Merken

„Görlitz trifft es besonders hart“

Siemens-Manager Willi Meixner erklärt die Gründe für die Werksschließung. Das Wahlergebnis spiele dabei keine Rolle.

Teilen
Folgen
© imago/IPON

Herr Meixner, ist der Schließungsbeschluss das letzte Wort von Siemens zum Görlitzer Werk?

Manager Willi Meixner ist Chef der Division Power und Gas bei Siemens.
Manager Willi Meixner ist Chef der Division Power und Gas bei Siemens. © Siemens AG

Die Entscheidung zur geplanten Werksschließung ist nicht von heute auf morgen gefallen. Ihr gingen monatelange Analysen und Abwägungen voraus. Und es ist ja nicht so, dass wir morgen in Görlitz die Tore schließen, und das war es dann. Wir werden jetzt auch niemanden von heute auf morgen auf die Straße setzen. Der Dialog mit der Arbeitnehmerseite wird jetzt bald beginnen, und dort beraten wir, wie die nächsten Jahre in Görlitz ablaufen sollen. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Nach den Beratungen wird es einen Maßnahmenplan geben, und heute gehen wir davon aus, dass die Umsetzung drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen wird.

Warum trifft es gerade Görlitz?

Görlitz trifft es besonders hart, aber harte Einschnitte wird es auch an anderen Standorten der Siemens-Division Power und Gas geben. Der Markt für Industrieturbinen verändert sich sehr schnell, darauf müssen wir reagieren. Der Wettbewerb ist erheblich härter geworden, innerhalb von 12 Monaten mussten wir die Preise auch für unsere Industrieturbinen aus Görlitz spürbar senken. Die Frage, die wir als gesamte Division beantworten müssen, ist: Wie stellen wir unsere Werke weltweit so auf, dass wir dauerhaft wettbewerbsfähig sind? Eine Antwort auf diese Frage ist, dass wir, wie auch Wettbewerber, das Produktionsnetzwerk insgesamt verkleinern müssen, und für das Görlitzer Turbinenwerk bedeutet das, dass wir aktuell planen, das Werk voraussichtlich in fünf Jahren zu schließen.

Der Siemens-Konzern ist breit aufgestellt und bedient viele Geschäftsfelder. Ist es denkbar, Geschäfte aus anderen Werken nach Görlitz zu verlagern?

Das werden wir uns in den Beratungen mit der Arbeitnehmerseite sehr genau ansehen. Es ist aber natürlich nicht leicht, Inhalte aus Bereichen außerhalb der Energieerzeugung zu transferieren. Das ist auch eine Frage der Kompetenzen, der Infrastruktur und der Marktchancen.

Vor zweieinhalb Jahren sagte das damalige Siemens-Vorstandsmitglied Siegfried Russwurm im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung: „Görlitz bleibt im Konzernverbund unser Leitwerk für industrielle Dampfturbinen. Andere Unternehmen würden den Standort vielleicht einfach schließen, aber das ist nicht unser Weg.“ War das eine Lüge?

Nein. Dieses Zitat ist zweieinhalb Jahre alt, und es war zum damaligen Zeitpunkt richtig. Wir hatten bis dahin in Görlitz viel investiert, unter anderem in eine hochmoderne Werkhalle, Testanlagen und einen Betriebskindergarten. Wir hatten Kapazitäten im Turbinenbau aus anderen Werken nach Görlitz verlagert, unter anderem aus Schweden. Und nun erleben wir seit etwa einem Jahr einen dramatischen Rückgang der Aufträge und einen Preisverfall auf dem Weltmarkt. Görlitz baut auch Anlagen für Solarkraftwerke. Aber chinesische Hersteller, zum Beispiel, bauen die gleichen Anlagen zu wesentlich niedrigeren Preisen.

Wie ist es im Moment um die Auslastung des Görlitzer Werkes bestellt?

Die Görlitzer Kollegen haben in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht und immer wieder ihre Produktivität verbessert. Trotz der harten Arbeit müssen wir jedoch feststellen, dass das Werk hinter den Zielen zurückbleibt. Ein Unternehmen wie Siemens hält dies auch eine Zeit lang aus. Aber wie ich schon sagte, die vergangenen zwölf Monate haben vieles verändert, und wir sehen leider keine Anzeichen, dass sich das wieder zum Positiven wandelt. Ich bin jetzt seit 24 Jahren in der Industrie tätig, aber so schnelle und drastische Veränderungen in Nachfrage und Preisen wie jetzt habe ich noch nie erlebt.

Wird es Angebote für Görlitzer Siemens-Werker geben, an andere Standorte zu wechseln?

Wie dieser Prozess genau aussehen wird, ist Sache der Beratungen mit den Arbeitnehmervertretern. Unser Ziel ist es, die Kompetenzen für Kraftwerks- und Turbinenbau in Deutschland zu behalten. Aber die Frage, ob und wo wir den rund 800 Görlitzer Siemens-Mitarbeitern Stellen in anderen Werken anbieten können, lässt sich heute nicht beantworten.

Ist die beabsichtigte Schließung der Werke Görlitz und Leipzig die Strafe für Pegida und das starke Wahlergebnis der AfD in Sachsen?

Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun! Wir haben Werke und Standorte weltweit mit insgesamt rund 46 000 Mitarbeitern. Für die müssen wir eine passende Aufstellung finden und die Auslastung der Werke dauerhaft sicherstellen. Bei dieser Entscheidung lassen wir uns nicht von Wahlergebnissen leiten. Wir sind unter anderem in Großbritannien, den Niederlanden und in den USA aktiv, auch dort lassen wir uns nicht von Wahlergebnissen beeinflussen. Unser Ziel ist, dass wir als Division für den weltweiten Strukturwandel bestmöglich aufgestellt sind.

Das Gespräch führte Tilo Berger.