht. Und mehrere Produktionen in einem Jahr? Alles schon da gewesen, allein zwischen 1961 und 1981 gab es sieben Jahre mit mindestens zwei Verfilmungen in Görlitz.

Star an der Peterskirche: Michael Gwisdek spielte in „Weibliche Rache“.
Star an der Peterskirche: Michael Gwisdek spielte in „Weibliche Rache“.
„Bedenkzeit“: Fred Delmare und Wolf-Dieter Lingk im Görlitzer Gefängnis
„Bedenkzeit“: Fred Delmare und Wolf-Dieter Lingk im Görlitzer Gefängnis

Zu den Jahren mit gleich drei Produktionen gehört auch 1986. Damals, vor mittlerweile 30 Jahren, gaben sich in Görlitz die Fernsehproduzenten die Klinke in die Hand. Für wieder mal zwei Historienstoffe, aber auch für einen Polizeiruf diente Görlitz als Kulisse. Für den Streifen „Bedenkzeit“, die 105. „Polizeiruf“-Folge, kamen die Kriminalisten Peter Fuchs (Peter Borgelt) und Lutz Zimmermann (Lutz Riemann) an die Neiße, „ermittelten“ auf dem Postplatz und im Amtsgericht, vor allem aber wurde damals ein Stück DDR-Inneneinrichtung des Gefängnisses auf 35-mm-Filmmaterial verewigt. Am 6. Juli 1986 war auf den Bildschirmen zu sehen, wie Fred Delmare und Wolf-Dieter Lingk in Görlitzer Zellen und Gitter-Gängen agieren. Der Film erreichte eine traumhafte Einschaltquote von 32,2 Prozent, vielleicht auch deshalb, weil es bei den DDR-Fahndern erstmals etwas „menschelte“: Die Dramaturgie gestattet Hauptmann der K Fuchs, sich einen Pudel zuzulegen und mit seinem Kollegen abends sogar ein Bierchen zu zischen. Heute längst normal, galt so etwas im DDR-Krimi damals als äußerst ungewöhnlich. Vielleicht aber trugen zur Einschaltquote auch die Szenen in der Kanalisation bei. Sie hätten durchaus auch im Görlitzer Ponte-Kanal entstehen können, wurden wegen der besseren Ausleuchtung dann aber doch nach Greifswald verlegt. Die Szenen gelten als Hommage an den Graham-Greene-Thriller „Der dritte Mann“ (1949) mit einer ähnlichen Verfolgung „unter Tage“.

Ein Modellfall nach dem Krimi

Unter dem Arbeitstitel „Das Tor“ entstand im Spätsommer eine eigenwillige Produktion, die dann 1987 bei ihrer TV-Premiere unter dem neuen Titel „Künstler, König und Modell“ bejubelt wurde und ebenso wie der Polizeiruf den Weg in den Export fand. Zwar stand für den erst unterschätzten Dreh nur eine 16-mm-Technik zur Verfügung, doch dafür wurde die Creme der Fernsehdarsteller gleich im Paket verpflichtet. Marianne Wünscher und Hans Teuscher, Jenny Gröllmann, Cornelia Schmaus und Arno Wyzniewski, Simone von Zglinicki und Andreas Schmidt-Schaller umspielten den Hauptdarsteller Reiner Heise in den Szenen, die auch die Görlitzer Altstadt ins Blickfeld rückten. Der Fernsehfilm widmete sich der ersten Schaffensphase des Bildhauers Johann Gottfried Schadow vom Ende der Regierung Friedrich II. bis in die Zeit Friedrich Wilhelms II., als die Französische Revolution ihre Schatten auch auf Preußen warf. Damit kannte sich der Spielleiter des prominent besetzten Films bestens aus – Regie führte Martin Eckermann, bekannt von der meisterhaften Verfilmung „Casanova auf Schloss Dux“ (1983), aber auch als Regisseur des TV-Straßenfegers „Wege übers Land“.

Nach den Dreharbeiten gleich in Görlitz bleiben konnte Tom Pauls. Damals war noch nicht an seine „Frau Bähnert“ zu denken, aber als Darsteller kleinerer Rollen war er gut im Geschäft. Vom Schadow-Film wechselte er vor die nun wieder größere 35-mm-Kamera und unter die Regie von Bodo Fürneisen, um das „Merkwürdige Beispiel einer weiblichen Rache“ mitzugestalten. Gar nicht seltsam oder gar komisch spielt er in dem Fernsehfilm einen Angeber. Der trotz seiner Länge auch nach der Fertigstellung beibehaltene Titel ist einer Übersetzung Friedrich Schillers entlehnt. Er veröffentlichte sie 1785 in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „Rheinische Thalia“. Es ist eine Episode nach „Jacques (Jakob) und sein Herr“ von Denis Diderot. Es geht um eine verlassene Frau, die sich durch eine geschickt eingefädelte Intrige an ihrem ehemaligen Liebhaber rächen will – ein nicht ungewöhnliches klassisches Thema. Görlitz kommt in dieser Verfilmung markant altstädtisch ins Bild. Gut zu erkennen sind zum Beispiel das Rathaus, der Untermarkt mit seinen Laubengängen, die Schwarze Gasse, die Peterskirche und der Waidhausplatz. Und eine Darstellerin freute sich, für die Dreharbeiten wieder einmal in ihrer Heimat weilen zu können: Ingeborg Nass, gebürtige Görlitzerin, hatte ihre Karriere einst am hiesigen Stadttheater begonnen und kam über das TV-Kabarett „Tele-BZ“ in das Schauspieler-Ensemble des Deutschen Fernsehfunks.

Berliner Flair am Demianiplatz

Zum filmischen Jahr 1986 gehörten auch Premieren von im Vorjahr begonnenen Stücken. Das war der Vierteiler „Flug des Falken“ über den jungen Friedrich Engels, und endlich war auch die Neuauflage von „Ernst Thälmann“ fertig. Der Zweiteiler flimmerte vor 30 Jahren über die Bildschirme, und er kam als einer der ganz wenigen Fernsehfilme fast zeitgleich sogar in die Kinos. So schnell er gezeigt wurde, so schnell war er allerdings als Relikt der Propaganda auch wieder vergessen. Dennoch: Die Görlitzer Szenen, die das Berlin der 20er/30er Jahre rund um den Demianiplatz zeigen, sind in ihrer kameratechnischen Präzision nach wie vor beeindruckend.