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Görlitzer Badeanstalt erlebte politische Wirren

Vor 75 Jahren wurde das Helenenbad, einst Stätte der Arbeitersportler, von den Nazis vereinnahmt.

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Von Roland Otto

Die Überschrift „Eröffnung des Volksbades der Deutschen Arbeitsfront am 19. Mai 1934“ gefiel dem sich im nationalsozialistischen Fahrwasser befindlichen „Neuen Görlitzer Anzeiger“ (NGA). Und das NSDAP-Presseorgan die „Oberlausitzer Tagespost“ (OTP) schrieb: „Dieses ehemalige rote Helenenbad ist jetzt in nationalsozialistischen Händen und damit von deutschen Männern geführt.“

Die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) wurde am 10. Mai 1933 gegründet und war ein rechtlich der NSDAP angeschlossener Verband. Mit ihren etwa 23 Millionen Mitgliedern 1938 war sie die größte Massenorganisation und galt als Einheitsgebilde „aller schaffenden Deutschen“ unter ihrem Reichsleiter Robert Ley. Dazu gehörte u. a. auch die bekannte NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“.

Baronin überließ Gelände

Bereits im Januar 1921 hatten Mitglieder des Arbeiterschwimmvereins beschlossen, trotz der infolge des Ersten Weltkrieges schwierigen wirtschaftlichen Lage aus eigener Kraft ein Schwimmbad zu bauen nicht zuletzt, weil es keine guten Beziehungen zum bürgerlichen Wassersportverein „Weddigen“ Görlitz gab, dessen Domizil das „Stadtbad Weinbergpark“ war.

Die Baronin Helene von Carnap, damalige Besitzerin des Leontinenhofes, kam den Arbeitersportlern entgegen, indem sie ihnen das für ein Bad geeignete Gelände zu günstigen Bedingungen überließ. Den Auftrag übernahm die „Bauhütte Görlitz“, die für Gewerkschaften zuständige Baufirma. Doch ohne Unterstützung der Bevölkerung hätte das Projekt nicht realisiert werden können. Für die freiwilligen Arbeitsleistungen konnte kein Pfennig bezahlt werden, dafür gab es Aufbaumarken. Hinzu kam, dass der Leontinenhof zum Nulltarif alle erforderlichen Gespanndienste übernahm. So konnte das Helenenbad noch 1922 eröffnet werden. Es wurde durch das Quellwasser von den „Sieben Börner“ versorgt. Das Schwimmbecken ist immerhin 70m lang und 25m breit. Hinzu kommt ein Nichtschwimmerbassin von 20 x 25m. Ehrenamtliche Übungsleiter bildeten regional gute Schwimmer, Springer und Wasserballspieler aus.

Großer Beliebtheit erfreuten sich die ansteigenden Liegewiesen. Hier gab es auch keine Trennung von Männern und Frauen, was damals durchaus noch nicht selbstverständlich war. Infolge der sozialen Lage mussten damals viele Familien auf ausgedehnte Urlaubsreisen verzichten und erholten sich deshalb im Helenenbad.

Etwas prosaisch schrieb damals der Görlitzer Stadtbaurat Heinrich Küster: „Bilder schönster Lebensfreude sind es, wenn Vater, Mutter und Kinder, frei von der Last der Kleidung ihre Glieder im Grase strecken und sich von der Sonne bescheinen lassen.“ Natürlich waren auch die Nazis bestrebt, die Arbeiter, denen sie auch Wählerstimmen verdankten, „bei der Stange zu halten“. So betonte der DAF-Kreisleiter Helmut Bräuniger in seiner Eröffnungsansprache „dass die Deutsche Arbeitsfront für die Volksgesundheit des Arbeiters der Stirn und der Faust, der deutschen Jugend und für die Sportverbundenheit bestens sorgt. Wir kümmern uns um den deutschen Arbeiter.“ Die obligatorische Hissung der Fahnen der DAF fand unter dem Leitspruch Bräunigers „Nichts für mich, alles für Deutschland!“ statt. Pech hatte man an diesem späten Freitagnachmittag allerdings mit dem Wetter. Die Luft war kühl, und auch die Wassertemperatur betrug nur 18 Grad Celsius.

Wohl deshalb war die Beteiligung an den Sportwettkämpfen im Rahmen der Eröffnung nicht so zahlreich wie erhofft. Der Sieger über 100m-Kraul schlug nach damals respektablen 1:12,4 Minuten an. Hinzu kamen noch das Jugend- und Staffelschwimmen sowie das Kunstspringen der Herren vom 3- und 5-Meterbrett. Den abschließenden Höhepunkt bildete ein Wasserballspiel mit kombinierten Mannschaften der Sportvereine „Weddigen“ und „Viktoria 1905“.

Der Autor ist Mitarbeiter des

Görlitzer Ratsarchivs. In loser Folge

erinnert er 2009 mit mehreren Beiträgen

an politische Ereignisse vor 75 Jahren.