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Görlitzer Flaniermeile unter Bäumen

Die Dr.-Kahlbaum-Allee war einst eine beliebte Promenade für Fußgänger. Zunehmender Fahrzeugverkehr änderte das.

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© Claus Bernhard

Von Claus Bernhard

Die Stadtverwaltung plant eine Baumreihe an der Dr.-Kahlbaum-Allee. Mit der Neugestaltung dieser Straße, einst Boleslaw-Bierut-Straße und noch bekannter zuvor als Promenade, soll ein Teil des ursprünglichen Gedankens zurückkehren: Promenieren unter schattigen Bäumen.

Später verschwand von dort bis zum heutigen Abzweig zur Stadtbrücke die Promenade völlig, während sie in Richtung Innenstadt nur noch als unattraktive Restfläche neben der Fahrbahn verblieb. Mit neuen Baumpflanzungen könnte künftig der alte Promenaden-Cha
Später verschwand von dort bis zum heutigen Abzweig zur Stadtbrücke die Promenade völlig, während sie in Richtung Innenstadt nur noch als unattraktive Restfläche neben der Fahrbahn verblieb. Mit neuen Baumpflanzungen könnte künftig der alte Promenaden-Cha © Claus Bernhard
Der Plan von 1850 zeigt den Verlauf der einstigen Promenade zwischen heutiger Elisabethstraße und Blockhaus-/Schillerstraße. Zur besseren Einordnung hervorgehoben: 1 Frauenkirche, 2 Ständehaus, 3 Tivoli, 4 Blockhaus.
Der Plan von 1850 zeigt den Verlauf der einstigen Promenade zwischen heutiger Elisabethstraße und Blockhaus-/Schillerstraße. Zur besseren Einordnung hervorgehoben: 1 Frauenkirche, 2 Ständehaus, 3 Tivoli, 4 Blockhaus. © Claus Bernhard

Indes: Die Promenade war gar nicht die erste Allee in Görlitz. Bereits 1777 ließ Bürgermeister Modrach von seinem Bauinspektor Lerche vor den Toren der Stadt von der Bautzener Straße bis zum heutigen Marienplatz, parallel zu den Radeläuben, Linden und Buchenhecken anpflanzen. Man wollte dem stickigen Straßenmief entfliehen, hieß es. Zur selben Zeit entstanden südlich der Stadtmauern viele Gärten mit Sommerhäusern durch das gehobene Bürgertum. Um nur einige zu nennen: Sohr, Schrickel, Hartmann, Schmidt, Richtsteig, Struve. Eine weitere Aufwertung erhielt das Gebiet mit dem Anlegen einer vierreihigen Baumallee zwischen 1829 und 1836.

Im damaligen Sprachgebrauch war es die „neue Promenade“. Diese führte vom Webertor bis auf die Obermühlberge. Christian Friedrich von Schrickel, welcher bekannt war für die landschaftliche Gestaltung seines Gartens in der Kahle (heute Johannes-Wüsten-Straße), spendete die Linden zum Anlegen der Allee. Da er 1835 starb, wurde ihm zum Dank an der Kreuzung zur Sommergasse (heute James-von-Moltke-Straße) eine Eiche gepflanzt, die Schrickel-Eiche. Sie wurde zu einem wichtigen Orientierungspunkt. In der Straßenpolizeiverordnung von 1905 steht zum Beispiel: „Fahren von Kinderwagen, Kranken und Schwachen in Handwagen oder Rollstühlen ist gestattet auf der Promenade vom Portikus bis zur Schrickel-Eiche.“ Leider gibt es von diesem Baum keine Abbildung, denn beim späteren Ausbau der Kreuzung musste er weichen.

Mit dem Abbruch der Stadtmauern und des Webertores um 1850 setzte auch das Baugeschehen entlang der Promenade ein. Die Heilige-Geist-Kirche wurde 1853 gebaut, gegenüber war 1857 die Societät aktiv, und so wurde aus der Promenade bis zum Portikus die Friedrich-Wilhelm-Straße (heute Joliot-Curie-Straße). Vom Portikus bis zum Blockhaus entstanden das Ständehaus (1854), die Geißlersche Villa (1861, 1904 abgebrochen), das Tivoli (1870), das Freise-Bad (1887) und die Kahlbaumsche Anstalt (1854). Für etwa 100 Jahre war bei den Görlitzern ein Spazierengehen entlang der kompletten Baumallee angesagt, denn das Blockhaus war ab 1857 eine Gaststätte mit Gartenbetrieb sowie einer herrlichen Aussicht auf das Neißetal und auf Iser- und Riesengebirge. Im Nachkriegswinter 1945 wurde der Portikus zu Brennholz verarbeitet. Der spätere Straßenausbau bis zum Tivoli mit Verbreiterung der Fahrbahn ließ den Promenadencharakter verschwinden.

Dieser Teil der Dr.-Kahlbaum-Allee soll nun wieder mit Baumreihen zurückgestaltet werden. Das ist Stückwerk. Denn vom Tivoli bis zum Blockhaus stehen die Baumreihen noch, von einem Promenieren kann aber keine Rede sein. Besonders das Stück vom Abzweig Obermühle bis zum Blockhaus lässt zu wünschen übrig. Ein schmaler schlechter Fußweg führt neben einer abgesperrten Fläche, die teils als holpriger Parkplatz gilt, den Berg hinauf. Gerade im oberen Teil stehen wahrscheinlich die ältesten Bäume, einige haben einen Umfang von 4,50 m. Vielleicht ist irgendwann einmal Geld vorhanden, auch den weiteren Verlauf der Dr.-Kahlbaum-Allee in einen gut begehbaren Zustand zu versetzen?