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Görlitz wird wieder bunter

Graffiti-Künstler Sokar Uno war erneut in der Stadt. Doch jetzt gibt es auch Kunst für zu Hause oder zum Verschenken.

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© Jessica Frömter (SWG)

Von Ingo Kramer

Görlitz. In Königshufen ist jetzt immer Sommer, zwölf Monate im Jahr. Am Alexander-Bolze-Hof blüht ganz ausdauernd ein großes Feld voller Sonnenblumen. Allerdings ist auch ganzjährig Herbst mit Drachensteigen, Winter mit eisiger Kälte und Frühling mit Marienkäfern. Der ursprünglich aus Gotha stammende und heute in Berlin lebende Graffiti-Künstler Sokar Uno war es, der die vier Jahreszeiten auf die vier Seiten eines Stromhäuschens gesprüht hat.

Sascha Caron nennt das kleine Gebäude fachlich korrekt „Umspannstation“. Caron ist Sprecher der Stadtwerke Görlitz AG – und die war es, die Sokar Uno jetzt erneut nach Görlitz gebeten hat. „Beim Alexander-Bolze-Hof war unsere einzige Vorgabe, dass die Gestaltung kindgerecht sein soll, denn gleich gegenüber steht die Oberschule Königshufen“, erklärt Caron. Mit dem Ergebnis ist er sehr zufrieden: „Sokar Uno hat anderthalb Tage gebraucht und nun sieht die Umspannstation richtig gut aus.“ Vorher war sie eher ein Schandfleck: Weniger begabte Sprüher hatten sie zum Ärger der Anwohner immer wieder verunstaltet.

Mit dem 29-jährigen Sokar Uno haben die Stadtwerke bei zwei anderen Stromhäuschen in der Hotherstraße und am Brautwiesentunnel bereits sehr gute Erfahrungen gemacht. Auch diese Gebäude waren zuvor immer wieder wild besprüht worden. Seit Sokar Uno sie im vorigen November beziehungsweise in diesem April neu gestaltet hat, gab es nie wieder Ärger: Die einheimischen Sprüher respektieren die Kunstwerke des Profis, der es zu einiger Popularität gebracht hat, von der Kunst leben kann und mittlerweile sogar einige seiner Werke in New York ausstellt.

Der Kontakt zwischen Sokar Uno und den Stadtwerken war ursprünglich über das Jugendkulturzentrum Basta zustande gekommen, das direkt neben dem Stromhäuschen in der Hotherstraße steht und ebenfalls unglücklich über den einstigen Zustand des Gebäudes war. Im Basta selbst hat Sokar Uno auch schon eine Wand gestaltet, außerdem sind auf dem Gelände der Energiefabrik (frühere Hefefabrik) an der Bautzener Straße/Hilgerstraße mehrere seiner Werke zu sehen. Mittlerweile denken die Stadtwerke bereits über weitere Aufträge für den Künstler nach: „Wir lassen ihn vielleicht nächstes Jahr wieder eine Station gestalten, haben aber noch kein konkretes Objekt im Blick“, so Caron.

Übernachtet hat der Künstler diesmal bei Bekannten in der Innenstadt. Die engagieren sich in ihrer Freizeit am Weinhübler Kühlhaus – und konnten Sokar Uno bei dieser Gelegenheit gleich noch für einen Auftrag dort gewinnen. „Er hatte zum Glück noch ein bisschen Zeit und Farbe“, sagt Danilo Kuscher vom Kühlhaus. Auf einer eilig ausgesuchten etwa vier mal vier Meter großen Außenwand auf dem Kühlhaus-Gelände ließ der Verein dem Künstler komplett freie Hand. Entstanden ist das Bild einer Frau an einem Treppengeländer. Es ist für alle Besucher gut sichtbar. „Seither bekommen wir ständig Anfragen zu dem Bild, und zwar durchweg positiv“, freut sich Danilo Kuscher. Viele Gäste ganz unterschiedlichen Lebensalters bleiben davor stehen und bewundern das Werk.

Der Kühlhaus-Verein engagiert sich bereits seit einiger Zeit für Kunst. In diesem Sommer organisierte er erstmals die Urban-Sketching-Tage. „Urban Sketching“ bedeutet im Deutschen so viel wie „Zeichnen in der Stadt“. Es geht darum, seine Umgebung schnell zu erfassen und zu skizzieren. Das muss nicht perfekt aussehen, es geht nur um eine Momentaufnahme. In großen Städten, besonders in Berlin, ist Urban Sketching ein Trend. In Görlitz waren Ende Juni/Anfang Juli 25 Illustratoren und Künstler in der Stadt unterwegs und haben das Erlebte in kleinen Momentaufnahmen im Skizzenbuch festgehalten. „Mit einigen Ergebnissen haben wir einen Kalender für 2017 gestaltet und zusätzlich drei Postkartenmotive der Stadt Görlitz“, erklärt nun Juliane Wedlich vom Kühlhaus-Verein.

Der Kalender fürs heimische Wohnzimmer – oder auch noch in letzter Minute als Weihnachtsgeschenk – ist für zehn Euro zu haben, jede Postkarte kostet einen Euro. „Bei unserem Weihnachtsmarkt im Kühlhaus am vorigen Sonnabend haben wir schon einen guten Teil verkauft“, freut sich Juliane Wedlich. Der Rest ist nun in der Jakobpassage, Jakobstraße 5 a, sowie in der Görlitz-Information auf der Brüderstraße erhältlich. Die gesamten Einnahmen – abzüglich der Druckkosten – sollen in die nächsten Urban-Sketching-Tage fließen.

„Dieses Jahr konnten wir das Ganze aus den Teilnehmerbeiträgen und einer Förderung der Veolia-Stiftung bezahlen“, sagt Juliane Wedlich. Da die Veolia-Stiftung keine Projekte dauerhaft fördert, musste Ersatz her. So entstand die Idee für Kalender und Postkarten. Ersterer beinhaltet zwölf Motive von zwölf verschiedenen Künstlern, die Postkarten zeigen eine Häuserzeile, einen Blick über die Altstadtbrücke und einen über die Dächer der Altstadt. Die Urban-Sketching-Tage können nur stattfinden, wenn genug Geld zusammenkommt: „Die Teilnehmerbeiträge allein reichen nicht.“