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Görlitzer IHK-Chef greift zum Abschied in die Saiten

Lobreden erntet am Dienstag Christian Puppe. Ratschläge für den Nachfolger gibt’s nicht.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Nach einer Stunde Reden überrascht Christian Puppe selbst Gäste, die ihn gut zu kennen glaubten. Er greift sich die Bassgitarre, sein Nachfolger als Görlitzer IHK-Chef, Frank Großmann, schnallt sich die Gitarre um und die Mitarbeiterinnen bilden den Chor. Schon erklingen die ersten Töne, und die Görlitzer IHK-Band stimmt in den umgedichteten Frank-Schöbel-Hit „Mit uns kann man’s ja machen“ an. Politiker und Unternehmer stimmen mit ein, klatschen im Rhythmus. Wenn es zuvor etwas steif in der IHK-Geschäftsstelle geworden war, so ist das nun wie weggeblasen. Selbst im Abschied bewegt Puppe noch einmal.

Selbst gewählter Ruhestand

Am Ende des Monats geht er in den selbst gewählten Ruhestand, wie IHK-Hauptgeschäftsführer Detlef Hamann sagt. Doch an diesem Dienstag dreht sich im IHK-Haus auf der Jakobstraße alles um den Noch-Hausherrn. Landrat, Oberbürgermeister, die Handwerker, Unternehmer, selbst eine polnische Botschaftsrätin – sie alle loben den Mann, der fast zehn Jahre die Geschäftsstelle der IHK in Görlitz leitete und sie wieder, wie Hamann betont, zu einem Ansprechpartner der regionalen Wirtschaft machte. Angesichts der immer wieder mal aufflammenden Diskussionen unter Unternehmern über IHK-Zwangsmitgliedschaft samt Beiträge ist es für die Mitarbeiter der Kammer in den Regionen nicht immer leicht. Doch ähnlich wie die langjährige Zittauer Geschäftsstellenleiterin Gudrun Laufer gelang es auch Christian Puppe beispielhaft, für die Wirtschaft da zu sein und deren Interessen an die Politik heranzutragen. „Sie waren ein wahrer Interessenvertreter der regionalen Wirtschaft und darüber hinaus“, ruft ihm der Görlitzer Unternehmer Helmut Goltz nach.

Puppe tat das mitunter lautstark, setzte auch bei der letzten OB-Wahl in Görlitz offen auf einen Wechsel. Hin und wieder zwang das die Dresdner IHK-Zentrale zum Ordnungsruf. Schließlich würden Oberbürgermeister nicht von IHK und Kreishandwerkerschaft ins Amt eingesetzt, wie Hamann sagt. Doch zusammen mit dem Chef der Kreishandwerkerschaft, Knut Scheibe, mischte sich der 63-jährige Puppe auch immer wieder in die Görlitzer Politik ein. „Es ging uns aber nie um persönliche Interessen oder Klientelpolitik“, erläutert nun Scheibe das Erfolgsrezept der Beiden, „sondern unser Ziel war immer, die Wirtschaft voranzubringen.“

So gründete die Stadt auf Drängen der Wirtschaft die städtische Europastadt Görlitz/Zgorzelec GmbH , holte Puppe den Tourismus-Experten Johann-Friedrich Engel nach Görlitz, der die gültige Leitidee für den Berzdorfer See entwickelte und drang stets darauf, den Handel in der Stadt stärker zu unterstützen. Wenn Oberbürgermeister Siegfried Deinege nun auch die Postplatz-Umgestaltung als Ergebnis der Wünsche der Händler vorstellte, dann ist das ein Ergebnis von Puppes Drängen zusammen mit dem Fachgremium Handel bei der IHK. Doch Puppe wäre eben nicht er selbst, wenn er nicht im selben Atemzug die Stadt mahnen würde, den Bauablauf am Postplatz so zu gestalten, dass auch die Geschäfte rings um den Platz die Bauzeit überstehen werden. „Er sieht das Glas immer halb leer“, beschrieb sein Chef, Detlef Hamann, eine Eigenschaft von Puppe.

Als er 1991 zur IHK kam, da lag sein erstes Berufsleben gerade hinter ihm. Nach Schlosserlehre, Abendstudium, Ingenieur- und Pädagogik-Studium hatte Puppe bis zur politischen Wende als Ausbildungsleiter im Braunkohlenwerk in Hagenwerder gearbeitet. Nach einem Zwischenspiel beim Tüv landete er schließlich als Ausbildungsberater bei der IHK. Er betrieb sehr erfolgreich den Firmenausbildungsring Oberlausitz, um jungen Menschen in der Region eine Perspektive zu geben. Und initiierte den Ausbildungstag bei der IHK. Ohne ihn gebe es wohl auch keine Ausbildungsmesse „Insidertreff“, wie Landrat Bernd Lange versichert. Der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege bedankt sich bei Puppe, dass er so frühzeitig dieses Thema in den Vordergrund geschoben habe. In den kommenden Jahren, gibt sich Deinege optimistisch, würden sich junge Leute die Lehrstelle aussuchen können. „Uns fehlt durch die Abwanderung eine ganze Generation“, sagt Deinege.

Herzensangelegenheit mit Polen

Ob sie mit polnischen Einwanderern zu schließen ist, weiß niemand. Doch dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit über die Grenze hinweg wichtig für die Region ist, davon ist Christian Puppe überzeugt. Er sei häufiger in Breslau, Hirschberg oder Grünberg als in Dresden gewesen, spitzt Detlef Hamann zu. Puppe selbst spricht von einer „Herzensangelegenheit“. Eine polnische Handwerkerschaft berief ihn sogar zu ihrem Ehrenmitglied. Die „freundliche und optimistische“ Art der Polen habe ihn immer begeistert, sagt Puppe, der sich vor allem über die vielen polnischen Gäste an diesem Tag freut. Sie erleben schließlich, wie ihn die Dresdner IHK hoch auszeichnet: Als Fünfter überhaupt erhält Puppe die Goldene Ehrennadel.

Wenn er in zwei, drei Tagen den Posten räumt, dann rückt Frank Großmann nach. Er ist schon seit Jahren bei der Görlitzer IHK als Wirtschaftsförderer tätig. Das wird ihm den Einstand erleichtern. Er ist kein Fremder, muss sich nicht erst vorstellen. Großmann kann gleich in die Vollen gehen und will auch neue Akzente setzen: Mehr Präsenz im nördlichen Landkreis, eine intensivere Zusammenarbeit mit der Hochschule beispielsweise. Christian Puppe gibt ihm an diesem Tag keine Ratschläge, sondern nur ein Bild vom früheren Haus der Kammer in Görlitz. Immerhin ist die Görlitzer IHK die älteste in Sachsen. Solch große und wechselvolle Tradition liegt nun in den jüngeren Händen.