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Görlitz braucht acht neue Straßenbahnen

Die Verkehrsplanungen des Zvon setzen auch auf neue Linien im Stadtverkehr. Doch Zeit und Geld sind knapp.

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© Nikolai Schmidt

Von Ralph Schermann

Görlitz. An diesem Montag werden 206 Seiten der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes im Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon) wieder zugeklappt. Ebenso 13 Anlagen, 84 Abbildungen und 81 Tabellen. Allein das dazugehörende Konzept der Stadt Görlitz zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) umfasst 69 Blatt. All das lag zur Einsicht aus. Die endgültige Fassung soll im Frühjahr beschlossen werden, informiert Sandra Trebesius vom Zvon. Viele Hinweise dazu gab es nicht, auch wenn manche Aussage des Wälzers Absichtserklärung bleibt.

Die Fortschreibung betrifft das komplette Zvon-Verbundgebiet und enthält vor allem umfangreiche Bestandsbeschreibungen, Analysen und Prognosen. Was an Zielen für Görlitz und Umgebung herausgestellt wurde, hat die SZ zusammengefasst.

Fernverkehr: Zug zwischen Hamburg, Görlitz und Wroclaw wäre ein Traum

Für die Eisenbahn gibt es zwar eine Fülle Details – von Bahnsteigausstattungen bis hin zu Fahrzeugtypen –, doch die wichtigste Aussage lautet, dass der Zvon alles unterstützt, das die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken Dresden – Görlitz und Cottbus – Görlitz endlich Realität werden lassen kann. Schon viel zu lange werde darüber nur geredet. Nun wird angestrebt, die beiden zu elektrifizierenden Trassen im Bundesverkehrswegeplan 2030 zu verankern. „Das kann Reisezeiten verkürzen, Schadstoffbelastungen senken und das Führen von Fernzügen nach Görlitz erleichtern“, heißt es. Ohnehin hat sich der Zvon im Fernbahnbereich ein hehres Ziel gestellt: Neben der dauerhaften Reaktivierung der Linie Dresden – Wroclaw soll auch eine Verbindung Hamburg – Berlin – Cottbus – Görlitz – Wegliniec – Wroclaw geschaffen werden. Dagegen macht der Plan um den Fernbusverkehr einen Bogen: Dessen Auswirkungen seien wegen der „jungen und häufig nicht konstanten Entwicklung dieser Branche noch nicht bewertbar.“ Fakt sei aber, dass der Eisenbahnverkehr in Görlitz mit jährlich 1,25 Millionen Ein- und Ausstiegen in Auswertung und Prognose stabil sei (Reichenbach 65 000, Hagenwerder 45 000, Gersdorf 18 000).

Regionalverkehr: Dass vieles gut rollt, ist auch den Schülern zu verdanken

Klare Ansage: Der Schülerverkehr bleibt Grundpfeiler des ÖPNV. Der Zvon rechnet dabei zwar, dass der Anteil der Busschüler unter zehn Jahren sinkt, dagegen der Anteil der Zehn- bis 17-Jährigen aber leicht steigt. Außer dem Schulverkehr nutzen täglich rund 5 200 Pendler den ÖPNV aus und 9 500 Pendler nach Görlitz. Der Zvon bewertet diese Entwicklung als gut, vor allem vor dem Hintergrund, dass seit 2011 der Bestand an Privatautos je tausend Einwohner im Landkreis von 537 auf 546 gestiegen ist. Allein in der Stadt Görlitz erhöhte sich der Kfz-Bestand seit 2010 von 26 400 auf derzeit 27 000. In der Rahmenplanung sollen Anschlüsse verbessert und das bisherige Schienenpersonen-Nahverkehrsangebot „mindestens in der bisherigen Qualität gesichert“ werden.

Stadtbusverkehr: Görlitz versucht, weiße Flecken im Netz zu tilgen

Wenn die Monatskarte für Senioren in Görlitz von rund tausend Exemplaren 2009 jetzt mit jährlich 5 500 Stück genutzt wird, zeige das deutlich eine Veränderung der Nutzer. Auch deshalb erkennen die Planer, nicht nur für Studenten eine Anbindung der Hochschule hinbekommen zu müssen, sondern für ältere Mitbürger auch die Görlitzer Altstadt besser zu erschließen. Das kann aus jetziger Sicht aber nur per Stadtbus geschehen, deshalb sind bereits zwei Linienänderungen ab 2019 vorgesehen (siehe Info-Kasten). Positive Ergänzung für Görlitz: Hier sind alle Stadtbusse bereits als Niederflur-Fahrzeuge unterwegs.

Straßenbahnverkehr: Barrierefrei ist ein Ziel, das noch etwas dauern wird

Davon ist man bei der Tram noch weit entfernt. Dabei weist diese im Stadtverkehr Görlitz die stärkste Nutzung auf, vor allem zwischen 7 und 8 sowie 13 und 17 Uhr an Wochentagen. Jährlich nutzen über vier Millionen Fahrgäste den Stadtverkehr, der jährlich rund eine Million Kilometer absolviert. Damit ist die Verkehrsgesellschaft Görlitz sogar der größte Stadtverkehrsdienstleister im gesamten Zvon, und das soll auch so bleiben, wenn der Nahverkehr bald schon wieder kommunal betrieben wird. Um auch bei der Tram Barrierefreiheit hinzubekommen, werden für Görlitz acht neue Straßenbahnen benötigt. Dabei müssen für die Linie 3 größere Fahrzeuge beschafft werden, um die bisher üblichen Doppeltraktionen auszugleichen. Görlitz strebt Niederflur-Bahnen an, die insgesamt mindestens 28 Millionen Euro kosten. Da der Freistaat die Hälfte fördert, bleiben rund 14 Millionen, die jedoch sofort weder vom Zvon noch von Görlitz selbst zu stemmen wären. Deshalb sieht die Planung vor, die Anschaffungen bis 2028 zu strecken. Erste Niederflurbahnen sollten im Stundentakt ab 2022 rollen. Das heißt aber auch, dass die Zukunft der Straßenbahn in Görlitz weit über 2028 hinaus gesichert ist. Zum Ankauf neuer Wagen kommt freilich noch die Umrüstung von Haltestellen.

Dem Zvon ist klar, dass das ein Kompromiss ist. Denn der Gesetzgeber hat vorgegeben, im ÖPNV bis 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Der Zvon dagegen sieht dabei die Politik in der Pflicht: Wer so eine Mehrbelastung von den Zweckverbänden fordere, der müsse auch für einen finanziellen Ausgleich sorgen.