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Görlitzer ist Musicalstar in Österreich

André Bauer floh 1989 aus der DDR und wurde in Wien berühmt. Am Sonnabend tritt er mit einem Udo-Jürgens-Programm in der Obermühle auf.

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© Steffi Rieger

Von Ines Eifler

Görlitz. Bin ich das wirklich, ein Star? André Bauer fragt sich das manchmal, wenn eine Show, in der er mitwirkt, angekündigt wird: „Mit Musicalstar André Bauer“. In den vergangenen 20 Jahren hat der gebürtige Görlitzer in zahlreichen großen Musical-Inszenierungen mitgewirkt. 1997 sang er den Marius bei der Deutschlandpremiere von „Les Miserables“ in Duisburg. Er spielte im „Glöckner von Notre Dame“ am Potsdamer Platz in Berlin. In Harry Kupfers Inszenierungen der Musicals „Mozart!“ und „Elisabeth“ stand er als Leopold Mozart und als Kaiser Franz Joseph in Wien auf der Bühne. Seit 2010 war er der Protagonist im Udo-Jürgen-Erfolgsmusical „Ich war noch niemals in New York“.

An solch eine Laufbahn war nicht zu denken, als André Bauer Kind und Jugendlicher in Görlitz war und am Klosterplatz zur Schule ging. Damals hatte er ganz andere Träume, und es war tiefste DDR. André Bauer war Fechter, wollte zur Sporthochschule und Leistungssportler werden. Wegen eines Rückenproblems wurde daraus aber nichts. Durch seine Mutter, früher Tänzerin, dann Inspizientin am Theater, begann er im Extrachor mitzusingen. Und seine Stimme fiel auf. Als ihn der damalige Chordirektor fragte, ob er das Singen nicht zum Beruf machen wolle, dachte André Bauer, warum nicht? Er nahm in Görlitz Gesangsunterricht, bewarb sich an der Dresdener Musikhochschule, wurde genommen und studierte Operngesang. Zugleich engagierte ihn das Görlitzer Theater, der Weg war gebahnt.

Bei einem Gastspiel im tschechischen Ostrava im Herbst 1989 traf er eine Entscheidung, die alles änderte. „Die wichtigste Entscheidung meines Lebens“, sagt der 49-Jährige heute. Er hatte erlebt, wie immer mehr Menschen, Freunde und Kollegen die DDR verließen, und fürchtete, die Mauer würde noch höher gebaut. Er hatte seine Zeugnisse nach Ostrava mitgenommen und hoffte dort auf eine Gelegenheit. Die ergab sich, er ergriff sie und lief zu Fuß über die grüne Grenze nach Polen. Nach drei Kilometern nahm ihn ein Motorradfahrer mit und bewahrte ihn davor, erwischt zu werden. Über Katowice und Warschau kam er in ein Aufnahmelager in Düsseldorf und landete in Bad Homburg.

Weihnachten 1989 verbrachte er wieder in Görlitz. Da war die Grenze längst offen, er hätte ans Theater zurückkommen können. „Meine Eltern hätten sich das sehr gewünscht“, sagt André Bauer. Aber so schwer es ihm auch fiel, sie verletzen zu müssen, er blieb im Westen Deutschlands. „Mein Entschluss gab mir so viel Kraft und Energie, dass ich die Chance nutzen wollte.“ In Frankfurt am Main wollte er an sein Gesangsstudium anknüpfen, sang vor, wurde aber belächelt: „Sie werden in Deutschland nie Sänger werden.“

Doch André Bauer ließ sich nicht davon abbringen, studierte an einer privaten Musicalschule und blieb in Theaternähe. Gleich nach der Schule hatte er in Görlitz Tischler gelernt und nutzte nun den Beruf, um hinter den Kulissen am Theater zu arbeiten. Auch seine Fechtkenntnisse halfen ihm weiter, er trainierte Schauspieler im Bühnenfechten. Vor allem aber folgte er immer wieder seiner Intuition, traf Menschen, die ihn unterstützten und an ihn glaubten. So wurde er nicht nur Sänger, sondern Musical-Star. 16 Jahre lang, bis zum letzten Sommer, war er an den Vereinigten Bühnen in Wien tätig, seitdem ist er als freier Künstler mit Shows unterwegs und tritt in Musicals als Gast auf. „Am Theater gerät man irgendwann in eine Schublade“, sagt André Bauer. Für einen freien Künstler ergibt sich mehr durch Zufall. So war es auch mit Udo Jürgens. „Ich hatte ihn immer unter Schlager verbucht“, sagt André Bauer. Doch als er gefragt wurde, ob er die Rolle in „Ich war noch niemals in New York“ übernehmen wolle, beschäftigte er sich intensiv mit den Songs und begann deren Tiefe und Erfahrung zu schätzen. Bei seinem letzten Auftritt lernte er Udo Jürgens sogar kennen. Wenn er am Tag vor Weihnachten in der Obermühle mit seinem Udo-Jürgens Programm auftritt, dann ist das eigentlich ein Konzert für seine Mutter. „Früher ist sie für jede Inszenierung, in der ich auftrat, nach Wien gekommen“, sagt André Bauer. „Nun komme ich nach Görlitz, um ihr mein Programm zu Hause vorzusingen.“ Tatsächlich wollte er die Lieder in der heimischen Küche singen, doch sein Vater schlug den Heuboden der Obermühle vor. So haben am Sonnabend noch mehr Leute etwas von „Aber bitte mit Sahne“. Eintrittskarten werden nicht verkauft, aber Spenden sind willkommen

Konzert am 23. Dezember 18 Uhr, Mehlboden der Obermühle, Anmeldung unter 03581879832.