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Giftnebel über Bio-Feldern

Fast die gesamte Gemüseernte vom Hof Mahlitzsch ist vernichtet, zahlreiche Jobs sind in Gefahr.

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© Claudia Hübschmann

Von Dieter Hanke

Die Bio-Bauern in Mahlitzsch sind geschockt. Über ihren Gemüsefeldern regnete es Gift. Fast die gesamte Ernte ist betroffen – Kohlrabi, Kraut, Zwiebeln, Tomaten, Möhren, Salat, Kürbisse, Porree und Kräuter auf insgesamt 8,5 Hektar. Blätter werden weiß, sterben ab. Der Boden ist verseucht. „Im schlimmsten Fall, wenn es zum Totalverlust kommen sollte, haben wir einen Schaden von weit über 250.000 Euro“, sagt Landwirtschaftsmeister Nikola Burgeff. Die Mühe eines Jahres wäre vergebens. Der Bio-Hof in Mahlitzsch gehört zu den größten im Land Sachsen und beliefert mit der Ökokiste Tausende Kunden in der Landeshauptstadt Dresden und benachbarten Landkreisen.

Ursache dieses Umweltskandals ist ein aggressives Pflanzengift, das vor einigen Tagen offenbar unsachgemäß auf benachbarten Feldern des Bio-Hofes an der Mahlitzscher Straße ausgebracht wurde. Der Landwirtschaftsbetrieb Wolters aus Mochau (Landkreis Mittelsachsen) bewirtschaftet dort fast 90 Hektar. Winterraps wurde jetzt angebaut. Nach der Saat sollten hochwirksame Pestizide Unkräuter vernichten. Das Mittel Echelon, das den Wirkstoff Clomazon enthält, der bei nicht sachgerechter Anwendung stark gesundheitsschädlich und umweltgefährlich ist, wurde eingesetzt. Dafür gibt es strenge Vorschriften: Dieses Pflanzenschutzmittel darf nur abends und nachts, bei Windstille und nicht bei Temperaturen über 25 Grad angewendet werden. Auch sind Abstände zu Ortschaften, Gärten und anderen bewirtschafteten Flächen von mindestens 50 Metern einzuhalten.

Landwirt Hans-Jürgen Wolters: „Wir haben Behandlungsfehler gemacht. Der Abstand zu den Gemüseflächen vom Bio-Hof wurde nicht eingehalten.“ Auch hat Wolters nicht die Öko-Bauern als Nachbarn einen Tag vor der Anwendung der Herbizide unterrichtet, wie es gefordert wird.

Die Giftwolken drifteten an die 200 bis 300 Meter über die Bio-Felder. „Zunächst dachten wir, dass es Nährstoffmangel ist, weil sich die Blätter an einigen Pflanzen verfärbten. Doch dann stellte sich das Unheil heraus“, bemerkt Christian Schwab, der für die Gemüseproduktion im Bio-Hof zuständig ist. Ein sicherer Indikator war dafür das Unkraut Vogelmiere. Deren Blätter welkten, wurden durch das Pflanzengift schnell weiß. „Sogar in Folienhäusern mit Tomaten drang das Gift über die Entlüftung ein“, bemerkt der 50-Jährige.

Der Bio-Hof schaltete schnell. Alle Erntearbeiten wurden sofort eingestellt, einige betroffene Gemüsesorten, die bereits ausgeliefert waren, zurückgerufen. Kunden und Partner wurden vom Vorfall unterrichtet. „Wir informierten die Öko-Kontrollstelle und auch Behörden im Freistaat“, sagt Nikola Burgeff. Inzwischen haben Experten Proben von Pflanzen und der Böden genommen. Die Resultate der Untersuchungen stehen noch aus.

Auch wenn sich herausstellen sollte, dass auf betroffenen Flächen die Grenzwerte bei Schadstoffen nicht überschritten worden sind und es nur teilweise Ernteausfälle gibt, ist der Imageschaden für den Mahlitzscher Bio-Hof groß. Seit 1993 praktiziert dort eine Betriebsgemeinschaft Öko-Landbau auf vorbildliche Weise. Der Demeter-Hof ist für seine biologischen Erzeugnisse weithin in Sachsen bekannt. Wenn eine Verseuchung der Böden eingetreten sein sollte, gibt es dort eine Rückstufen als ökologische Flächen um drei Jahre. „Die ganze Arbeit wäre umsonst gewesen. Für uns ist das eine Existenzfrage. Denn der Bio-Hof steht und fällt mit dem Vertrauen der Kunden“, sagt Schwab. Auch die finanziellen Auswirkungen für den Hof seien noch nicht abzusehen.

Der Gemüsebau ist zu einem Drittel neben Ackerbau, Milchviehhaltung sowie Hofladen und -bäckerei am Betriebsergebnis der Gemeinschaft beteiligt, die insgesamt 40 fest angestellte Mitarbeiter hat. „Wir sind über diesen Vorfall sehr betroffen“, sagt Beate Diener, die in der Gemüseproduktion tätig ist.

Der konventionelle Landwirtschaftsbetrieb Wolters bedauert dieses Ereignis sehr. „Wir sind über die dramatische Entwicklung dieser Sache bestürzt“, so Landwirt Wolters, dem es unerklärlich sei, wieso das Pflanzenschutzgift beim Ausspritzen soweit abdriftete. Er habe es vom Vertriebsunternehmen Cheminova aus Stade bei Hamburg bezogen. „Wir werden mit Cheminova die Umstände klären, denn wir haben der Werbung für dieses Mittel vertraut“, bemerkt Wolters. Seiner Versicherung habe er den Schaden gemeldet.