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Görlitzer Griechen sind jetzt Kunst

Eine hundert Jahre alte Episode der Görlitzer Stadtgeschichte hat es auf die Documenta in Kassel geschafft.

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© Stadtarchiv Görlitz

Von Alexander Buchmann

Deutsche, die mit Willkommen-Schildern an Bahnhöfen stehen, gibt es nicht erst seit der Flüchtlingskrise. Ein Beispiel aus Görlitz liegt sogar schon rund hundert Jahre zurück. Als im September 1916 die ersten von knapp 7 000 griechischen Soldaten in der Neißestadt angekommen sind, begrüßten die Einwohner sie mit einem am Bahnhof angebrachten Spruchband mit der Aufschrift „Xaipete!“. Das ist griechisch und heißt „Willkommen!“. Die selbst in Görlitz lange Zeit vergessene Geschichte ist nun vom griechischen Künstler Zafos Xagoraris aufgegriffen worden. Das Ergebnis ist in Kassel zu sehen und auch zu hören. Denn dort findet aktuell die Documenta statt, die weltweit bedeutendste Schau zeitgenössischer Kunst. In diesem Jahr sogar mit der Besonderheit, dass es noch bis zum Sonntag eine zweite Schau in Athen gibt.

Aus Athen kommt auch Zafos Xagoraris. Dessen Kunstwerk mit dem Titel „The Welcoming Gate“ ist eine Nachbildung eben jenes Görlitzer Transparentes von 1916. Akustisch untermalt wird das Ganze mit einer Soundinstallation, bei der auch Originalaufnahmen von damals verwendet wurden. „Dieses historische Ereignis verweist in vielerlei Hinsicht auf das, was heute passiert. Und ich versuche, die aktuelle Situation in meine Installation zu integrieren, indem ich lokale Sounds aus Kassel mit Geräuschen aus der Vergangenheit vermische“, erklärt Zafos Xagoraris in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Deutschen seien damals sehr freundlich zu ihren Gästen gewesen und hätten den Griechen in dem Lager, in dem sie untergebracht waren, viele Freiheiten gelassen. Dabei seien auch Tonaufnahmen entstanden, die zu den ersten Aufnahmen griechischer Musik und Sprache überhaupt zählen, sagt er. In seiner Geburtsstadt lebt der 1963 geborene Künstler noch immer und ist dort als Professor an der School of Fine Arts tätig. Das Verwenden historischer Bilder und Klänge ist typisch für seine Arbeit. Dadurch holt er eine Geschichte oder ein Ereignis aus der Vergangenheit in die Gegenwart.

Das Ereignis in diesem Fall ist die Aufnahme des 4. Armeekorps Griechenlands in Görlitz mitten im Ersten Weltkrieg. Die königstreuen Soldaten standen der aufkommenden Republik skeptisch gegenüber. In Deutschland wurden sie daraufhin als „Gäste der Reichsregierung für die Dauer des Krieges“ aufgenommen.