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„Gräueltat“ einer selbst ernannten Bürgerwehr

Ein 31-Jähriger ist der zweite Täter, der für den Überfall auf Ausländer beim Dresdner Stadtfest verurteilt wurde.

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© SZ

Von Alexander Schneider

Die Verteidigungs- strategie von Robert H. ist auch in seinem Berufungsprozess auf ganzer Linie gescheitert. Das Landgericht Dresden hat den rechtsextremen Gewalttäter am Donnerstag wegen mehrfachen Körperverletzungen und schweren Landfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. H. gehörte nach Überzeugung des Gerichts zu den mindestens 15 bis 20 schwarz gekleideten und vermummten Tätern, die beim Dresdner Stadtfest am 21. August 2016 nach Mitternacht gezielt „Jagd auf Ausländer“ gemacht hatten. Mindestens neun Männer aus dem Irak, Afghanistan und Irak erlitten zum Teil schwerste Verletzungen.

Der fremdenfeindliche Überfall einer „Bürgerwehr“ ist noch immer nicht ganz aufgeklärt. Neben H. wurde bislang nur ein 19-jähriger Mittäter verurteilt, der die Tat gestanden hatte. Mehrere Männer aus dem Umfeld der rechtsextremen „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) sollen sich beteiligt haben. Das ergibt sich etwa aus abgehörten Telefonaten. Am Tag nach dem Überfall hatte ein Verdächtiger seinem Arbeitskollegen etwa davon berichtet. Dabei erzählte er noch hörbar erregt, wie er Ausländer zusammengeschlagen und H., der Angeklagte, ihm einen „weggenommen“ habe. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass es sich bei dem verwendeten Spitznamen des Mittäters um den Angeklagten handelt.

Robert H. bestreitet eine Beteiligung an dem Anschlag. Seine Lebensgefährtin und ein befreundetes Paar hatten als Zeugen ausgesagt, sie hätten mit H. bereits gegen 23.30 Uhr das Stadtfest verlassen. Sie müssen nun damit rechnen, dass gegen sie wegen Falschaussage ermittelt wird.

Die Vorsitzende Richterin nannte den Stadtfestüberfall eine „Gräueltat“ und sagte: „Eine selbst ernannte Bürgerwehr meinte, für Recht und Ordnung sorgen zu müssen, und hat dabei selbst schwerste Straftaten begangen – und das aus rassistischen Gründen.“ Die Täter hätten ihre Opfer sogar in Todesgefahr gebracht.

Bei einer weiteren Tat H.s war die Beweislage einfacher: Ein Polizeivideo zeigt, wie H. im Juni 2016 auf dem Weg zu einer Demo in Laubegast auf Polizisten losging. Im Prozess behauptete er, die Beamten hätten ihm zu Unrecht einen Platzverweis gegeben. Die Richterin lobte jedoch das Vorgehen der Beamten der Bereitschaftspolizei als kompetent, sachlich und der Situation angemessen. Im August 2016 hat H. darüber hinaus eine Frau geschlagen, die einem Marokkaner zur Hilfe kam, der von mehreren Leuten, darunter H., vertrieben werden sollte. Ob H. auch den Marokkaner geschlagen hat, wie es in der Anklage heißt, konnte nicht aufgeklärt werden.

Letzteres ist wohl der Grund, warum H. ein etwas milderes Urteil erhielt als in der ersten Instanz. Im August 2017 hatte er am Amtsgericht Dresden drei Jahre Haft erhalten. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte nun drei Jahre Haft gefordert, die Verteidigung ein Jahr und vier Monate.

H. sitzt seit dem 30. November 2016, seit 15 Monaten, in Untersuchungshaft. Am Donnerstag wurde er aus der Haft entlassen. Zum Antritt seiner Reststrafe wird er von neuem geladen. Bekannt wurde in dem achttätigen Prozess, dass eine neue Anklage gegen H. vorliegt – wegen einer Körperverletzung im Sommer 2016.