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„Görlitz schlägt Angebote aus“

Verkehrsunternehmer Christian Schreyer macht sich Sorgen um Bus und Bahn und kritisiert Argumente der Stadt Görlitz, wie er im Interview verrät.

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© Ralph Schermann

Der Görlitzer Stadtrat hat im Oktober einem neuen Konzept für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zugestimmt. Der Stadtverkehr soll ab 2019 wieder in Verantwortung der Stadt liegen. Als Grund hieß es, dadurch könnten die Stadträte mehr Einfluss auf den Straßenbahn- und Busverkehr nehmen – außer auf die vom Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) zu entscheidenden Fahrpreise. Der Stadtrat beschloss zudem die Gründung der Görlitzer Verkehrsbetriebe mit OB Siegfried Deinege so lang als Geschäftsführer, bis diese Funktion durch Ausschreibung besetzt wird.

Christian Schreyer (48) ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Transdev GmbH. Das Tochterunternehmen der französischen Transdev-Gruppe (früher Veolia) betreibt zehn Eisenbahn- und 33 Bus- und Straßenbahnbetriebe in Deutschland.
Christian Schreyer (48) ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Transdev GmbH. Das Tochterunternehmen der französischen Transdev-Gruppe (früher Veolia) betreibt zehn Eisenbahn- und 33 Bus- und Straßenbahnbetriebe in Deutschland. © Transdev

Herr Schreyer, als Vorsitzender Geschäftsführer der Transdev, zu der (noch) die Verkehrsgesellschaft Görlitz gehört, haben Sie die beiden Stadtratsbeschlüsse sicher nicht erfreut.

Das kann man so sagen, doch das wäre zu einfach. Nein, wir haben große Sorge, dass der ÖPNV in Görlitz, der seit 2001 mit großem Erfolg von der Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG) durchgeführt wird, in eine deutliche Schieflage kommt. Damit wären die Fahrgäste die Betroffenen.

Ist das so? Der Übergang muss sich doch regeln lassen, zumal ein Konsortialvertrag von 2001 die Zusammenarbeit der Vertragsparteien zur Organisation, Finanzierung und Durchführung des ÖPNV in Görlitz regelt.

Vertragspartner sind die Stadt Görlitz und über eine Zwischengesellschaft mittelbar Transdev und Veolia. Ja, der Konsortialvertrag ist die Basis für die Zusammenarbeit aller Partner. Veolia ist Partner, weil in diesem Vertrag auch die Versorgungsangebote der Stadtwerke geregelt sind. Der Vertrag hat eine Mindestlaufzeit für den Teil Verkehr bis 2021 und für das Ende der Liniengenehmigung der Straßenbahn sogar bis 2027. Für die Durchführung des Bus- und Straßenbahnverkehrs in Görlitz ist die VGG verantwortlich. Gesellschafter der VGG wiederum sind Transdev und die Stadtwerke Görlitz. Transdev hat die unternehmerische Führung bei der VGG, über die Stadtwerke wird der Zahlungsfluss zwischen Stadt und Transdev/VGG organisiert.

Es gibt also eine Vertragsebene (Konsortialpartner), eine Durchführungsebene (VGG) und als Verbindungsorgan dieser Ebenen die Stadtwerke?

Das ist richtig. Und Gesellschafter der Stadtwerke sind wiederum die Stadt Görlitz sowie mittelbar Veolia und Transdev.

Wieso ist dann immer von einem Vertragsende bereits 2017 die Rede?

Das betrifft Stadtbusse. Ich komme gern noch darauf zurück. Wichtig ist zu dieser Frage aber erst einmal das: Während der Konsortialvertrag bis mindestens 2021 läuft, endet 2017 der dazugehörige Finanzierungsvertrag. Er müsste neu verhandelt werden. Eine erste Neuverhandlung der Finanzierung dieses Vertrages fand schon 2008 statt und führte 2011 zu einer Zuschuss-Senkung zugunsten der Stadt Görlitz. Transdev hat erklärt, den Vertrag weiter fortführen zu wollen, die Stadt Görlitz aber sieht rechtliche Probleme, einen Finanzierungsvertrag neu zu vereinbaren. Transdev erklärte sich sogar bereit, mit einer kürzeren Laufzeit bis 2021 einverstanden zu sein und auch den Zuschuss abzusenken. Mehr noch: Wir haben Görlitz angeboten, den Verkehr der Stadtbusse völlig ohne kommunale Zuschüsse durchzuführen. Das sind Angebote, die vielleicht in der Bevölkerung unbekannt sind, weil bei Vertragsverhandlungen verständlicherweise viel hinter geschlossenen Türen bleibt.

Wenn ich Sie richtig verstehe, bleibt die Stadt Görlitz ungeachtet Ihrer Angebote bei der Position, den Finanzierungsvertrag nicht verlängern zu wollen?

Nicht nur das, wie die beiden Stadtratsbeschlüsse jetzt unterlegen. Die Stadtverwaltung strebt den sogenannten Rückfall der VGG an die Stadt Görlitz zum Ende des Jahres 2017 an. Was dabei besonders fragwürdig anmutet ist, dass in einem Übergangsjahr, nämlich 2018, die Stadt Görlitz möchte, dass Transdev dann den Verkehr noch zwölf Monate lang ohne Zuschüsse durchführt. Auf gut Deutsch gesagt: Man will uns etwas wegnehmen und bis dahin unsere Leistungen umsonst. 2019 soll dann die VGG an die Stadt zurückfallen.

Geht das dann überhaupt mit dem neu gegründeten Verkehrsunternehmen?

Es soll ab 2019 die Görlitzer Verkehrsbetriebe (GVB) geben. Die GVB haben außer dem ersten Geschäftsführer keine Mitarbeiter. Sie haben auch keinerlei Erfahrung, wie Nahverkehr organisiert wird, sollen aber ab 1. Januar 2019 für die Durchführung verantwortlich sein. Das will ich nicht weiter kommentieren. Hinzu kommt, wie schon kurz angesprochen, dass die Genehmigungen für den Busbetrieb der VGG zum Jahresende 2017 auslaufen und derzeit die erforderlichen Genehmigungen noch gar nicht an die VGG erteilt sind. Die Anträge liegen zur Entscheidung bei der Genehmigungsbehörde, die wiederum auf eine Stellungnahme der Stadt wartet ...

Klar, dass Sie in der Görlitzer ÖPNV-Entwicklung für Ihr Unternehmen werben. Was wäre aber für Sie unabhängig aller Kontroversen jetzt zu tun?

Es sollten sich alle Beteiligten ohne irgendwelche Vorbedingungen an einen Tisch setzen und über die geordnete Fortführung des ÖPNV reden. Die beste Alternative in diesem komplexen Vertragskonstrukt wäre es, eine Zwischenlösung bis 2021 zu finden, um bis dahin die Neubeschaffung von Straßenbahnen organisieren und den Betrieb des Stadtnetzes mit Sorgfalt und ausreichender Zeit ausschreiben zu können.

Gespräch: Ralph Schermann