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Görlitzer Museum ehrt Rudolf Lenz

Der Germanist Rudolf Lenz ist ein wichtiger Ratgeber für das Schlesische Museum in Görlitz. Manchmal gibt er auch Hinweise auf ein Werbeschild an der A4.

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© Schlesisches Museum

Von Sebastian Beutler

Dass für das Schlesische Museum mit einem Schild an der Autobahn geworben wird, regte als Erster der Marburger Germanist Rudolf Lenz an. Er ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Görlitzer Museums und drang schon seit Jahren auf so ein Schild. Es musste aber viel Zeit verstreichen, ehe der Vorschlag auch umgesetzt wurde. Das ist nur ein Beispiel, wie hartnäckig sich Rudolf Lenz für das Schlesische Museum einsetzt. Dafür zeichnete ihn jetzt das Museum und sein Förderverein mit einer Ehrengabe aus. Lenz steht in einer Reihe mit dem früheren Görlitzer Landtagsabgeordneten Volker Bandmann, dem Historiker Norbert Conrads, der Urenkelin von Gerhart Hauptmann, Harriet Hauptmann, dem Porzellanforscher Gerhardt Schmidt-Stein und dem Kunstsammler Hans-Peter Reisse – Persönlichkeiten, die die Ehrengabe in den Vorjahren erhielten und ohne die das Museum nicht so dastehen würde.

Seit 30 Jahren fährt der Hesse Rudolf Lenz nach Schlesien. Der Marburger Gelehrte erkundet dabei nicht einfach nur das Land, sondern versucht, dessen historische Spuren vor dem Untergang zu bewahren. Skulpturen, Portale, Fassaden, Taufsteine, Grabmäler, Mausoleen, Denkmäler – es gibt praktisch nichts, worum sich Lenz nicht gekümmert hätte. Daraus ist ein Projekt entstanden, das die Volkswagen-Stiftung fördert. Mehr als 30 Objekte für über eine Million Euro sind auf diese Weise in Schlesien wieder instand gesetzt worden.

Als Polens Staatspräsident Bronislaw Komorowski vor zwei Jahren Lenz das Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen verlieh, da wies der damalige Wojewode von Niederschlesien eben auf die Bemühungen von Lenz um den Erhalt des kulturellen Erbes hin. Das seien „leuchtende Beispiele für die weitere Verständigung beider Völker“. Dass er seit 1999 auch im Wissenschaftlichen Beirat des Schlesischen Museums mitarbeitete, reihte sich in seine Arbeit wie selbstverständlich ein.

Erforschung von Leichenpredigten

Mit der Ehrengabe des Museums ist auch immer ein Kunstwerk verbunden. Rudolf Lenz suchte sich eine Ansicht der Breslauer Sandinsel mit der Universitätsbibliothek aus. Nicht von ungefähr. Mit der Universitätsbibliothek ist das zweite große Forschungsgebiet von Rudolf Lenz verbunden: Leichenpredigten. Dafür gibt es keinen profunderen Kenner als den Marburger Professor. Seit 1974 erforschte er Leichenpredigten als Zeugnisse vergangener Zeiten. Sie waren besonders zwischen 1550 und 1750 beliebt und enthalten wichtige Daten über das Leben der Verstorbenen als auch der damaligen Zeit überhaupt. Lange Jahre leitete er die Forschungsstelle für Personalschriften der Philipps-Universität Marburg, ermittelte und katalogisierte rund 200 000 solcher Leichenpredigten. Erst im Westen Deutschlands, dann eben auch an der Universitätsbibliothek Wroclaw, schließlich initiierte er für 20 Jahre eine Nebenstelle an der TU Dresden, die wiederum die Leichenpredigten an der Leipziger Universität und in Dresdner Archiven erforschte.

Auch die Oberlausitz kennt solche Leichenpredigten. Die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz beherbergt rund 4 000 dieser Predigten, die Christian-Weise-Bibliothek in Zittau verfügt sogar über mehr als 4 700.

Die oft mehrseitigen Drucke sind auch für die Literaturwissenschaft eine Fundgrube: So tauchen unter den Verfassern von Trauergedichten oder Epigrammen bedeutende schlesische Dichter wie Andreas Gryphius oder Martin Opitz auf. „Der Zittauer Gymnasialrektor Christian Weise war ein begeisterter Schreiber solcher Gedenkschriften“, sagte Lenz schon vor Jahren einmal. Im Schlesischen Museum wirkte Lenz bei der Gestaltung der Dauerausstellung bis 2006 besonders aktiv mit. „Er arbeitete systematisch unsere Konzeptentwürfe durch, las alle Ausstellungstexte, machte auf Fehler und missverständliche Formulierungen aufmerksam“, erinnert sich Museumsdirektor Markus Bauer. „Und da gab es, um ganz ehrlich zu sein, zumindest bei den ersten Fassungen einiges anzumerken.“ Für Bauer ist Lenz einer der beharrlichsten und hartnäckigsten Ratgeber. Und sei es für ein Autobahnschild.