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Görlitz gehört jetzt zu den Kulturrouten

Derzeit sind 200 Denkmal- und Kulturexperten hier, darunter von der Unesco. Görlitz hofft, fürs Welterbe zu punkten.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Wieder ein Titel. Und wieder ein Schritt, um noch bekannter zu werden, vielleicht auch hilfreich für die Welterbe-Bewerbung: Görlitz wird heute in einen erlesenen Kreis aufgenommen – in den der Kulturrouten des Europarates. Das ist ein europaweites Netzwerk, in dem 35 Kulturrouten zusammengeschlossen sind. So bilden etwa um die 100 Städte, die alle an der alten Handelsstraße Via Regia liegen, eine Kulturroute. Weitere Kulturrouten sind beispielsweise die Jakobswege nach Santiago de Compostela, die Hanse, die Europäische Route des jüdischen Erbes oder die Route von Sankt Martin von Tours.

200 Vertreter der Kulturrouten tagen gerade in Görlitz. Und nicht nur das: Zum ersten Mal kommen Vertreter der Unesco, des Europarats, der Europäischen Union und der Kulturrouten zusammen. Sachsens Kultusminister Roland Wöller eröffnete die hochkarätige Tagung gestern Abend zusammen mit der Staatsministerin des Auswärtigen Amts, Michelle Müntefering, und dem Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege. Die Stadt wurde im vergangenen Jahr zum Ausrichter ernannt und organisiert sie zusammen mit dem sächsischen Innenministerium und dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik. Deren Vertreterin Brigitta Ringbeck sagt, dass das Kulturroutenprogramm, obwohl schon 30 Jahre existent, erst jetzt richtig Fahrt aufnehme und wahrgenommen werde. „Wir freuen uns über die hohe Teilnehmerzahl hier in Görlitz, das zeigt, wie sehr die europäische Idee lebt.“ Europa – das soll auch ein Kernpunkt der Tagung sein, die noch bis morgen geht. Der Italiener Stefano Dominioni, Direktor der Europäischen Kulturrouten, sagt, Ziel der Zusammenkunft in Görlitz sei es, die Weiterentwicklung und Zusammenarbeit aller Mitglieder zu diskutieren. Jeder solle möglichst die europäische Perspektive im Blick haben und nicht nur die eigene. Natürlich gehe es auch um neue Projekte und finanzielle Fragen.

Görlitz ist ab heute also offizielles Kulturrouten-Mitglied. Bei einer Gala im Theater wird die Aufnahmeurkunde am Abend überreicht. Und die bekommt man nicht einfach so, betont Caroline Fischer von der Via-Regia-Kulturroute. Sondern nur, wenn man kontinuierlich und eigenverantwortlich Forschung betreibt und das Thema immer wieder kommuniziert. „Görlitz ist sich sehr bewusst, dass die Lage an der Via Regia sie zu der Stadt gemacht hat, die sie ist“, so Fischer. Das unterstrich auch Ratsarchivar Siegfried Hoche gestern am Rande einer Pressekonferenz eindrucksvoll, als erstmals seit vielen Jahren die historische Tür vom kleinen Ratssaal hinüber ins Ratsarchiv geöffnet wurde und Hoche Tagungs- und Medienvertretern einige Zeugnisse der Görlitzer Via-Regia-Geschichte präsentierte. Darunter eine originale, von Papst Sixtus unterzeichnete Urkunde, in der er bestätigt, dass nach den Hussitenkriegen die Görlitzer Ablassgelder in der Stadt verbleiben und für den Aufbau der Kirchen verwendet werden dürfen. Oder ein Brief von Johann Sebastian Bach, in der er dem Görlitzer Rat einen seiner Schüler als Organisten empfiehlt. In erster Linie aber sind es Zeugnisse des jahrhundertelangen Handels entlang der Via Regia, so Tuchmacherbücher, die belegen, welche hohe Qualität Görlitzer Tücher hatten und wie begehrt sie europaweit waren. Oder Zollregister, mit denen nachweisbar ist, welche Handelswagen die Via Regia entlangkamen. Bis hin zu unzähligen Dokumenten, die die Geschichte der Görlitzer Hallenhäuser lückenlos erzählen können.

Mit all diesen Dingen hofft Görlitz, die Experten in dieser Woche beeindrucken zu können. Denn für die Stadt ist die hochkarätige Veranstaltung eine einmalige Chance, sich von ihrer besten Seite zu zeigen und sich nicht nur als Kulturroute, sondern auch als würdiger Kandidat für den Welterbe-Titel zu empfehlen. Deshalb werden die Tagungsteilnehmer nicht nur in Vorzeigegebäude wie Theater oder Synagoge eingeladen, sondern können auch Hallenhäuser anschauen. Immerhin war es vor einigen Monaten die Empfehlung der Unesco-Experten an die Stadt, die Hallenhäuser und die Handelsgeschichte in den Fokus der Bewerbung zu stellen. Und so ist es OB Siegfried Deineges Ziel für diese Woche, „von den Fachleuten viel abzuschöpfen und Gespräche zu suchen“. „Ich möchte schon auf die Kulturroute noch das i-Tüpfelchen des Welterbe-Titels setzen“, sagt der OB.