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„Görlitz hat Grenze bei Asylbewerbern erreicht“

Oberbürgermeister Siegfried Deinege setzt jetzt auf Integration. Im Kreis entspannt sich die Lage leicht.

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© dpa

Von Sebastian Beutler

Görlitz habe eine „gewisse Grenze“ bei der Aufnahme von Asylbewerbern erreicht. Das erklärte Oberbürgermeister Siegfried Deinege in seiner Rede zum 1. Mai am Sonntag vorm Görlitzer Theater. Derzeit lebten 160 Familien und damit 670 Personen in der Stadt, die dezentral in Wohnungen untergebracht seien. Die Stadt habe sich entschlossen, angesichts des Verlustes von rund 20 000 Einwohnern in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Familien aufzunehmen. Das sei auch geschehen. Doch nun wolle die Stadt keine zusätzlichen Wohnungen in Anspruch nehmen. Er rechne sogar mit einer Reduzierung. Dahinter steht die Beobachtung, dass Flüchtlinge mit Bleibestatus oder Einwanderer, deren Asylgesuch stattgegeben wurde, schnell zu Verwandten oder Bekannten in anderen deutschen Städten ziehen. Zwar will die Bundesregierung unter bestimmten Bedingungen eine Residenzpflicht für Einwanderer einführen, doch liegt dazu noch kein Gesetz vor. Für Deinege gehe es jetzt vor allem um die Integration von Flüchtlingen. So bestehen in Görlitz 17 Klassen, in denen Deutsch für Ausländer gelehrt werden. Außerdem versuche man, die erwachsenen Einwanderer auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Gelinge das nicht, würden die Einwanderer schnell zu Hartz-IV-Fällen. Wie die Lage im gesamten Landkreis ist, fasst die SZ nach Informationen des Landratsamtes zusammen.

Wie viele Asylsuchende leben derzeit im Landkreis Görlitz?

Anfang dieses Monats lebten im Landkreis rund 2 300 Asylsuchende, darunter 580 Einzelpersonen. Sie kommen vorrangig aus Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Eritrea. Derzeit sind die Heimunterkünfte im Landkreis Görlitz zu rund 65 Prozent belegt, das heißt, einer Gesamtkapazität von 1222 Plätzen stehen 400 freie Plätze gegenüber. Laut Landesdirektion soll der Kreis bis Ende Mai noch rund 75 Personen aufnehmen. Für die Zeit danach liegen noch keine Prognosen vor, der Kreis rechnet mit mindestens 100 Personen im Monat.

Wie erfolgt die Integration der Asylsuchenden?

Asylbewerber kommen ohne Unterstützung nur schwer in Arbeit und Ausbildung. Deshalb stehen die Agentur für Arbeit Bautzen und der Landkreis Görlitz seit einem halben Jahr in engem Kontakt. Die Agentur für Arbeit Bautzen hat ab November 2015 zusätzliche Sprachkurse finanziert und damit auf die gestiegene Zahl der Asylantragsteller reagiert. So nehmen gegenwärtig im Landkreis Görlitz rund 600 Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea an Sprachkursen teil. Aktuell laufen 32 Kurse in Boxberg, Niesky, Kolm, Löbau, Görlitz, Weißwasser, Löbau und Zittau. Die Organisation im Landkreis hat das Sachgebiet Integration mit den Bildungsträgern übernommen. Die ersten Kurse werden demnächst abgeschlossen. Doch es soll weitergehen. Vorgesehen sind Aufbaukurse der Arbeitsagentur Bautzen namens „Perspektiven für Flüchtlinge - Potenziale identifizieren - Integration ermöglichen“.

Wie viele Arbeitsgelegenheiten gibt es für Asylsuchende im Landkreis?

Im Landkreis Görlitz konnten bislang 82 Asylsuchende eine Betätigung in einer Arbeitsgelegenheit finden. Dem Gesetz zufolge kann der Landkreis Arbeitsgelegenheiten sowohl zur Unterstützung der Betreibung der Gemeinschaftsunterkünfte als auch bei staatlichen, kommunalen und gemeinnützigen Trägern zur Verfügung stellen. Die Tätigkeitsbereiche der Arbeitsgelegenheiten sind breit gefächert. Abgedeckt werden unter anderem Aufgaben der Sprach- und Kulturvermittlung, der Unterstützung gemeinnütziger Vereine, der Ortsumfeldverschönerung, der Unterstützung in Schulen und Kirchen, der Arbeit mit Textilien und Holz, der Mitwirkung in Sozialkaufhäusern sowie Reparaturarbeiten. Pro tatsächlich geleisteter Stunde erhalten die Asylsuchenden eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro. Die Teilnehmer stammen momentan vor allem aus Syrien, Eritrea, Pakistan, Tschetschenien, Georgien, Afghanistan, Libyen, Kosovo, Libanon, Serbien, Albanien und Indien.

Wie viele unbegleitete Kinder und Jugendliche werden betreut?

Die Zahl der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen ändert sich ständig. Sie werden vom Landkreis in Obhut genommen und dezentral in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht. Anfang Mai waren es 127, darunter zwei Mädchen. Sie stammen vornehmlich aus Afghanistan, Irak und Syrien. Wichtigstes Ziel ist es, diesen Kindern möglichst schnell einen Schulbesuch zu ermöglichen.

Wie viel Geld erhält der Landkreis für jeden Asylbewerber?

Im Jahr bekommt der Landkreis 7 600 Euro pro Asylbewerber. Davon werden bezahlt: die monatlichen Regelleistungen, die Unterbringung, medizinische Leistungen, die Erstausstattung bei der Geburt eines Kindes, Zuschüsse für Schulfahrten und anderes.

Wie viel Geld erhält ein Asylsuchender im Moment?

Asylbewerber, die in zentralen Unterkünften oder Mietwohnungen des Landkreises wohnen, erhalten monatlich 326 Euro. Jedes weitere Mitglied einer Familie bekommt 293 Euro, Kinder entsprechend ihrem Alter weniger. Das liegt unter dem Hartz-IV-Satz. Davon müssen unter anderem Nahrung, Bekleidung, Hygieneartikel, Bustickets und Ähnliches bezahlt werden. Es gibt keine zentrale Versorgung. Asylbewerber müssen sich in der Regel selbst versorgen. Eine Ausnahme bilden vollziehbar ausreisepflichtige Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Hier hat der Gesetzgeber mit dem Asylpaket 1 eine Änderung herbeigeführt. So sollen für diesen Personenkreis nur noch Sachleistungen gewährt werden. In der Praxis ist dies in Gemeinschaftsunterkünften schwer umzusetzen, da sich hier sowohl Asylbewerber noch im Antragsverfahren aufhalten als auch vollziehbar Ausreisepflichtige. Ebenso unpraktikabel ist diese Verfahrensweise bei dezentral in Wohnungen untergebrachten ausreisepflichtigen Personen.

Infos unter www.kreis-gr.de