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Gröditzer mit Weltrang

Professor Adolf Ledebur arbeitete und forschte einst im Stahlwerk. An seinem Namen kommen viele bis heute nicht vorbei.

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© Unbekannt, Repro:Regine Richter

Von Eric Weser

Gröditz. Gerüchte besagen, er wäre sogar mal für den Nobelpreis vorgeschlagen worden. Ob was dran ist? Zumindest unter den knapp 5 600 Nominierten in den Bereichen Physik und Chemie findet sich sein Name nicht. Ehrungen hat Adolf Ledebur trotzdem viele erhalten. Die jüngste erst kürzlich. Da wurde ihm in Gröditz, einer seiner Wirkungsstätten, eine Gedenktafel gewidmet. Wer ist dieser Mann, nach dem in der Röderstadt auch eine Straße benannt ist?

In diesem Haus an der Bahnhofstraße wohnte Adolf Ledebur die erste Zeit während seiner Arbeit in Gröditz.
In diesem Haus an der Bahnhofstraße wohnte Adolf Ledebur die erste Zeit während seiner Arbeit in Gröditz. © Klaus-Dieter Brühl
Erst unterm Mikroskop wird das sogenannte Ledeburit sichtbar. Es ist das, was zwischen den nadelförmigen Strukturen liegt. Der abgebildete Werkstoff ist Hartguss.
Erst unterm Mikroskop wird das sogenannte Ledeburit sichtbar. Es ist das, was zwischen den nadelförmigen Strukturen liegt. Der abgebildete Werkstoff ist Hartguss. © Wikimedia/Eisenbeisser, CC BY-SA 3.0

„Wer ist Ledebur?“, fragt auch ein biografischer Abriss von 1912 aus der Fachzeitschrift „Stahl und Eisen“. Und er liefert die Antwort gleich mit: „der größte deutsche Eisenhüttenmann“. Auch mehr als hundert Jahre später umranken Superlative den Namen Adolf Ledebur. Von einem „Giganten“ der Eisen- und Stahlforschung ist im aktuellen Lehrbuch „Materialwissenschaft und Werkstofftechnik“ aus dem Springer-Verlag die Rede.

Ein Ruf, der auch auf Ledeburs Jahre in Gröditz gründet. 1871 kommt der gebürtige Harzer ins „Gräflich Einsiedelschen Hüttenwerk“, quasi den Vorläufer des heutigen Stahlwerks. Als es Ledebur an die Röder verschlägt, hat der Betrieb mehr als 500 Mitarbeiter und ist bereits eine feste Größe in der aufstrebenden Industrie des jungen Deutschen Reichs.

Geheimer Bergrat

Karl Heinrich Adolf Ledebur (*1837 in Blankenburg, +1906 in Freiberg)

Studium ab 1856 in Braunschweig, Heirat 1866, zwei Töchter

Arbeit unter anderem in den Hütten Zorge, Rübeland, Ilsenburg, Berlin, ab 1874 Professor in Freiberg

Autor vieler Fachbücher, im „Handbuch der Eisenhüttenkunde“ findet auch Gröditz Erwähnung

Auszeichnung unter anderem als „Geheimer Bergrat“ in Sachsen. (SZ)

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Seine erste Gröditzer Wohnung soll der Metallurge damals in der Bahnhofstraße 5 bezogen haben. Das zumindest hat der Gröditzer Jürgen Hoppe beim Blick in der Familiengeschichte herausgefunden. Einem seiner Vorfahren gehörte damals das Haus. Hoppe hat sich Ledebur auch in einem ausführlichen Artikel im Gröditzer Röderjournal gewidmet und weiß zu berichten, dass der Metallurge etwas später an der heutigen B 169 lebte, in einer Betriebswohnung gegenüber des Werks.

Zu Ledebur hat Hoppe nicht nur wegen seiner Familienhistorie eine Beziehung. Wie viele andere Ingenieure hat auch er sich im Studium mit den Eigenschaften von verarbeitetem Eisen wie Stahl und Guss befasst. Eine wichtige Grundlage dafür ist das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm. In dem Diagramm werden verschiedene Kristallgefüge beschrieben, die bei bestimmten Temperaturen auftreten. Eines dieser Gefüge heißt Ledeburit – und ist zu Ehren seines Entdeckers so benannt.

Nach Ledeburs Gröditzer Zeit geht sein akademischer Stern auf. Mitte der 1870er wird er als Professor an die Bergakademie Freiberg berufen, wo er intensiv forscht und auch das Ledeburit entdeckt. Als sich das 19. Jahrhundert dem Ende zuneigt, wird er sogar Rektor der Uni. Da ist er national wie international ein hoch angesehener Fachmann auf seinem Gebiet. Selbst in Japan ist beim Aufbau der Stahlindustrie seine metallurgische Expertise gefragt.

Nach Gröditz soll es ihn aber immer wieder gezogen haben, um im Werk Forschung zu betreiben. Heute gilt Ledebur laut dem Lehrbuch aus dem Springer-Verlag als eine Art Ideal: als „Mann der Theorie als auch der Praxis“, als „Verfechter der Einheit von Lehre und Forschung, der seine Schüler nachhaltig beeindruck hat.“

So sehr, dass einer von ihnen schon 1912 in „Stahl und Eisen“ den Lehrer als jemanden preist, dessen Namen „mit goldenen Lettern in die Geschichte der Zivilisation und Kultur“ geschrieben gehört. Auf der neuen Gedenktafel sind die Buchstaben zwar schwarz, dafür schimmert die Tafel rotgolden in der Sonne.