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Glück zwischen Bäumen und Balken

Karen Käding hat sich in die Umgebindehäuser verliebt und will auch andere dafür begeistern. Jetzt sogar mit Diplom.

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© Bernd Gärtner

Romy Kühr

Oberland. Ein laues Lüftchen fährt durch die Oleanderbüsche und Palmen im Vierseitenhof. Es lässt die Blätter leise rascheln. Haushund Ernie hat sich ein schattiges Plätzchen gesucht und liegt entspannt auf der Seite. Lieber nicht zu viel bewegen bei dieser Hitze. Alltagshektik hat hier zwischen den jahrhundertealten Mauern und Holzbalken ohnehin keinen Platz.

„Ja“, sagt Karen Käding, streckt das Gesicht in die Sonne und lehnt sich auf der rustikalen Bank zurück. „Hier kann man so richtig runterkommen und Ruhe finden.“ Hier – das ist der Kaffeehof in Ebersbach. Kaffeehof heißt das beeindruckende Umgebindehaus-Ensemble, weil Karen Käding, ihre Schwester und deren Mann darin ein Kaffeemuseum eingerichtet haben. Viele Utensilien rund um das „schwarze Gold“ gibt es zu besichtigen, Kaffeegeschirr aus verschiedenen Epochen, wissenswerte Episoden zu erfahren. Eine hauseigene Kaffeerösterei ergänzt das Museum.

In Fulda gebüffelt

Karen Käding will Besuchern aber nicht nur die Welt des Kaffees zeigen. Sie möchte ihnen auch die jahrhundertealte Umgebindebauweise nahebringen. Dafür begeistert sich die Berlinerin ganz besonders. Dass sie das auch anderen gut vermitteln kann, hat sie jetzt schwarz auf weiß: mit einem Diplom als Fachwerkgästeführerin. Auf Anregung der Bürgermeisterin von Ebersbach-Neugersdorf meldete sie sich für einen Lehrgang bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fachwerkstädte an. Dort ist die Stadt seit einigen Jahren Mitglied, die Umgebindebauweise wurde als Fachwerk anerkannt. Gerade wird eine Themenstraße zu Umgebindehäusern konzipiert.

In dem mehrtägigen Kurs in Fulda büffelte Karen Käding Fachwissen über Denkmalschutz- und Pflege, die Entwicklung des Fachwerks, über Kunstgeschichte und Baustile. Sie lernte aber auch, wie man Gästen das Thema vermittelt. „Am besten ist es, kleine Anekdoten und Geschichten zu erzählen“, sagt Karen Käding. „Die gibt es zu jedem Haus.“ Professor Manfred Gerner, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Fachwerkbauweise, leitete das Seminar. Der Kurs endete mit dem Diplom. Karen Käding ist die Erste in ganz Sachsen, die dieses Zertifikat erworben hat. Auf Anfrage bietet sie jetzt schon Führungen an, vor allem auf dem eigenen Hof. Gerade erarbeitet sie aber auch eine thematische Route durch die Stadt. Künftig möchte sie zu regelmäßigen Terminen Führungen anbieten – und interessante Geschichten zu den Umgebindehäusern erzählen.

Eine besondere Anekdote ist auch die, wie Karen Käding überhaupt zu ihrem über 500 Jahre alten Hof kam: Ihre Schwester lebt schon lange in der Oberlausitz. Auch ihr gefielen die hübschen Häuser in Holzbauweise, von denen viele leer standen und zusehends verfielen. „Der ursprüngliche Plan war, zwei Häuser zu kaufen“, erzählt Karen Käding. „Für jeden eins.“ Bis der Vierseithof ins Spiel kam. Die damalige Ebersbacher Stadtplanerin wies die Familie auf den großen Hof am Oberen Kirchweg hin. Beeindruckend. Überwältigend. So beschreibt Karen Käding ihren Eindruck von dem Ensemble, als sie das erste Mal durch das große Hoftor trat.

Vor zehn Jahren war das. Karen Käding, ihre Schwester und deren Mann kauften den maroden Hof. Vieles, sagt sie, sah schlimmer aus, als es tatsächlich war. „Die Bausubstanz war gut erhalten.“ Es gebe in der Region auch viele Handwerker, die sehr gut mit der alten Substanz umgehen können. Man darf sich nicht abschrecken lassen von der scheinbar enormen Arbeit. Viele Häuser sind erhaltenswert. Diese Botschaft will Karen Käding Besuchern mit auf den Weg geben. Mit ihrem neu erworbenen Fachwissen kann sie außerdem Tipps geben, wie man mit den historischen Häusern umgeht.

Viel vom Alten erhalten

Das haben Karen Käding, ihre Schwester und der Schwager auch bei der jahrelangen Arbeit am eigenen Hof gelernt. Ihnen war wichtig, so viel wie möglich vom Alten zu erhalten. So wurden zum Beispiel die Dächer nicht neu gedeckt. Beschädigte Stellen ließen die Eigentümer reparieren. So wurde der Hof fast original erhalten, lediglich eine Scheune musste ein kleines Stück verkürzt werden, weil sie einzustürzen drohte. Mittlerweile gibt es auf dem Kaffeehof zwei Ferienzimmer. In der Kaffeestube werden Kaffee und Kuchen serviert, beliebt ist das zum Beispiel für Weihnachtsfeiern oder Familienfeste. Eine Privatwohnung ist so gut wie fertig. Und das Museum mit Rösterei öffnet regelmäßig für Besucher.

Für das einmalige Konzept hat der Ebersbacher Hof kürzlich den Deutschen Fachwerkpreis erhalten. Er wird ebenfalls von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fachwerkstädte verliehen und ist mit 3 000 Euro dotiert. Gewürdigt werden damit besondere Sanierungsprojekte an Fachwerkhäusern. Vom Preisgeld wollen die Kaffeehofbetreiber ein mobiles Gerüst anschaffen. Damit sollen kleinere Reparaturen an den großen Gebäuden leichter werden. Solche Arbeiten erledigt Karen Käding durchaus selbst. Bei der Sanierung des Hofes hat die 47-Jährige ebenfalls angepackt. Auch als Frau könne man vieles selbst machen, sagt sie selbstbewusst.

Karen Käding lächelt freundlich und schließt die knarrende Holztür zum Museumshof. Der Alltagsstress bleibt draußen.

Öffnungszeiten Museum/Kaffee/Rösterei: Montag, Dienstag, Sonnabend von 11 bis 17 Uhr, Kaffee zusätzlich Sonntag 11 bis 17 Uhr, Rösterei auch Freitag geöffnet

www.spree-museumshof.de