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Groß wie eine Untertasse, aber viel schöner

Der Mathematisch-Physikalische Salon will eine Kutschenuhr der Horn´schen Stiftung nicht. Jetzt kehrt sie nach Meißen zurück.

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© Cortrie

Von Udo Lemke

Meißen. Es ist ganz einfach: „Die Kutschenuhr, auch als Karossenuhr, Satteluhr oder Alkovenuhr bezeichnet, ist eine federgetriebene Reiseuhr in der Form einer überdimensionierten Taschenuhr.“ So ist es bei Wikipedia nachzulesen. Auch, warum Kutschenuhren so groß sind, liegt auf bzw. in der Hand. Sie haben immerhin einen Durchmesser zwischen neun und zwölf Zentimeter – zum Vergleich: Eine normale Untertasse bringt es auf knapp 14 Zentimeter Durchmesser.

Wer einst mit der Postkutsche auf schlechten Straßen unterwegs war, brauchte einen robusten Zeitmesser, zudem hätte sich ein kleines Ziffernblatt bei dem Geschaukel schlecht lesen lassen. Außerdem konnte anhand der großen Kutschenuhr jedermann sehen, dass ihr Besitzer nicht gerade am Hungertuch nagte. Deshalb waren die Kutschenuhren nicht nur besonders groß, sondern auch besonders schön.

So wie die jüngst beim Hamburger Auktionshaus Cortrie angebotene. „Bedeutende sächsische Kutschenuhr mit Selbstschlag, Repetition und Alarm, Johann Heinrich Wagner Dresden, um 1700“, stand dazu im Katalog zu lesen, und: „Prächtiges Silbergehäuse, durchbrochen gearbeitet, feinst graviertes Rankenwerk mit Vögeln, Fabelwesen und Fratze, zusätzliches, versilbertes Schutzgehäuse mit Klangöffnungen“.

Bei zwölf Zentimeter Durchmesser bringt die Uhr immerhin 1 370 Gramm auf die Waage, das sind gut 200 Gramm mehr als ein Ein-Liter-Pack Milch, 3,5 Prozent Fettgehalt. Dieses Gewicht kommt zustande, weil die Uhr noch komplett ist, „originale Glocke, hoch kompliziertes Spindelwerk mit Vollplatine, drei Federhäuser für Gangwerk, Schlagwerk und Weckwerk, Zugrepetition, Selbstschlag und Alarm, außergewöhnliche hexagonale Pfeiler, Emaillezifferblatt mit kleinen Randbestoßungen, gebläute Poker- und Beetlezeiger sowie zentraler Weckerzeiger“, führt das Auktionshaus auf.

Und auch 317 Jahre nach seiner Entstehung funktioniert das Gerät noch. Kurz diese Kutschenuhr ist ein Wunderwerk. Trotzdem wollte und will sie niemand haben. Bei Cortrie sollte das gute Stück für 25 000 Euro den Besitzer wechseln, aber niemand bot. Selbst, als beim Nachverkauf nur noch 15 000 Euro verlangt wurden, fand sich kein Liebhaber. Tom Lauerwald, der Verwalter der Otto- und-Emma-Horn-Stiftung, der die Uhr gehört, ist ganz froh, dass sie nicht im Nachverkauf über den Tisch gegangen ist. „Wir wollen die Uhr nicht unter Wert verkaufen, da bleibt sie vorerst bei der Stiftung.“

Lauerwald ist einigermaßen sauer auf den Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden. Diesem hatte die Stiftung die Uhr angeboten, aber der Salon brauchte Ewigkeiten, um sich zu entscheiden. „Dass er sie nicht will, hätte Direktor Plaßmeyer uns auch schon vor drei Jahren sagen können, ich finde dieses Verhalten unfair.“

Peter Plaßmeyer bestätigt, dass ihm die Uhr angeboten worden ist. „Das ist ein interessantes Stück, aber kein Spitzenstück“, erklärt der Direktor. Aber nicht diese qualitative Einordnung hat zur Ablehnung seitens des Salons geführt, sondern die Frage nach der Provenienz der Kutschenuhr. „Die Frage ist, wie ist die Uhr in die Horn´sche Sammlung gekommen? Das war für mich nicht eindeutig klärbar.“ Das sei ausschlaggebend für die Ablehnung seitens der Staatlichen Kunstsammlungen gewesen.