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Görlitzer Testcenter spürt den Puls der Digitalisierung

SQS an der Görlitzer Brückenstraße testet vollautomatische Küchengeräte und Versicherungsprogramme. Und sucht Personal.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Sollte es Zweifel an der Standorttreue des Softwaretesters SQS zu Görlitz gegeben haben, so verfliegen sie schon nach wenigen Minuten an diesem Montag. Das Unternehmen hat zu seinem zehnjährigen Bestehen in sein Testcenter an der Brückenstraße eingeladen. Wenige Monate, nachdem es von einem französischen Unternehmen übernommen worden ist. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer ist selbst an seinem eigenen Geburtstag gekommen, dazu Landtagsabgeordnete Octavian Ursu und Thomas Baum, die Stadtoberhäupter von Görlitz und Zgorzelec und manch einer mehr. Ihnen allen ruft der aus Köln angereiste Vorstandsvorsitzende, Diederik Vos, zu: „Wir wollen die Kapazität in Görlitz verdoppeln“.

Derzeit beschäftigt der Softwaretester SQS an seinem Görlitzer Standort mehr als 200 Mitarbeiter, im vergangenen Jahr stellte er 30 neue ein. In den nächsten drei Jahren soll sich die Zahl der Belegschaft an der Neiße verdoppeln. Das Testcenter in Görlitz war das erste von SQS und ist bis heute das Wichtigste geblieben, auch wenn das Unternehmen mittlerweile an neun weiteren Standorten Computerprogramme und Technik testet. Das hören Kretschmer und Deinege natürlich gern, zumal Siemens und Bombardier mit ihren Ungewissheiten die Unternehmensnachrichten aus Görlitz in den zurückliegenden Monaten dominiert hatten. Der Ministerpräsident betont, dass der Freistaat in der Software-, Halbleiter- und IT-Branche die Zukunftstechnologien sieht. Während andere vor allem über die Risiken der Digitalisierung der Industrie sprechen, „greifen wir beherzt zu“, sagt er. Das soll auch in Görlitz bald noch stärker zu spüren sein, wo rund 20 Unternehmen der Branche in den vergangenen Jahren rund 600 bis 700 Stellen geschaffen haben. So hat der Bund zugesagt, ein deutsch-polnisches Forschungsinstitut für die Digitalisierung in Sachsen anzusiedeln. „Wir wünschen es uns in Görlitz“, erklärt Kretschmer. Ein weiteres Forschungsinstitut für Datensicherheit im Internet der Fraunhofer-Gesellschaft und der Hochschule Zittau/Görlitz ist seit einigen Jahren in Görlitz aktiv und soll nun auch ein eigenes Gebäude erhalten. „Es geht nicht mehr um das ob, sondern nur noch um den Standort – an der Hochschule oder in der Görlitzer Innenstadt“, sagt Kretschmer. Und Deinege erinnert an die börsennotierte niiio AG, die ihren Sitz Ende vergangenen Jahres nach Görlitz verlegte. Und angesichts der anderen Standorte von SQS schwärmt Deinege davon, dass Görlitz hier in einer Liga mit Hamburg, Lissabon oder Kairo spiele.

Der Ausbau von SQS reiht sich da gut ein. Es ist tatsächlich eine Erfolgsgeschichte, die das Unternehmen in Görlitz geschrieben hat. 2008 gegründet, war es zunächst im Multi-Mediapark in der Melanchthonstraße, ehe es 2011 an die Neiße zog. Jahr für Jahr gab es mehr Aufträge, stieg die Zahl der Mitarbeiter. „Wir sind hier am Puls der Digitalisierung“, sagt Center-Chef Christian Marx. Die Entwicklung verlief zeitweise so stürmisch, dass es schwierig wurde, geeignete Mitarbeiter zu finden. Zwischenzeitlich betrieb SQS eine duale Ausbildung mit der Hochschule, heute schulen Bildungseinrichtungen Arbeitslose für SQS, arbeiten Menschen auf verschiedenen Ländern zusammen. Internationalität gehört hier zum guten Ruf. Vor allem aber braucht es Fachleute: Informatiker, Mechatroniker, Elektroniker. Sie testen Computerprogramme: für Küchengeräte, für Auto-Navis, für Banken und Versicherungen. Zunehmend stellt SQS aber auch die gesamte Test-Infrastruktur. Wenn beispielsweise ein Versicherer sehen will, wie seine App auf dem Smartphone läuft, dann braucht er sich die Technik nicht mehr anzuschaffen. Die stellt SQS dem Kunden. So liegen dann die Smartphones in Görlitz, und der Versicherer kann in Süddeutschland über Bildschirme verfolgen, wie die Programme laufen. Solche „Mobile Lab“ sind die Zukunft, sind sie sich bei SQS sicher. Die hat auch mit der französischen Assystem Technologies-Gruppe zu tun, die SQS Ende vergangenen Jahres übernahm. Mit dem Zusammengehen der beiden Unternehmen kommt zu der Software nun auch verstärkt das Engineering dazu. Da geht es um autonomes Fahren, um Flugzeugelektronik oder eben um Kühlschränke, die ihrem Besitzer vollautomatisch anzeigen, wie viel Bier noch da ist. Gerade diese Unternehmens-Hochzeit bestärkt Diederik Vos in seinem Optimismus. Er steht jetzt seit fast sechs Jahren an der Spitze von SQS, in der Zeit ist die Mitarbeiterzahl von 2 200 auf 4 800 sprunghaft gestiegen. Die künftigen Jahre sollen die Entwicklung noch übertreffen. „Das Wachstum wird schnell voranschreiten“, ist sich Vos sicher. Und schreitet zum Anschnitt der dreistöckigen Geburtstagstorte. Auch Geburtstagskind Kretschmer ist mit dabei. Auf ein Wort