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Was bedeutet die GKN-Übernahme?

Ein britischer Sanierungsspezialist hat jetzt bei der Muttergesellschaft des Sohlander Standorts das Sagen. Für dessen Zukunft ist die IG Metall jedoch zuversichtlich.

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© Uwe Soeder

Von Franziska Springer

Sohland. Dass sich internationale Wirtschaftspolitik im beschaulichen Sohland abspielt, ist eher die Seltenheit. Nun ist es aber doch passiert: Denn der britische Sanierungsexperte Melrose übernimmt den britischen Industriekonzern GKN – die Mutter des Sohlander Getriebewerks. Was sich nach dem Bekanntwerden der Übernahmegerüchte hinter verschlossenen Türen abspielte, klingt wie ein echter Wirtschaftskrimi und beschäftigte sogar die britische Regierung. Wie unter anderem die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete, wollte diese die Übernahme aufgrund von nationalen Interessen verhindern.

Entscheidung der Aktionäre

Seit Anfang April steht fest, dass der Investor Melrose den Industriezulieferer GKN übernimmt. Ersterer ist darauf spezialisiert, Unternehmen aufzukaufen, auf Effizienz zu trimmen und wieder abzustoßen. Möglich wurde der Verkauf gegen den Willen der Konzernleitung durch eine knappe Mehrheitsentscheidung der Aktionäre. Von dieser sogenannten feindlichen Übernahme ist auch der Standort von GKN Walterscheid in Sohland betroffen, das bestätigte das Unternehmen auf Nachfrage der SZ.

Zu weiteren Aussagen zur Zukunft des Getriebewerks wollte man sich seitens der Konzernzentrale im nordrhein-westfälischen Lohmar nicht äußern: „Für sämtliche Fragen zum Thema Melrose sind wir vom GKN-Konzern angehalten, keine Aussagen zu tätigen“, teilt Marketingmanager Michael Harant mit.

Die GKN-Konzernstruktur

Die Aktiengesellschaft GKN beschäftigt etwa 56000 Mitarbeitern in 30 Ländern weltweit.

Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz des Konzerns 12 Milliarden Euro.

Das Tochterunternehmen GKN Walterscheid ging hervor aus einem Betrieb zur Herstellung von Fahrradteilen und stellt heute landtechnische Antriebs- und Anbausysteme her.

In der Sohlander Produktionsstätte werden seit 2003 von etwa 270 Mitarbeitern Getriebe und Fahrantriebe für Land- und Baumaschinen produziert.

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Auch am Sohlander Standort hält man sich bedeckt: Zu unbeständig seien die Informationen derzeit, zu unerkennbar die Strategie des britischen Investors. Mit konkreten Angaben zur Zukunft des Unternehmens, das insgesamt 270 Mitarbeiter, darunter auch Leiharbeiter und Lehrlinge beschäftigt, könne frühestens in der nächsten Woche gerechnet werden. Spätestens, wenn im Mai europaweit die Betriebsräte tagen, würden sich genauere Prognosen treffen lassen.

Gewerkschaft warnt vor Spekulationen

Bis dahin warnt Jan Otto, bei der IG Metall zuständig für Ostsachsen, vor unbedachten Spekulationen, die die Belegschaft nur zusätzlich verunsichern würden. Er gibt stattdessen zu bedenken: „Der Sohlander Produktionsstandort ist im Vergleich zu anderen Standorten der GKN ziemlich klein und dabei hochgradig spezialisiert. Die dort hergestellten Produkte sind aktuell besonders von Russland massiv nachgefragt. Die Auftragslage sieht momentan fantastisch aus. Es wäre Dummheit, dieses Sahnefiletstück in Gefahr zu bringen.“

Nach der Übernahme des ehemaligen Getriebewerkes Kirschau durch GKN Walterscheid im Jahr 1993 entwickeln und produzieren die Mitarbeiter in Sohland insbesondere Getriebe und Motorabtriebe für Landmaschinen und Baufahrzeuge. Damit besetzt der kleine ostsächsische Standort eine Nische im großen Gefüge der britischen Aktiengesellschaft, die sich vor allem auf die Produktion von Teilen für die Luftfahrtindustrie und den Automobilbau spezialisiert hat.

An diesen beiden Sparten scheint Sanierer Melrose vor allem interessiert: „Ich wage zu bezweifeln, dass der Sohlander Standort von der Übernahme massiv betroffen ist“, sagt Otto. Allein, das ändert wenig daran, dass die seit 2013 existierende Investmentgesellschaft nach eigenen Angaben das Ziel verfolgt, die Effizienz eines neu erworbenen Unternehmens innerhalb von maximal fünf Jahren derart zu steigern, dass sich anschließend ein zahlungskräftiger Abnehmer findet.

Dessen ist sich auch Jan Otto bewusst: „Natürlich muss man den Übergabevorgang jetzt dauerhaft und genau beobachten“, findet er. „Melrose ist und bleibt ein Sanierungsunternehmen und – wie ich finde – nicht der richtige Übernahmekandidat für die GKN“.

Das sahen die Aktionäre anders. Obwohl das Konzernmanagement auf das Übernahmeangebot mit einem Vorschlag zum Konzernumbau reagierte, stimmten die Eigentümer nach Angaben der NZZ mit einer denkbar knappen Mehrheit von 52,4 Prozent dem Verkauf zu. Neun Milliarden Euro ließ sich das der Sanierer kosten.

Die Übernahme ist damit besiegelt. Die Beschäftigten in Sohland warten indes weiter auf Informationen zur Zukunft ihres Werks.